15.04.2019

Erdzwillingen und Gasriesen auf der Spur

Astrophysikerin Monika Lendl nimmt am Very Large Telescope in der Atacama-Wüste Exoplaneten unter die Lupe. Die ÖAW-Forscherin untersucht sogenannte „heiße Jupiter“, Gasriesen auf denen Temperaturen um die 1.000 Grad herrschen. 

Gibt es irgendwo da draußen eine zweite Erde und vielleicht sogar Leben? Diese Frage beschäftigt nicht nur Hollywood und Science-Fiction-Autor/innen, sondern auch Wissenschaftler/innen auf der ganzen Welt. So auch die Astrophysikerin Monika Lendl, die als Projektleiterin am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz an der Erforschung und Entdeckung von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems arbeitet.

Einen Erdzwilling unter den bisher bekannten rund 4.000 Exoplaneten zu finden gleicht allerdings der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die meisten Welten scheinen eher ungemütlich. Die sogenannten „heißen Jupiter“, mit denen sich Lendl beschäftigt, sind Gasriesen, die aus Wasserstoff und Helium bestehen und auf denen Temperaturen um die 1.000 Grad herrschen. Ihr astronomischer Vorteil: Da sie nahe um ihren jeweiligen Mutterstern kreisen, sind sie nicht nur heiß sondern für Astronomen auch gut zu beobachten. Dadurch lässt sich auch viel für Suche nach einer Erde 2.0 lernen.

Wie kann man sich die Suche nach Exoplaneten vorstellen?

Monika Lendl: Mittlerweile sind rund 4.000 Exoplaneten bekannt, fast täglich werden es mehr. Um neue Exoplaneten zu finden, scannt man den Himmel mit relativ kleinen Teleskopen und wartet auf sogenannte Transits von Exoplaneten. Bei einem Transit verdeckt der Planet den Blick auf seinen Mutterstern – aus der Perspektive der Erde, versteht sich. Das ankommende Licht dieses Sterns wird abgeschwächt, wodurch wir auf einen Exoplaneten schließen können.
 

Mittlerweile sind rund 4.000 Exoplaneten bekannt, fast täglich werden es mehr.


Was kann man dadurch über Exoplaneten erfahren?

Lendl: Während eines Transits erscheint der Stern kurzzeitig dunkler. Aus dem Grad dieser Verdunkelung können wir auf die Größe des Exoplaneten schließen. Mit bestimmten Teleskopen kann man spektroskopische Messungen vornehmen, vereinfacht gesagt, das Licht in seine Farben auflösen. Wie viel Licht in verschiedenen Farben absorbiert wird, hängt von der Zusammensetzung der beobachteten Planetenatmosphäre ab, auf die wir durch solche Messungen Rückschlüsse erzielen. So können wir feststellen, ob bestimmte Elemente oder Verbindungen – wie zum Beispiel Wasser – auf dem beobachteten Planeten vorkommen.

Astrophysikerin Monika Lendl über ihre Exoplanetenforschung am Very Large Telescope in Chile:

Aktuell untersuchen Sie ganz bestimmte Exoplaneten – welche sind das?

Lendl: Meine Idee war, sogenannte „heiße Jupiter“ zu erforschen. Obwohl diese Planeten nicht viel mit unserer Erde gemeinsam haben, sind sie sehr spannend: es handelt sich um Gasriesen, die hauptsächlich aus leichten Gasen, wie Wasserstoff und Helium, bestehen. In dieser Hinsicht sind sie dem Planeten Jupiter in unserem Sonnensystem ähnlich, im Gegensatz zu ihm befinden sie sich allerdings auf sehr engen Umlaufbahnen um ihren Mutterstern: auf einem solchen typischen heißen Jupiter dauert ein Jahr gerade einmal 2 Tage.

Die Temperaturen auf diesen extremen Planeten sind sehr hoch – so hoch, dass Metalle nicht nur flüssig, sondern sogar gasförmig werden. Ich wollte diese Planeten, von denen derzeit rund 300 bekannt sind, während ihrer Transits beobachten.
 

