Pretty in pink? New restoration treatments to mitigate salt crystallisations and pink discolouration in historic buildings and monitoring of their effectiveness through "omic" analysis

  • Piñar, Dr. Guadalupe (University of Natural Resources and Life Sciences Vienna)
  • Graf, Dr. Alexandra (FH Campus Vienna)
  • Sipek, Mag. Beate (Academy of Fine Arts Vienna)

Der Klimawandel ist eine der ernsthaftesten Bedrohungen unserer modernen Welt und wird Schadensprozesse in Gang setzen, die sich auch auf unser kulturelles Erbe auswirken. Einer dieser Prozesse, die Zunahme von Salzkristallisationszyklen an historischen Putzoberflächen und deren Auswirkung auf die mikrobielle Besiedelung, wird in diesem Projekt untersucht.

Die salzbedingte Zerstörung von mineralischen Baustoffen resultiert aus dem zyklischen Übergang bauschädlicher Salze von der gelösten in die kristalline Form und dem dadurch erhöhten Druck im Porengefüge. Darüber hinaus bietet die erhöhte Salzkonzentration eine ökologische Nische für halophile (salzliebende) Mikroorganismen. Viele dieser Mikroorganismen enthalten Carotinoide die eine rosafärbige Verfärbung, und damit zusätzlichen ästhetischen Schaden, verursachen.

Ziel des Projektes ist es den Einfluss von Salzkristallisationszyklen, in Verbindung mit mikrobiellen Sukzessionen und deren biologische Aktivität, auf die biogene Verwitterung von Putz und Baustoffen zu untersuchen. Die erworbenen Erkenntnisse fließen in die Entwicklung von Lösungen ein, welche der klimaabhängigen Beschädigung von historischen Objekten entgegenwirken.

Zwei historische Gebäude mit salzbedingten Schädigungen der Verputze dienen als empirische Modelle. An diesen Objekten, werden mikrobielle Gemeinschaften untersucht, die sich über Jahrhunderte hinweg an den Salzstress angepasst haben. Restauratoren werden die mikroklimatischen Parameter überwachen und eine neu konzipierte Behandlung zur Reduktion der Salzkonzentration, basierend auf mineralische Kompressensysteme, durchführen.

Zusätzlich werden halophile Bakterien in vitro in verschiedenen Salinitäten angereichert, um die Veränderungen der mikrobiellen Gemeinschaft, als Reaktion auf die künstliche erhöhten Salzkonzentrationen, zu untersuchen. Um die gesamte Bandbreite der mikrobiellen Diversität und deren Funktion zu erfassen, werden Metagenomics (16S rRNA) und -transcriptomics Ansätze in einer Kombination von Next- und Third Generation Sequencing Methoden angewendet. Zusätzlich werden das Genom und die Genaktivität von selektierten bakteriellen Isolaten genauer untersucht.

Die Realisierung dieses Projektes erfordert ein koordiniertes, interdisziplinäres Konsortium von Experten aus den Bereichen Mikrobiologie, Molekularbiologie, Bioinformatik und Konservierung-Restaurierung.

Die Ergebnisse des Projektes dienen als Grundlage für die Erstellung standardisierter Protokolle für mikrobiologische Untersuchungen von Kulturgütern, und schaffen die Basis zur langfristigen Anwendbarkeit von mineralischen Kompressensystemen an salzbelasteten, historischen Kulturdenkmälern. Ein besseres Verständnis der mikrobiellen Sukzessionen unter Salzstress und den metabolischen Prozessen die dabei eine Rolle spielen, helfen dabei dem Schaden an unseren historischen Objekten entgegenzuwirken und tragen wesentlich dazu bei, geeignete Konservierungsmaßnahmen zu entwickeln und anzuwenden.


INventory and DIsseminate Graffiti along the Donaukanal

  • Verhoeven, Dr. Geert (LBG - Ludwig Boltzmann Institute for Archaeological Prospection and Virtual Archaeology, Vienna)
  • Pfeifer, Dr. Norbert (Technical University Vienna)

Graffiti ist eine kurzlebige Form des Kulturerbes im Spannungsfeld zwischen materiell und immateriell, anstößig und ansprechend. Graffiti bringt Menschen zum Lachen, in Aufruhr und zum Nachdenken. All diese widersprüchlichen Merkmale findet man entlang des Wiener Donaukanals, einem Freizeit-Hotspot im Herzen der Stadt, berühmt für seine endlosen Graffiti.

