23.12.2022 | James Webb Teleskop

Der neue Star im Weltall

Seit fast einem Jahr erkundet das James Webb Teleskop die Tiefen des Universums. Was das gigantische Teleskop so besonders macht, erklärt ÖAW-Weltraumforscher Luca Fossati im Interview.

Das James-Webb-Teleskops vor einer Aufnahme junger Sterne und Gaswolken des Carinanebels. © Adobe Stock

Weltraumteleskop, kurz JWST. Am 25. Dezember 2021 startete es ins All. Vier Wochen später, Ende Jänner 2022, erreichte es seine endgültige Position: eine Umlaufbahn um den sogenannten zweiten Lagrange-Punkt, rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Seither blickt es noch tiefer ins Universum als sein Vorgänger, das Hubble-Teleskop, und soll mit  noch nie zuvor gesehener Detailtreue das Universum erforschen. Die ersten spektakulären Bilder wurden von den drei am James Webb-Weltraumteleskop beteiligten Raumfahrtagenturen NASA, ESA und CSA im Juli 2022 veröffentlicht. Für das Fachjournal “Science” ist das Teleskop daher der wissenschaftliche Durchbruch des Jahres.

Was wir bisher über die Entstehungsgeschichte der Sterne und Planeten wissen und warum das JWST durch die Hülle von Staub und Gas zu den Galaxien hindurchschauen kann, erklärt Luca Fossati, Forschungsgruppenleiter am Grazer Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Interview.

Ein Projekt für Jahrzehnte

Herr Fossati, vor einem Jahr brachte die ESA das James Webb Weltraumteleskop, kurz JWST, ins All. Entsprach das erste Jahr Ihren Erwartungen?

Luca Fossati: Absolut und mehr als das. Von Anfang an hat es alle Herausforderungen gemeistert und die Erwartungen übertroffen. JWST hat beim Start sogar weniger Treibstoff verbraucht als zuvor berechnet. Das bedeutet, dass die Lebensdauer von JWST länger als gedacht sein wird.

Wie lange soll das Teleskop im Weltall sein?

Fossati: Das Minimum beträgt ungefähr fünf Jahre. Vorgesehen sind aber mehr als zehn Jahre. Die Lebensdauer könnte auch länger sein. Das haben wir auch beim Hubble-Weltraumteleskop gesehen, das ursprünglich für einen zehnjährigen Einsatz gedacht war und noch jetzt – mehr als 30 Jahren später – Bilder aus dem Weltall liefert.

Geniales Teleskop

Warum ist das James Webb Teleskop so genial?

Fossati: Zum einen die schiere Größe: Der Spiegel von JWST ist mit rund 25 Quadratmetern mehr als sechsmal so groß wie der von Hubble und ist damit einfach viel größer und leistungsstärker als alles, was wir bisher ins All geschickt haben. Mit einem derart großen Teleskop kann man weiter in den Weltraum und damit auch weiter zurück in die Vergangenheit schauen. Und es kann Objekte besser und in weniger Zeit beobachten.

Man hat viel gelernt von Hubble."

Und zum anderen?

Fossati: Zum anderen spielt der Beobachtungspunkt eine wichtige Rolle. Der Zielort von JWST ist 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und wird als Lagrange-Punkt, kurz L2, bezeichnet. Es ist der optimale Beobachtungspunkt, weil es von der Erde nicht „gestört“ werden kann, etwa durch Temperaturänderungen. Anders bei Hubble, das nur einige 100 Kilometer von uns entfernt ist und die Erde immer wieder im Sichtfeld hat.

Man hat viel gelernt von Hubble. Mit JWST haben wir jetzt die Möglichkeit, die Optik von der Erde aus zu kontrollieren. Das war damals das erste Problem bei Hubble, dass man ein Shuttle raufschicken und reparieren musste.

Eingefärbte Hitze

Den Bereich, den JWST beobachtet, ist Infrarot. Die Bilder werden also nachträglich eingefärbt?

Fossati: Genau. Man entscheidet, welche Farbe für die verschiedenen Messbereiche passt. Man kann die Hitze einfärben. Aber man kann auch anders denken und spezielle Beobachtungen im Spektralbereich farbig sichtbar machen, etwa, wo Methan oder CO2 ist. Dann haben die roten und blauen Farben nichts mehr mit der Temperatur zu tun.

Wir blicken immer weiter zurück in die Vergangenheit des Universums."

Was werden wir finden, wenn wir im Weltall auf die Suche gehen?

Fossati: Wir blicken immer weiter zurück in die Vergangenheit des Universums. James Webb wird versuchen, Infrarotsignale aus der Frühzeit des Universums zu erkennen. Wir haben Galaxien gesehen, von denen wir eigentlich dachten, dass sie viel später entstanden sind. Die allererste Entwicklung des Universums hat also viel schneller stattgefunden als wir angenommen haben.

Dazu gab es schon seit Hubble Vermutungen. Mit JWST hat bereits jetzt viel für die Kosmologie geleistet – ohne wirklich tief, also für längere Zeit, zu beobachten.

Das bedeutet: Wir wissen nicht wirklich, was passiert, wenn wir mit James Webb für mehrere Stunden einen dunklen Teil des Himmels beobachten. Wir werden sicherlich etwas Neues finden, aber wir haben keine Ahnung, was. Das wird sehr, sehr spannend.

Erforschung von Exoplaneten

James Webb wird auch Daten zur Entstehung von Sternen und Planeten liefern."

In welchen Bereich erwarten Sie sich darüber hinaus neue Erkenntnisse?

Fossati: Neue Erkenntnisse werden sicherlich bei der Erforschung der Exoplaneten kommen. Es gibt eine Reihe von Nature Papers über Exoplaneten, die bald veröffentlicht werden. Alle über einen Planeten, der mit verschiedenen Techniken beobachtet wurde. Darin werden Dinge bestätigt, die wir schon erwartet haben, etwa über sichtbare Wolken oder den messbaren Schwerstoffanteil in der Atmosphäre. Wirklich interessant wird es, wenn wir die Informationen, die JWST zu vielen Planeten liefert, zusammenbringen und wir anfangen ihre Besonderheiten in der Gesamtheit zu verstehen.
James Webb wird auch Daten zur Entstehung von Sternen und Planeten liefern. Dank der Infrarotwellenlänge, die das Teleskop abdeckt, können wir ganz Neues sehen. Denn die Entstehung von Sternen und Planeten passiert in einem Kokon von Staub und Gas. Während man im optischen Bereich hier nicht durchsehen kann, ist es im Infrarotbereich möglich durch diese Hülle hindurch zu gehen und hinein zu schauen was passiert.

Wie verändert der berufliche Fokus auf das Weltall den Blick auf unseren Planeten?

Fossati: Man bekommt einen Eindruck, wie klein die Erde tatsächlich ist. Wir wissen nicht, ob es andere Planeten gibt, wo Leben existiert. Wahrscheinlich schon, aber wir wissen nicht wo. Fest steht: Wir sind ein Planet unter vielen. Und es gibt viele andere Sterne, wie die Sonne.

 

AUF EINEN BLICK

Luca Fossati ist Leiter der Forschungsgruppe "Exoplaneten: Charakterisierung und Evolution" am Grazer Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)