Auf einem typischen „heißen Jupiter“ dauert ein Jahr gerade einmal 2 Tage.


Dafür haben Sie mehrmals am Very Large Telescope (VLT) in der chilenischen Atacama-Wüste geforscht. Wie kam es dazu?

Lendl: Mit einer Spiegelgröße von 8 Metern ist das VLT eines der größten Teleskope der Welt – dementsprechend begehrt ist es auch. Am Anfang steht ein Beobachtungsantrag, der folgende Fragen beantworten muss: Was will ich erforschen? Brauche ich dafür unbedingt das VLT? Kann ich meine wissenschaftlichen Ziele voraussichtlich erreichen? Sind meine Forschungsinstrumente die richtigen? Dieser Antrag wird dann von der Europäischen Südsternwarte (ESO) geprüft und von einer internationalen Kommission evaluiert.

Wie ging es dann weiter?

Lendl: Glücklicherweise wurden meine Anträge positiv beurteilt. Ich konnte also mehrmals vor Ort forschen, war aber auch zur Vor- und Nachbereitung der Beobachtungen in intensivem Austausch mit den dortigen Forscher/innen. Mein längster durchgehender Aufenthalt waren neun Nächte, einmal bin ich aber auch für ein Forschungsfenster von lediglich sechs Stunden nach Chile geflogen. Die Auswertung erfolgt dann am Institut für Weltraumforschung der ÖAW in Graz, nachdem die Daten digital überspielt wurden.

Welche Erkenntnisse konnten Sie bisher gewinnen?

Lendl: Bei einigen dieser „heißen Jupiter“ wurde bereits Wasser in der Atmosphäre entdeckt, bei manchen haben wir auch noch Natrium und Kalium festgestellt. Was uns bei unseren Ergebnissen allerdings am meisten überrascht hat, war, dass viele Exoplaneten eine sehr dicke Wolkendecke besitzen. Bei Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius bestehen diese Wolken höchstwahrscheinlich nicht aus Wasserdampf wie auf unserer Erde, sondern aus anderen Gasen.  
 

Natürlich ist es der große Traum jedes Exoplaneten-Forschers, eine zweite Erde zu finden. Ob dieser Traum in Erfüllung geht, wird die Zukunft zeigen.


Je heller sein Mutterstern, und je näher und größer ein Planet ist, desto besser können wir ihn untersuchen. Für erdähnliche Planeten ist das deutlich schwieriger, einerseits, weil sie im Vergleich zu heißen Jupitern relativ klein sind, und weil wir auf Grund ihrer langen Umlaufperioden nur selten Transits von ihnen beobachten können. Natürlich ist es der große Traum jedes Exoplaneten-Forschers, eine zweite Erde zu finden, also einen Planeten in ähnlicher Größe und Temperatur, mit ähnlicher Distanz zu seinem Mutterstern und vielleicht sogar mit Sauerstoff oder flüssigem Wasser. Ob dieser Traum in Erfüllung geht, wird die Zukunft zeigen. 

Apropos Zukunft: Was bringt diese für die Erforschung von Exoplaneten?

Lendl: Hoffentlich weitere technische Verbesserungen, etwa größere Teleskope mit noch stabileren Instrumenten und einer höheren spektrographischen Auflösung. Enormes Potenzial haben auch Weltraumteleskope, weil sie einen ungetrübten Blick ermöglichen. Voraussichtlich 2021 werden NASA und ESA gemeinsam das James-Webb-Weltraumteleskop in Betrieb nehmen, den Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops. Davon erwarten wir uns neue, bahnbrechende Ergebnisse. Mitte der 2020er Jahre werden dann zwei weitere ESA-Missionen starten: PLATO hat die Entdeckung erdähnlicher Planeten als Ziel, und ARIEL wird die entdeckten Planeten genauer studieren.