Das zweijährige Projekt INDIGO soll die Grundlage zur systematischen Dokumentation und Analyse von 6,6 km Donaukanal-Graffiti im Laufe des nächsten Jahrzehnts schaffen. Die Einbindung der lokalen Graffiti-Gemeinschaft und regelmäßige Besuche des Kanals stellen eine rasche und farbgetreue Fotodokumentation der meisten neu entstandenen Graffiti sicher. Eine halbjährliche fotografische Gesamtaufnahme soll auch den Großteil der restlichen Graffiti erfassen. Alle Bilder werden zu detaillierten, verzerrungsfreien Orthofotos und Texturen für das 3D-Oberflächenmodell der Kanalufer verarbeitet. Somit wird INDIGO eine räumlich, spektral und zeitlich genaue Aufzeichnung aller möglichen Sprayings, Markierungen und anderer Werke persönlichen Ausdrucks erstellen, die (il)legal an den öffentlichen Oberflächen des Donaukanals angebracht sind.

Die räumliche Datenbank OpenAtlas verwaltet alle diese Daten, einschließlich Hilfsdaten (z.B. Videos) und relevanter Metadaten wie Stil, Künstlerpseudonym und Entstehungsdatum. Durch die maßgebliche Mitwirkung der Graffitikünstler/innen und die Zusammenarbeit mit diversen Wissenschafter/innen gewährleistet INDIGO die Korrektheit und Vollständigkeit der (Meta-)Daten. Die Verwendung der CIDOC CRM-Ontologie und ein neuartiger Thesaurus ermöglichen eine semantische Datenbankstruktur mit hierarchischen, graffitibezogenen Begriffen.

Diese Datenbank stellt eine räumlich-zeitliche Inventarisierung sämtlicher Graffiti entlang der zentralen Wiener Wasserstraße dar, wodurch sich auch der Projekttitel INDIGO: IN-ventory and DI-sseminate G-raffiti along the D-O-naukanal erklärt. Die Dissemination wird durch eine frei zugängliche Online-Plattform gewährleistet, die es erlaubt Graffiti innerhalb der INDIGO-Datenbank zu visualisieren, zu erforschen und abzufragen. Diese webbasierte Schnittstelle ermöglicht virtuelle Spaziergänge entlang des Donaukanals oder die Darstellung der Graffiti im Zeitverlauf; zudem unterstützt sie räumliche-zeitliche-semantische Anfragen wie "wo befinden sich politische Botschaften aus dem Jahr 2021" oder "welche Graffiti waren mehr als drei Monate sichtbar und zeigten Tiere". So können kulturelle, ethische, rechtliche oder politische Diskurse von Graffiti erfolgen. Gleichzeitig regt die Größe der Datenbank zur Entwicklung von Methoden zur Analyse umfangreicher Bildsammlungen an.

Da die Speicherung im ARCHE-Repositorium die erforderliche digitale Langzeitarchivierung und den freien Download aller Daten sicherstellt, kann INDIGO die auf den urbanen Oberflächen markierten Gedanken und künstlerische Ausdrucksformen der Gesellschaft realitätsnah bewahren und verbreiten.


Colours revealed – Polychromy of Roman Monuments in the Danubian Provinces

  • Kremer, Dr. Gabrielle (Austrian Academy of Sciences, Institute for the Study of Ancient Culture – IKAnt, Vienna)
  • Pollhammer, Dr. Eduard (State Collections of Lower Austria)
  • Plattner, Dr. Georg (Kunsthistorisches Museum – KHM, Vienna)
  • Linke, Dr. Robert (Federal Monuments Authority Austria)

Der Farbe auf der Spur – Polychromie der Steindenkmäler in den römischen Donauprovinzen

Dank bahnbrechender interdisziplinärer Forschungsprojekte steht die Polychromie der antiken Steindenkmäler seit etwa zwei Jahrzehnten im Mittelpunkt des Interesses von Expert*innen und interessiertem Publikum. Marmorskulpturen und Architektur des Mittelmeerraums wurden anhand beeindruckender Rekonstruktionen ihrer Farbfassung präsentiert und haben unsere Wahrnehmung der klassischen Antike entscheidend verändert.

