01.02.2023 | Joint Academy Day

Politikberatung: ÖAW veröffentlicht mit Leopoldina „Wiener Thesen“

Joint Academy Day in Wien mit Präsidenten Faßmann und Haug - Funktion der Wissenschaft als Beraterin nach Pandemie auf dem Prüfstand

ÖAW-Präsident Heinz Faßmann am Podium vor seinem Publikum im Festsaal der ÖAW
ÖAW-Präsident Heinz Faßmann präsentierte die "Wiener Thesen" bei der Eröffnung des Joint Academy Day 2023. © Daniel Hinterramskogler/ÖAW

„Die Wissenschaft soll als ehrlicher Makler auftreten“ und „Wissenschaft soll informieren, nicht legitimieren“, lauten zwei der neun „Wiener Thesen zur wissenschaftsbasierten Beratung von Politik und Gesellschaft“, die die Präsidenten der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina Gerald Haug und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Heinz Faßmann beim heutigen Joint Academy Day in Wien zur Diskussion stellen.

Die Aufgabe der Wissenschaft in ihrer Funktion als Beraterin von Politik und Gesellschaft steht dabei im Nachgang der Corona-Pandemie auf dem Prüfstand. Welche Rolle sollen Wissenschaftler:innen einnehmen, wenn sie Politiker:innen beraten? Muss die Politik immer auf Einschätzungen aus der Wissenschaft hören? Wie sollen Wissenschaftler:innen kommunizieren, wenn es untereinander keinen Konsens gibt? Zu Fragen wie diesen wollen die „Wiener Thesen“ einen Anstoß für eine weiterführende Diskussion über das in den Fokus der Öffentlichkeit geratene Verhältnis Wissenschaft-Politik-Öffentlichkeit geben.

Wie Wissenschaft und Politik zusammenarbeiten können

ÖAW-Präsident Faßmann sagt: „Wissenschaft und Politik sollen zusammenarbeiten, dürfen aber nicht die Rollen tauschen. In Krisenzeiten wie während der Corona-Pandemie waren die Grenzen manchmal verschwommen: Wissenschaftler agierten wie Politiker und die Politik versteckte sich hinter der Wissenschaft. Ich freue mich, dass wir heute gemeinsam mit der Leopoldina die „Wiener Thesen“ zur Diskussion stellen, um Impulse für die künftige wissenschaftsbasierte Beratung von Politik und Gesellschaft zu geben.“

Leopoldina-Präsident Haug unterstreicht: „Der Dialog zwischen unseren nationalen Wissenschaftsakademien über die Aufgaben und Formen der wissenschaftsbasierten Politikberatung bietet die Chance, aus den bisherigen Erfahrungen beiderseitig zu lernen. Die „Wiener Thesen“ formulieren einige der wichtigsten Schlussfolgerungen aus diesem Dialog, an denen wir in unserem künftigen Erfahrungsaustausch weiterarbeiten werden.“

Die „Wiener Thesen“ stellen Aufgaben und Anforderungen an eine wissenschaftsbasierte Beratung zur Diskussion und reflektieren wichtige Erfahrungen der Wissenschaftsakademien während der Corona-Krise. Sie erklären die Rolle der Wissenschaft in der Beratung von Politik und Gesellschaft als eine, die in der Regel nicht eine einzige Option empfiehlt, sondern unterschiedliche Wahlmöglichkeiten auf Basis von wissenschaftlicher Evidenz transparent aufzeigt.

Damit wird auch klargestellt: Politischen Vertreter:innen darf durch die wissenschaftsbasierte Beratung die Entscheidungslast nicht abgenommen werden. Diese Kompetenz bleibt ausschließlich bei der Politik.

Ziel von wissenschaftsbasierter Beratung ist es, einen weitreichenden wissenschaftlichen Konsens zu präsentieren. Dieser ist aber kein Selbstzweck. Ein möglicher Dissens sollte gut begründet und transparent aufgezeigt werden.

Wissenschaftsakademien werden in den „Wiener Thesen“ als glaubwürdige Informationsquellen für Politik und Gesellschaft sowie als Foren kritischer Wissenschaftsreflexion beschrieben.

 
 

 

Auf einen Blick

Der gesamte Text der „Wiener Thesen“:

„Wiener Thesen“