17.06.2022

Turbo für Quantenrechnungen

Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien haben einen Weg gefunden, mit dem sich bestimmte Berechnungen in Quantencomputern erheblich beschleunigen lassen könnten: Wenn undefiniert bleibt, in welcher Reihenfolge einzelne Rechenschritte durchgeführt werden, kann das ihre Effizienz deutlich erhöhen. Das zeigten die Forscher in einer neuen Publikation in der Fachzeitschrift "Physical Review Letters".

Foto eines quantenphysikalischen Versuchaufbaus.
Quantenrechner könnten künftig noch schneller werden. © Klaus Pichler/ÖAW

Superposition ist eine fundamentale Eigenschaft von Quantensystemen. Das berühmteste Beispiel dafür ist Schrödingers Katze, die in einer Superposition der Zustände “lebendig” und “tot” existiert. Die Physik weiß mittlerweile, dass solche Überlagerungszustände in Quantensystemen nicht nur Eigenschaften wie die Polarisation oder die räumliche Position betreffen können, sondern auch die zeitliche Abfolge von Interaktionen. Ob Ereignis A vor oder nach Ereignis B passiert, kann in solchen Fällen nicht bestimmt werden, weil das System in einer Überlagerung beider möglicher Abfolgen existiert.

Turbo für bestimmte Berechnungen

Wird dieses Prinzip auf die Reihenfolge einzelner Rechenschritte angewendet, lassen sich bestimmte Berechnungen mit Quantencomputern schneller durchführen als mit einer klar definierten Sequenz. “Diese Idee gibt es schon eine Weile, sie wurde für sehr einfache Systeme mit nur zwei Rechenschritten auch schon experimentell bestätigt”, sagt Časlav Brukner vom Wiener Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW, der die Publikation mit seinem Kollegen Martin J. Renner von der Universität Wien erarbeitet hat. Praktisch nutzbar war dieser Turbo für Quantencomputer bisher aber nicht. “Bisherige Ansätze gingen davon aus, dass sich komplexere Berechnungen nur mit Quantensystemen verwirklichen lassen, die keine gewöhnlichen Qbits sondern technisch nur schwer manipulierbare, höherdimensionale Informationsträger verwenden. Unsere Arbeit zeigt, dass das nicht stimmt”, sagt Brukner.
 
Die Physiker veranschaulichten in ihrer neuen Publikation, dass die in Quantencomputern üblichen Qbits, die zwei Dimensionen - also zwei mögliche Zustände - haben, ausreichen, um eine Überlagerung verschiedener Reihenfolgen von Rechenschritten auch für komplexere Berechnungen zu nutzen. Damit ist der Weg frei, um das Prinzip mit Experimenten praktisch nutzbar zu machen. “Wir haben ein spezielles Problem gefunden, das sich auf diese Weise nutzen lässt. Damit haben wir bewiesen, dass das grundsätzlich möglich ist," sagt Brukner, der von einer weiteren Übertragbarkeit und Anwendbarkeit dieses Prinzips überzeugt ist. 

Vorteil wächst mit Komplexität

Die Forscher konnten darüber hinaus sogar bestimmen, wie groß der Geschwindigkeitsvorteil ist, wenn die Reihenfolge der Rechenschritte undefiniert bleibt. Je größer die Anzahl der Berechnungen, desto größer wird demnach der Unterschied. “Der Vorteil ist für einfache Systeme relativ klein, wächst aber mit dem Logarithmus der Zahl der Rechenschritte und wird für komplexere Berechnungen dadurch relevant”, sagt Coautor Martin Renner. Nach Ansicht der beiden Quantenphysiker könne nun damit begonnen werden, solche Systeme im Labor zu konstruieren und damit konkrete Berechnungen zu definieren, die sich mit diesem Ansatz beschleunigen lassen.
 

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Auf einen Blick

Publikation
„Computational Advantage from a Quantum Superposition of Qubit Gate Orders“, Martin J. Renner und Časlav Brukner, Physical Review Letters, 2022
DOI: 10.1103/PhysRevLett.128.2305


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