Das Projekt PolychroMon zielt darauf ab, die neueren Forschungsergebnisse zur antiken Polychromie sowie neue Techniken der Dokumentation und Analyse auch für die römerzeitlichen Steindenkmäler der Donauprovinzen nutzbar zu machen. Im Rahmen einer Kooperation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des Archäologischen Museums Carnuntinum (AMC), des Kunsthistorischen Museums Wien (KHM) und des Bundesdenkmalamtes (BDA) sollen diese Techniken anhand interdisziplinärer Fragestellungen weiterentwickelt und neue Möglichkeiten der Auswertung und Anwendung geschaffen werden.

Ziel ist eine systematische Auswertung der Ergebnisse aus einer multidisziplinären Perspektive. Untersucht werden in erster Linie Votiv-, Grab- und Architekturdenkmäler aus Carnuntum, dem Wiener Becken und dem Leithagebiet. Naturwissenschaftliche Analysen und archäologische Studien werden hauptsächlich in den antragstellenden Institutionen durchgeführt (AMC, KHM) sowie in verschiedenen anderen österreichischen Sammlungen. Darüber hinaus sollen ausgewählte Beispiele mit Polychromieresten aus anderen Regionen des Römischen Reichs zum Vergleich herangezogen werden.

Archäologische und chemisch-physikalische Daten sowie naturwissenschaftliche und kulturhistorische Fragestellungen werden miteinander verknüpft mit dem Ziel, neue Forschungs- und Anwendungsbereiche für die Restaurierung, Konservierung, Museologie und Kulturvermittlung zu schaffen. Ein wesentlicher Aspekt ist die Anwendung innovativer Methoden der zerstörungsfreien Analyse antiker Artefakte. Neue Techniken der Multispektralanalyse ermöglichen die systematische Dokumentation und digitale Rekonstruktion von Farbspuren und deren übergreifende wissenschaftliche Auswertung. Im Gegensatz zu traditionellen Verfahren, die einer Probenentnahme bedürfen, erlauben sie eine kontaktlose Materialidentifikation und Dokumentation des gesamten untersuchten Objekts.

Von der Weiterentwicklung dieser Techniken wird ein signifikanter Fortschritt erwartet, der die dreidimensionale Darstellung auch geringster, mit bloßem Auge nicht erkennbarer Farbspuren ermöglicht. Erreicht wird dies durch eine Kombination unterschiedlicher Methoden der Multispektralanalyse und virtuellen Modellierung, in Vernetzung mit der Bestimmung des mikroskopischen Aufbaus, der chemischen Zusammensetzung und atomaren Struktur der antiken Werkstoffe.

Neuerungen sind somit im Bereich der Analyse-, Dokumentations- und Visualisierungsmethoden, in der praktischen Anwendung (Konservierung und Restaurierung), in den Möglichkeiten der kulturhistorischen Auswertung sowie in der Wissens- und Kulturvermittlung und der Museologie zu erwarten.


Modelling the impact of future climate change on museum pests - insects and fungi

  • Querner, Dr. Pascal (Natural History Museum – NHM, Vienna)
  • Sterflinger, Prof. Katja (Academy of Fine Arts, Vienna) et al.
  • [Brimblecombe, Prof. Peter (City University Hong Kong, School of Energy and Environment, Hong Kong)] – not attending
  • [Leisner, Dr. Johanna (Fraunhofer Institute, Brussels)]
  • [Landsberger, Mag. Bill (Rathgen Research Laboratory, Berlin)]

