27.05.2022 | Viruserkrankung

Affenpocken: Was wir über Symptome, Übertragung und das Virus wissen

Wie gefährlich ist das Affenpockenvirus? Und droht nach dem Coronavirus die nächste Pandemie? Der Immunologe Andreas Bergthaler, Forscher an ÖAW und MedUni Wien, schildert im Interview typische Symptome, Möglichkeiten der Übertragung sowie weitere Erkenntnisse der Forschung über das Affenpockenvirus.

Ein Forscher beim Sequenzieren von Viren. © Shutterstock.com
Ein Forscher beim Sequenzieren von Viren - die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie helfen bei der Erforschung des Affenpockenvirus, sagt der Immunologe Andreas Bergthaler. © Shutterstock.com

In Europa mehren sich die Meldungen von Menschen, die sich mit dem Affenpockenvirus angesteckt haben. Wie sich Affenpocken behandeln lassen, wie die Übertragung zwischen Menschen erfolgt und wie groß die Gefahr ist, dass es zu einem endemischen oder gar pandemischen Ausbruch kommt, weiß der Immunologe Andreas Bergthaler. Im Interview teilt der Forscher an der MedUni Wien sowie am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) den aktuellen Wissensstand über das Affenpockenvirus.

Affenkolonie in Dänemark

Was wissen wir bis jetzt über die Affenpocken?

Andreas Bergthaler: Sie wurden in den 1950er Jahren in einer Affenkolonie in Dänemark festgestellt, die dort damals zu Forschungszwecken gehalten wurden. Daher der Name, der eigentlich fälschlich ist, weil die Krankheit tatsächlich unter anderem in Nagetieren in Afrika vorkommt. In den 1970er Jahren wurde zum ersten Mal nachgewiesen, dass auch Menschen an Affenpocken erkranken können und, dass die Krankheit sowohl von Tier zu Mensch, als auch von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Affenpocken sind in Afrika endemisch. Gleichzeitig sind in den letzten Jahrzehnten auch immer wieder Fälle und kleinere Cluster in Europa und den USA aufgetaucht – oft in Zusammenhang mit Reisetätigkeit oder Tiertransporten.

Aufgrund der Erfahrungen aus der Coronapandemie sind wir mittlerweile unglaublich schnell im Sequenzieren und Zuordnen von neuen pathogenen Fällen geworden."

Und jetzt sind in relativ kurzer Zeit viele Fälle in Europa aufgetaucht?

Bergthaler: Mittlerweile weiß man von über 300 bestätigten und Verdachtsfällen, Stand 25. Mai. Der erste Fall wurde am 14. Mai in England beschrieben. Ein Fall, der wahrscheinlich nicht mit Reiseaktivität zu tun hatte. Interessant ist, dass schon fünf Tage später eine erste Sequenz von einem anderen Fall aus Portugal vorlag. Aufgrund der Erfahrungen aus der Coronapandemie sind wir mittlerweile unglaublich schnell im Sequenzieren und Zuordnen von neuen pathogenen Fällen geworden. Mit Stand 25. Mai gibt es schon über 15 Virusgenome von diesen aktuellen Affenpocken-Fällen. Eine wichtige Frage, die noch geklärt werden muss: Gibt es einen gemeinsamen Ursprung von all diesen Infektionen oder sind es mehrere Einträge gewesen? Das wird derzeit durch epidemiologische Erhebungen und Sequenzierungen abgeklärt.

Unterschiede zum Coronavirus

Was unterscheidet die Viren der Affenpocken von den Coronaviren?

Bergthaler: Sie unterscheiden sich in sehr vielen grundlegenden Eigenschaften. Die wichtigste Eigenschaft ist, dass Pockenviren ein DNA-Genom haben und Coronaviren oder Grippe-Erreger über ein RNA-Genom verfügen. Die Kopiermaschinen, also die Polymerasen von RNA-Viren, sind deutlich fehleranfälliger als DNA-Viren. Das heißt: Bei den Pockenviren erwarten wir circa 1 bis 2 Mutationen pro Jahr, verglichen zu durchschnittlich 25 bei Sars-CoV-2. Und: Die Evolution dieser Pockenviren ist deutlich langsamer. Das macht es einerseits schwieriger die Übertragungswege per Sequenzierung zu verfolgen. Andererseits ist es deshalb unwahrscheinlich, dass sich diese Viren so schnell wie Sars-CoV-2 ständig verändern. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass das Virus viel träger und langsamer in seiner Evolution ist.

