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Klima und Landwirtschaft

Die Kosten der Umweltzerstörung

29.01.2025

Wie teuer kommt uns der Raubbau an der Natur? Umweltforscher Ralf Seppelt erklärt, warum wir dringend eine ehrliche Kostenrechnung brauchen – und wie sie aussehen könnte.

 

© Adobe Stock

Umweltzerstörung hat ihren Preis – wirtschaftlich und sozial. Über die globalen Kosten des Biodiversitätsverlusts und Klimawandels, warum eine ehrliche Kostenrechnung längst überfällig ist und wie eine nachhaltige Landwirtschaft zur Lösung beitragen könnte, darüber spricht Ralf Seppelt, Professor für Landschaftsökologie und Ressourcen Ökonomik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Forscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Leipzig.

„In den vergangenen 30 Jahren haben wir durch Umweltzerstörung und Klimafolgen zunehmend ökonomisch verloren“, so Seppelt im Interview. Am 27. Jänner hielt Ralf Seppelt eine Keynote Lecture an der Akademie zum Thema, zu der die Kommission für Biodiversität in Österreich der ÖAW zu einem Minisymposium einlädt. Die Veranstaltung orientiert sich am IPBES „Nexus“-Bericht, der die verknüpften Krisen und deren wirtschaftliche sowie soziale Kosten aufzeigt.

Die Kosten der Umweltzerstörung

Umweltzerstörung kostet. Das zeigen Sie auch im aktuellen IPBES „Nexus“ Bericht. Wie hoch sind die wirtschaftlichen und sozialen Kosten schon jetzt?

Ralf Seppelt: Die globale Ökonomie erwirtschaftet etwa 105 Trillionen US-Dollar, wovon die Hälfte von einer funktionierenden Natur abhängt. Das bedeutet, dass 50 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts direkt mit intakten Ökosystemen, stabilem Klima und verfügbaren Ressourcen wie Wasser verknüpft sind. Zehn bis 25 Prozent Kosten des globalen Bruttosozialprodukts entstehen durch Umweltzerstörung, sind also externe Kosten, die in Bilanzen nicht auftauchen. In den vergangenen 30 Jahren haben wir durch Umweltzerstörung und Klimafolgen zunehmend ökonomisch verloren. Dem gegenüber stehen sehr geringe positive Investitionen in umweltfreundliches Wirtschaften von nur etwa 200 Milliarden Dollar global.

Die Kosten müssen auf allen Ebenen sichtbar gemacht werden.

Wie können die Kosten der Umweltzerstörung, des Biodiversitätsverlusts und Klimawandels sichtbarer gemacht werden?

Seppelt: Die Kosten müssen auf allen Ebenen sichtbar gemacht werden – nicht nur für Konsument:innen, sondern auch bei Entscheidungen über Subventionen, Gesetze, internationale Kooperationen und Zölle. Ein konkretes Beispiel ist das Grundwasser in Norddeutschland, das EU-Grenzwerte nicht einhält. Die dadurch entstehenden Kosten für Wasseraufbereitung und Gesundheitsfolgen müssten bei Entscheidungen über EU-Agrarzahlungen berücksichtigt werden. Nur so können wir zu einer ehrlicheren Kostenrechnung kommen, bei der derjenige die Kosten trägt, der sie verursacht. Dies würde zu nachhaltigeren Entscheidungen in Wirtschaft und Politik führen.

Die Rolle der Landwirtschaft

Apropos Agrarzahlungen. Wie müsste sich die globale Landwirtschaft verändern, um die Umweltzerstörung aufzuhalten?

Seppelt: Es gibt mehrere wichtige Ansatzpunkte für eine Transformation der globalen Landwirtschaft: Erstens produziert die globale Landwirtschaft derzeit etwa 5.000 Kilokalorien pro Person und Tag, was deutlich mehr ist als für eine gesunde Ernährung nötig wäre. Studien zeigen, dass eine Umstellung auf eine gesündere Ernährungsweise große positive Effekte auf Biodiversität und Klima hätte.

Wir wissen, dass man mit wenigen Prozent Ertragsrückgang bereits große positive Effekte für Biodiversität und Klima erzielen kann.