Dieses Projekt untersucht den Einfluss des Klimawandels (höher Durchschnitts-temperaturen, Temperaturmaxima, extreme Wetterereignisse) auf schädliche Insekten und Pilze auf Kulturgüter in Österreich. Dazu werden in 20 Museen, Depots, Bibliotheken, historischen Gebäuden Monitoringdaten über Insekten, Pilze und das Innenklima gesammelt. Auf deren Basis wird dann die statistische Beziehung zwischen dem Außenklima, dem Innenklima und der Schädlingsabundanz und –aktivität ermittelt. Zusätzlich werden im Labor unter standardisierten Bedingungen sechs Schädlingsarten und Pilze gezüchtet, um Daten zu ihrer Entwicklungsdauer, Vermehrung und Schadpotential bei fünf verschiedenen Temperaturen zu gewinnen. Gemeinsam mit aktuellen Klimaszenarien werden die gefundenen Zusammenhänge dazu verwendet, Projektionen von typischen Museumsschädlingen im Hinblick auf den Klimawandel zu erstellen. Obwohl die sozio-ökonomische Bedeutung des Klimawandels weiterhin akzeptiert wird, fanden seine potenziellen Wirkungen auf Kulturgüter bislang keinen Eingang in die Berichte des IPCC. Ein Grund dafür ist, dass nur wenige Studien über die zu erwartenden Wirkungen von Klimaveränderungen auf Kulturgüter vorliegen und, dass Modellierungs- und Simulationsinstrumente mit Schädlingen in Museen unterentwickelt sind. Eine Klimaerwärmung dürfte aber die Entwicklung diverser Insekten oder Pilze in Gebäuden fördern und dadurch können Sammlungen verstärkt befallen und geschädigt werden. Es gibt für das europäische Festland kaum Studien auf der Basis von Felddaten zu Schädlingen und korrespondierenden Klimadaten. Das vorgeschlagene interdisziplinäre Projekt umfasst daher Feldstudien in Museen und Laborexperimente, welche die Wirkung von Klimabedingungen auf die Schädlinge ergänzen. Das internationale Team setzt sich aus führenden Experten in den Gebieten der Integrierten Schädlingsprävention in Museen, Mikrobiologie, Klimamodellierung und Gebäudesimmulation zusammen.


Life and Death at the Danube-Limes. The Cemeteries of Lauriacum/Enns

  • Lang, Dr. Felix (University of Salzburg)
  • Huber, Mag. Lisa (University of Salzburg)
  • Marschler, Mag. Maria (Natural History Museum – NHM, Vienna)
  • Stadlmayr, Mag. Andrea (Natural History Museum – NHM, Vienna)
  • Traxler, Dr. Stefan (OÖ Landes-Kultur GmbH – OÖLM, Upper Austria)

Lauriacum/Enns ist vom späten 2. Jh. bis in die Spätantike Standort der legio II Italica und der bedeutendste Militärstützpunkt der Provinz Noricum. Mehrere größere und kleinere Bestattungsplätze mit insgesamt ca. 1500 dokumentierten Individuen stellen herausragende Quellen zum Leben und Sterben am Donaulimes vom 1. bis ins 5. Jh. dar. Im Zuge des Projektes werden die Bestattungsplätze Kristein-Ost und am Lagergraben anthropologisch-archäologisch untersucht und gemeinsam mit den bereits bearbeiteten Gräberfeldern Steinpaß, Ziegelfeld und Espelmayrfeld ausgewertet.

Der permanente Austausch zwischen Archäologie und Anthropologie sowie die Kooperationen mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich der Parasitologie, DNA-Untersuchungen, verschiedenen Isotopen-Analysen sowie der Archäozoologie und Archäobotanik widmen, garantieren Daten und Informationen in einer bislang für Österreich nicht gegebenen Breite und Qualität. Studien von ausgedehnten Gräberfeldern sind für kulturhistorische Fragestellungen von immanenter Bedeutung. Die fächerübergreifende Aufarbeitung ermöglicht ein in chronologischer und demographischer Hinsicht differenziertes Bild von Bestattungs- und Beigabensitten. Durch anthropologische und weitere archäometrische Analysen können Rückschlüsse auf Ernährung, krankhafte, traumatische und degenerative Veränderungen und damit in weiterer Folge auf Umweltbedingungen und die Lebensumstände der Verstorbenen sowie auf die Bevölkerungsstruktur gezogen werden. Der interdisziplinäre Ansatz erlaubt es außerdem, im Laufe des Projektes neue Fragestellungen und Forschungsansätze zu entwickeln.