Typisches Symptom: Hautausschlag

Beim Menschen sind es vor allem diese Hautausschläge, also die typischen Pocken, die infektiös sind."

Wie kann man sich mit Affenpocken infizieren und was sind die Symptome?

Bergthaler: Man kann sich von infizierten Tieren durch einen Biss oder auch durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten anstecken. Beim Menschen sind es vor allem diese Hautausschläge, also die typischen Pocken, die infektiös sind. Zudem sind in vielen aktuellen Fällen diese Läsionen primär im Mund- und Genitalbereich zu finden. Grundsätzlich sind auch Tröpfchen eine Möglichkeit der Ansteckung, weil auch der Speichel infektiös ist. Aber viel mehr ist es der direkte körperliche Kontakt.

Eine Affenpocken-Infektion verursacht neben den Hautausschlägen allgemeine Charakteristika von Infektionen wie Fieber, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit. Darüber hinaus kommt es zum Anschwellen von Lymphknoten.

Medikamente und Impfung

Gibt es Medikamente oder Impfungen die vor einer Erkrankung schützen?

Bergthaler: Es gibt zum einen ein Medikament – es heißt Tecovirimat –, das für die Behandlung von Affenpocken zugelassen ist. Zum anderen gibt es einen Impfstoff, nämlich den ursprünglichen Pockenimpfstoff, mit dem die erste Infektionserkrankung überhaupt vom Planeten Erde zum Verschwinden gebracht wurde. Das war damals das Virola-Pockenvirus, das durch abgeschwächte Kuhpockenviren verimpft wurde – ein ähnliches Prinzip wie Edward Jenner das im 18. Jahrhundert schon durchgeführt hatte. Diese Impfstoffe von damals sind nicht mehr in dieser Menge verfügbar. Aber es existiert ein weiterer ähnlicher Impfstoff, der in der EU für Affenpocken zugelassen ist. Er beruht auch auf abgeschwächten Kuhpockenviren und würde sich jetzt grundsätzlich anbieten. Das wird aktuell auch in England überlegt. Spannend ist, dass diese Impfung auch wirkt, wenn man sie wenige Tage nach einer Ansteckung geimpft bekommt.

Expert/innen gehen davon aus, dass die Krankheit in Europa aufgrund besserer Hygienestandards weniger schwere Verläufe verursacht."

Wie gefährlich sind die Affenpocken?

Bergthaler: Aus afrikanischen Ländern ist beschrieben, dass 1 bis 10 Prozent der Infektionen zu schweren Verläufen führen, wobei Kinder stärker betroffen sind. Das klingt relativ viel, aber Expert/innen gehen davon aus, dass die Krankheit in Europa aufgrund besserer Hygienestandards weniger schwere Verläufe verursacht.

Neue Pandemie? Unwahrscheinlich.

Sehen Sie die Gefahr, dass das jetzt ein endemischer oder gar pandemischer Ausbruch wird?

Bergthaler: Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich das für sehr unwahrscheinlich. Meine Einschätzung ist eher, dass wir in den vergangen zwei Jahren sehr stark auf das Thema Infektionskrankheiten sensibilisiert worden sind. Das ist auch ein Vorteil, denn durch neue Methoden wie Sequenzierung kann man diese Viren viel schneller abklären. Vor diesem Hintergrund gibt es wenige Anhaltspunkte für einen endemischen Ausbruch und schon gar nicht für einen pandemischen Ausbruch.

 

AUF EINEN BLICK

Andreas Bergthaler ist Professor für Molekulare Immunologie und Leiter des Instituts für Hygiene und Angewandte Immunologie an der MedUni Wien sowie Adjunct Principal Investigator am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.