Zweitens muss die Nahrungsmittelversorgung für die 800 Millionen unterernährten Menschen verbessert werden, besonders im globalen Süden. Hier geht es darum, die Versorgung in kleinbäuerlichen Regionen zu sichern und Ernteverluste zu vermeiden.
Drittens sollten in Regionen wie Europa mehr ökologische Prinzipien angewandt werden, wie diversere Fruchtfolgen und kleinere Felder. Dies muss nicht unbedingt eine vollständige Umstellung auf Ökolandbau bedeuten, und könnte selbst bei konventioneller Bewirtschaftung zu eine Erhöhung der Biodiversität in der Agrarlandschaft führen. Wir wissen, dass man mit wenigen Prozent Ertragsrückgang bereits große positive Effekte für Biodiversität und Klima erzielen kann.
Viertens müssen wir robustere Kulturen züchten, die dem Klimawandel standhalten können. Mit zunehmenden Extremwetterereignissen und Schädlingsdruck steigt der Bedarf an angepassten Pflanzensorten.

Fünftens ist der globale Handel so zu gestalten, dass tatsächlich alle von einem diversen Angebot an Kulturen profitieren, lokale Wirtschaftsweisen erhalten bleiben können und eine Reduzierung auf nur wenige Kulturen – die Menschheit ernährt sich gerade hauptsächlich von etwa 15 unterschiedlichen Ackerkulturen – gestoppt wird.

Kommt die Erkenntnis, dass Biodiversitätsverlust, Klimawandel und Ernährungsunsicherheit global bekämpft werden müssen, noch rechtzeitig?

Seppelt: Das ist eine schwierige Frage, da jede Antwort falsch interpretiert werden könnte. Feststeht: Je stärker wir jetzt gegensteuern, desto mehr können wir noch retten. Der Bericht zeigt, dass immer mehr Ökosystemfunktionen zerstört oder erodiert werden. Je später wir handeln, desto teurer wird es.

Die Möglichkeit für eine Wende besteht noch immer.

Es gibt zahlreiche Lösungsansätze, die alle auch schon länger auf dem Tisch liegen. In Deutschland gab es beispielsweise ambitionierte Pläne für eine langsame, aber stetige Transition. Diese hätten durch klare strategische Ansagen, wie die Förderung der Elektromobilität, Änderungen bei der Pendlerpauschale und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, umgesetzt werden können. Leider wurden viele dieser Pläne nicht realisiert. Die Möglichkeit für eine Wende besteht noch immer, allerdings gestaltet es sich zunehmend schwieriger, sie durchzusetzen.

Politik im Rückwärtsgang

Der Bericht analysiert verschiedene Zukunftsszenarien bis 2050 und 2100. Aktuell möchte US-Präsident Donald Trump so ziemlich alle klimapolitischen Fortschritte rückgängig machen – mit welchen Folgen für Natur und Klima?

Seppelt: Der Natur und dem Klima ist es herzlich egal, wer regiert. In den Szenarien des Berichts wurde nicht explizit angenommen, dass Regierungen versuchen, das Rad zurückzudrehen. Allerdings lässt sich beobachten, dass der zunehmende Druck, schnell Veränderungen vorzunehmen, ein Grund für den Aufstieg solcher Bewegungen sein könnte.

Was besonders besorgniserregend ist, ist die Erosion faktenbasierter Entscheidungen, die wir beobachten. Die Tendenz, wissenschaftliche Fakten politisch zu instrumentalisieren oder zu ignorieren, ist eine große Gefahr für effektive Klima- und Umweltpolitik.

 

Auf einen Blick

Ein Minisymposium Kommission für Biodiversität in Österreich der ÖAW beleuchtet die Praxis der Interessensabwägung bei biodiversitätsrelevanten Projekten. Nach der Keynote Lecture von Ralf Seppelt (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Leipzig) moderiert Politikwissenschaftlerin Alice Vadrot eine Podiumsdiskussion mit Norbert Kreuzinger (TU Wien), Gabriele Obermayr (Bundesministerium für Klimaschutz, Wien), Christian Sturmbauer und Verena Winiwarter (beide ÖAW).