Durch den engen wissenschaftlichen Austausch mit dem Forscherteam, das sich zeitgleich mit dem Großen Gräberfeld von Castra Regina/Regensburg (2.-7. Jh.) beschäftigt, wird ein Meilenstein in der Erforschung zum Leben und Sterben am zukünftigen UNESCO Welterbes Donaulimes gesetzt.

Besonderes Augenmerk wird auf einen permanenten Wissenstransfer gelegt. Neben mehreren Workshops mit anderen Forschergruppen sind eine Tagung sowie öffentliche Vorträge geplant. Die Öffentlichkeit soll zudem mindestens einmal pro Monat über einen Blog und SocialMedia über die verschiedenen Disziplinen und Methoden sowie neueste Erkenntnisse und besondere Highlights informiert werden. Durch die OÖ Landes-Kultur GmbH und die enge Zusammenarbeit mit dem Museum Lauriacum ist eine fortlaufende Information der Öffentlichkeit möglich. Die gesammelten Ergebnisse werden in einer Ausstellung in Enns präsentiert.


The impact of early photography and electrotyping media on the creation of images and contemporary art

  • Ljubić Tobisch, Dr. Valentina (Technical University of Vienna)
  • Artaker, Mag. Anna (Academy of Fine Arts Vienna)
  • Kautek, Prof. Wolfgang (University of Vienna)

PHELETYPIA erforscht originale Daguerreotypien aus der Frühzeit der Fotografie, die nach den speziellen Wiener Methoden aus den frühen 1840er Jahren hergestellt wurden, und fragt, was uns diese Forschung für das Zeitalter des digitalen Bildes lehrt. Das Projekt verbindet in einzigartiger Weise Fotogeschichte, Fotochemie, Elektrochemie, Konservierung und künstlerische Forschung. Wir wissen sehr wenig über die technischen und optischen Eigenschaften der frühen Wiener Daguerreotypien und noch weniger über ihre Übertragung in elektrolytisch abgeschiedene Druckplatten für die fotomechanischen Reproduktion. Detaillierte Untersuchungen und Vergleiche der erhaltenen Daguerreotypien und photomechanischen Drucke aus österreichischen und ausländischen Sammlungen ermöglichen eine detaillierte Untersuchung dieser bahnbrechenden Verfahren.

Ausgangspunkt für PHELETYPIA ist ein sensationeller Fund in der Sammlung des Technischen Museums Wien: eine geätzte Daguerreotypie mit einer Ansicht des Kaiser-Joseph-Denkmals am Wiener Josefsplatz. Die wissenschaftlichen Untersuchungen haben gezeigt, dass die Oberflächeneigenschaften und Nanostrukturen sich von dem unterscheiden, was bisher bei Daguerreotypien beobachtet wurde. Für ein tieferes methodisches Verständnis sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen notwendig. Ein wesentlicher Aspekt der photomechanischen Reproduktion ist die Kombination von Fotografie und Galvanotechnik. Der für PHELETYPIA geschaffene Begriff "Experimentelle Elektrochemie" bezieht sich auf die Simulation der Wiener Daguerreotypieverfahren, deren Ätzung und Übertragung in galvanische Druckplatten. Die experimentellen Arbeiten werden an der Technischen Universität Wien durchgeführt.

Die Oberflächeneigenschaften einer Daguerreotypie, wie auch einer Druckplatte oder eines graphischen Drucks auf Papier, sind die wichtigsten Informationsquellen. Die Oberflächenmorphologie und -chemie mit ihren Spurenelementen gibt Aufschluss über Herstellungsmethoden und die Wiedergabetreue der Bildübertragung auf ein anderes Medium. Diese Informationen sind entscheidend für die Konservierung dieser empfindlichen Objekte. Ein wichtiger Schwerpunkt dieses Projektes ist daher die Bestimmung von Alterungsprozessen und Überlegungen zu deren Bewahrung.

Die Erkenntnisse über die frühen Verfahren zur Reproduktion fotografischer Bilder werden mit Fragestellungen konfrontiert, die sich im Zeitalter des Digitalen stellen. Das Original und Kopie sind mittlerweile so ununterscheidbar geworden, dass es nicht mehr sinnvoll erscheint, diese Kategorien anzuwenden. Zeitgenössische künstlerische Forschung wird diese Fragestellung im Rahmen des Projektes näher behandeln. Dabei werden Experimente durchgeführt, um eine Reihe von neuen Kunstwerken zu schaffen. Am Ende des Projektes werden sie in einer Ausstellung, die als Hybrid aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und zeitgenössischer Kunst konzipiert ist, präsentiert. Die Ausstellung wird von einem abschließenden Symposium begleitet.


Digitization, Recognition and Automated Clustering of Watermarks in the Music Manuscripts of Franz Schubert

  • Loose-Einfalt, Dr. Katharina (Austrian Academy of Sciences, Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage – ACDH-CH, Vienna)
  • Koliander, Dr. Günther (Austrian Academy of Sciences, Acoustics Research Institute – ARI, Vienna)
  • Lindmayr-Brandl, Prof. Andrea (University of Salzburg)

Die Erschließung der Musikhandschriften Franz Schuberts ist das vorrangige Forschungsinteresse der Schubert-Arbeitsstelle an der ÖAW. Schon seit den Anfängen der Neuen Schubert-Ausgabe in den 1960er Jahren wird zur Datierung der Schubert’schen Manuskripte nicht allein das handschriftliche Notat untersucht, sondern auch die Beschaffenheit des beschriebenen Papiers, das ergänzende Informationen zur Quellengeschichte bereithält. Die beim Herstellungsprozess ins Papier eingeprägten Wasserzeichen lassen Rückschlüsse auf den Produktions- und Benutzungszeitraum zu, Relationen zwischen den Wasserzeichen einzelner Manuskripte ermöglichen Einsicht in Schuberts Kompositionsprozess. Dank kontinuierlicher Quellendokumentation kann die Neue Schubert-Ausgabe heute auf einen Fundus von mehr als 1300 Wasserzeichenpausen zurückgreifen. So wertvoll diese teils unter erschwerten Bedingungen in Bibliotheken und Archiven manuell angefertigten Pausen auch sind, so lassen sie doch keine vergleichende Gesamtschau zu. Eine zeitgemäße digitale Visualisierung und Erschließung der Wasserzeichen ist schon lange ein Desiderat, da mit neuen Bildgebungsverfahren sehr viel objektivere Ergebnisse als bisher erzielt werden können. In diesem Projekt sollen Wasserzeichen von Notenpapieren mittels Thermographie abgenommen und miteinander verglichen werden. Während etwa in der Staatsbibliothek Berlin oder der BSB München bereits mit diesem Verfahren gearbeitet wird, existiert in Österreich ein entsprechendes Gerät für diese Technik bislang noch nicht. Aufgrund der großen Anzahl an Wasserzeichen und um maximale Objektivität zu wahren, soll ein automatisierter Abgleich mittels Signalverarbeitungsmethoden durchgeführt werden. Grundlegende Ideen kommen dabei aus dem Bereich der Fingerabdruckerkennung, wo in ähnlicher Weise versucht wird, aus einer Vielzahl an Datensets zu bestimmen, welche dieser Datensets demselben Fingerabdruck entspricht. In einem weiteren Schritt wird ein Machine Learning Algorithmus trainiert, um einen Transfer von handschriftlich erstellten Pausen zu thermographischen Aufnahmen vorzunehmen. Auf diese Weise können einerseits die bisherigen Ergebnisse der Schubert-Forschung verifiziert werden. Andererseits kann die Schere zwischen analog und digital erhobenen Ausgangsdaten überbrückt werden. Für die einfache Adaption der angewendeten Methoden wird schließlich eine Benutzeroberfläche geschaffen (GUI), die die Suche nach ähnlichen und identischen Wasserzeichen erleichtert, sodass zukünftige Forschungsvorhaben auf die hier erprobten Verfahrensweisen zurückgreifen können. Um Open Access und Langzeitarchivierung sicherzustellen, sollen die erhobenen Daten einerseits in die Wasserzeichendatenbank WZIS, andererseits in die Datenbank schubert-digital.at im XML-basierten MEI-Format eingepflegt werden. Konzept und Fortschritt der Arbeiten werden zudem auf einer Projektwebseite dokumentiert und so langfristig online zugänglich sein.


Sonic Memories. Audio Letters in Times of Migration and Mobility

  • Hallama, Mag. Eva (Vienna Technical Museum, Austrian Media Library)
  • Abromeit, Mag. Katrin (Austrian Academy of Sciences – Phonogrammarchiv)

“Der Ton macht die Musik, auch bei einem Briefe” konstatiert bereits ein Artikel der Phonographischen Zeitschrift über Audiobriefe im Jahr 1901. Schon seit der Wende zum 20. Jahrhundert war es möglich, sich über weite Entfernungen gesprochene Briefe zu schicken, wenn auch das Grammophon, das technische Gerät für die Stimmaufnahme, nur für wenige leistbar war, und die Wachswalze für die preiswerte Versendung per Post zu wenig flach. Neue Erfindungen für die Aufnahme der Stimme brachten im Laufe des 20. Jahrhunderts neue Formate hervor, die wie der Tondraht oder Selbstschnittfolien leichter versendbar waren oder wie das Magnettonband und die Kompaktkassette bedienungsfreundlicher, und deren Aufnahme- und Abspielgeräte erschwinglicher waren. Während die frühen Audiobriefe häufig von Hobbyphonogrammist*innen oder Reisenden aus bürgerlichen Schichten verschickt wurden, nutzten die Kassettenformate auch Menschen in prekären und Migrationskontexten. Das Projekt Sonic Memories sammelt und beforscht Audiobriefe, die sich in öffentlichen Archiven verbergen oder sich in Privatbesitz befinden, und die seit Beginn der Tonaufzeichnung bis zur Etablierung digitaler Formate aus, nach und innerhalb von Österreich per Post versendet worden sind. Die historischen und teilweise von Materialabbau bedrohten Tonaufnahmen auf Wachswalzen, Tondraht, Direktschnitt-Schallplatten, Magnettonband und diversen Kassettenformaten werden im Phonogrammarchiv und der Österreichischen Mediathek restauriert, wissenschaftlich untersucht, digitalisiert und langzeitgesichert. Die neu aufgebaute und zugänglich gemachte Sammlung wird unter Einbeziehung des Wissens der Übergeber*innen aufgebaut, mit denen auch Interviews über die Bedeutung der Audiobriefe als Erinnerungsobjekte geführt werden.

Die wissenschaftliche Beforschung dieser weitgehend unbeachteten historischen Tondokumente füllt eine Lücke in der (medien)historischen Beschäftigung mit diesen Quellen und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Geschichte der Kulturtechnik des Briefe-Sprechens und -Hörens im Kontext von Migration und Mobilität.

Das Forschungsprojekt bedient sich einer interdisziplinären Perspektive, die das Methodenrepertoire aus der Konservierungs- und Restaurierungsforschung, den Kulturwissenschaften und der Mediengeschichte miteinander vereint. Damit soll es möglich werden, das Material und seine kulturelle Bedeutung in ihrer (historischen) Verwobenheit analysieren zu können. Material- und Kulturanalyse unterstützen sich gegenseitig und beziehen auch die akustische Besonderheit der Aufnahmen in die Analyse mit ein, insbesondere in Bezug auf den affektiven Moment der Stimme. Durch die Materialanalysen werden der Konservierungsforschung umfassende Daten geliefert und die Basis für Restaurierungsmaßnahmen gelegt.

Am Ende des Projekts wird die Sammlung, die dazugehörigen Metadaten und alle im Projekt entstandenen Forschungsergebnisse als Open Access Data für weitere Forschung zur Verfügung stehen und zukünftige interdisziplinäre Forschungsarbeiten in diesem Bereich anregen und ermöglichen.


Garnet from the Ziller Valley - Cultural heritage of an East Alpine semi-precious stone industry as reflected in interdisciplinary research

  • Goldenberg, Dr. Gert (University of Innsbruck)
  • Tropper, Dr. Peter (University of Innsbruck)
  • Barth-Scalmani, Dr. Gunda (University of Innsbruck)
  • Zeindl, Dr. Gertraud (Tyrolean State Archive, Innsbruck)
  • Weiskopf, Mag. Katharina (High Alps Nature Park Zillertaler Alps)

In den Hochlagen des hinteren Zillertals in Tirol wurde vom späten 18. bis frühen 20. Jahrhundert Granat als Halbedelstein abgebaut und zu Rohsteinen für den Edelsteinmarkt verarbeitet. Zwei Familien waren an der Gewinnung des Minerals aus granatführenden Glimmerschiefern und dem weitreichenden Handel mit Granat beteiligt. Zillertaler Granat wurde gemeinsam mit Granat aus dem Ahrntal in Südtirol und aus Radenthein in Kärnten vor allem an Edelsteinschleifereien in Böhmen geliefert, wo die Weiterverarbeitung zu geschliffenen und polierten Edelsteinen und Granatschmuck erfolgte.

Zahlreiche Reste der ehemaligen Infrastruktur haben sich in den Hochlagen des Zillertals in der Nähe der Granatvorkommen erhalten und bilden ein einzigartiges kulturelles Erbe im Herzen des "Hochgebirgs-Naturparks Zillertaler Alpen". Zu diesem Erbe gehören Ruinen von Poch- und Klaubehütten sowie Granatmühlen die durch ein Netz von Alpinsteigen miteinander verbunden waren. Private Sammlungen beinhalten eine große Anzahl von Objekten wie Granatstufen, Werkzeuge und Restbestände aus der letzten Abbauperiode und befinden sich im Besitz eines bekannten Mineraliensammlers sowie der Nachkommen der Granathändler. Diese Sammlungen umfassen auch große Mengen an handschriftlichen Dokumenten und stehen in ihrer Gesamtheit für interdisziplinäre Studien zur Verfügung. Ziel dieser Studien ist es, die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte dieser vergessenen Kleinindustrie des späten 18. bis frühen 20. Jahrhunderts und die weitreichenden Handelsnetzwerke im Gebiet der ehemaligen Habsburgermonarchie zu rekonstruieren.

Im Rahmen des Projektes wird das kulturelle Erbe dieser einzigartigen Halbedelstein-Industrie im Ostalpenraum aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und für eine museale Präsentation aufbereitet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der archäologischen Untersuchung der materiellen Hinterlassenschaften, dem Studium und der Archivierung der schriftlichen Quellen sowie der mineralogisch/geochemischen Charakterisierung des Granats als Halbedelstein. Drei Dissertationsstellen in den Bereichen Archäologie, Geschichte und Mineralogie/Petrologie sind geplant, die von fünf Projektleitern gemeinsam betreut werden.

Das Zillertal mit dem Hochgebirgs-Naturpark als Bewahrer des lokalen kulturellen Erbes bietet im Rahmen von Ausstellungen (indoor) und Themenwegen (outdoor) in Kombination mit Führungen und Bildungsangeboten ein attraktives Verwertungspotential in Hinblick auf die Interessen sowohl der lokalen Bevölkerung als auch der Touristen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass der Klimawandel mit unregelmäßigen Schneefällen und dramatischem Gletscherrückgang vor allem den Tiroler Wintertourismus vor große Herausforderungen stellt. Um die lokale Wirtschaft zu stärken ist es daher von großer Bedeutung, nachhaltige und das ganze Jahr über attraktive Angebote für Besucher aus aller Welt zu schaffen. Das Kulturerbe-Projekt "Granat aus dem Zillertal" wird dazu einen wertvollen Beitrag leisten.


Kontakt

Österreichische Akademie der Wissenschaften
Forschungsförderung – Nationale und Internationale Programme
Dr. Alexander Nagler
alexander.nagler(at)oeaw.ac.at
T +43 1 51581-1272