29.09.2022 | COVID-19

ERSTES SCIENCE UPDATE: HOFFNUNG AUF NASALE CORONA-IMPFSTOFFE

Die Corona-Expert:innen Peter Palese, Ulrich Elling und Sylvia Knapp tauschten sich in dem neuen Gesprächsformat mit Journalist:innen aus. Beleuchtet wurde die Frage, wie sich SARS-CoV-2 aus virologischer und immunologischer Sicht weiterentwickelt. Klar wurde: Es bleibt ein Wettlauf zwischen Impfstoffentwicklung und neuen Virusmutationen.

Drei Wissenschaftler:innen sitzen in einem Gespräch vor einer Bücherwand
Die Gesprächspartner:innen beim ersten Science Update der ÖAW: Peter Palese, Sylvia Knapp, Ulrich Elling (v.l.n.r.) © Elia Zilberberg

„Mit dem Science Update wollen wir der Lösungskompetenz der Wissenschaft Raum geben und unsere Aktivitäten in der Gesellschaftsberatung weiter verstärken“, sagte Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), zum Auftakt der neuen Gesprächsreihe, bei der sich Journalist:innen mit Expert:innen regelmäßig zu gesellschaftlich relevanten Fragen austauschen können.

Faßmann will damit die Brücke zwischen Wissenschaft und Medien stärken und einen Beitrag leisten im Kampf gegen Wissenschaftsskepsis: „Klare und transparente Kommunikation auf Augenhöhe hilft, eine oftmals komplexe Forschung besser zu verstehen. Wir wollen mit dem Science Update auch das Vertrauen in die Wissenschaft und Forschung wieder erhöhen. Österreich zählt hier bekanntlich zu den Schlusslichtern. Als Akademie wollen wir daran arbeiten, diese Situation zu verbessern.“

Thema des ersten Science Updates der ÖAW war angesichts der in Österreich wieder steigenden Infektionszahlen die Zukunft des Coronavirus. Der Virologe Peter Palese, der Molekularbiologe Ulrich Elling und die Infektionsbiologin Sylvia Knapp beleuchteten die Entwicklung von SARS-CoV-2 aus virologischer und immunologischer Sicht.

NEUER COVID-IMPFSTOFF AM HORIZONT?

Peter Palese, ÖAW-Mitglied im Ausland, beschäftigt sich seit vielen Jahren an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York mit RNA-Viren, einschließlich Influenza, Paramyxo- und Corona-Viren (SARS). Dort arbeitet er an einem universellen Influenza-Impfstoff, der die Übertragung des Virus von einem auf den anderen Menschen besser unterbricht und der trotz genetischer Variationen nicht jedes Jahr neu hergestellt werden muss.

Beim Science Update der ÖAW berichtete Palese, dass er ebenfalls am Mount Sinai derzeit in drei unabhängigen Gruppen einen Covid-19-Impfstoff entwickelt, der Antikörper in den Atemwegen erzeugt – und damit eine spezifische, lokale Immunität hervorruft.Antikörper, die in den Atemwegen die Infektion mit dem Virus verhindern, könnten daher eine Wiederinfektion sowie die Übertragung einschränken.

„Unser Ansatz besteht darin, dass wir ein Vogelvirus, das sich im Menschen nicht vermehren kann, genetisch verändern“, erklärt Palese: „Dieses modifizierte Virus besitzt auf der Oberfläche das Spikeprotein und exprimiert das SARS-CoV-2-Protein in den Zellen des Respirationstrakts, wenn dieser Impfstoff intranasal verabreicht wird. Klinische Studien laufen derzeit in fünf Ländern und wir hoffen, dass unser Ansatz Impfdurchbrüche verhindern oder zumindest eindämmen kann“, so der österreichisch-US-amerikanische Virologe. Für ihn steht fest: „Impfstoffe sind die beste Waffe gegen das Virus.“

WETTLAUF MIT NEUEN VARIANTEN

Über die aktuelle und mögliche Dynamik neuer Mutationen, gab Ulrich Elling vom IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der ÖAW Auskunft. „Wir treten in eine neue Phase der Evolution von SARS-CoV-2 ein“, so der ÖAW-Molekularbiologe. „Da die Omikronlinien und hier besonders BA.2 unserer B-Zellimmunität, die wir aufgebaut haben, als wir der ursprünglichen Version des Spikeproteins ausgesetzt waren, schon weitgehend entkommen, können sich nun auch kleine Veränderungen des Virus evolutionär durchsetzen“, so Elling.

Die weltweit enorm hohen Infektionszahlen in der BA.2-Welle boten dem Virus viele Gelegenheiten zur Mutation und führen nun zu einer großen Zahl an neuen Varianten, sagt Elling und erklärt: „Diese Mutationen legen den Grundstein zu einer weiteren Immunschutzumgehung nach den sich derzeit entwickelnden Inzidenzwellen.“ Die Konsequenz: „Die nun fast vollständige Umgehung der Antikörperantwort und Diversifizierung der Linien stellt die Impfsstoffforschung vor große Herausforderungen.“ Denn: Jede Adaption der Impfstoffe setzt ein langsameres Mutationsgeschehen voraus. „Der Wettlauf zwischen angepassten Impfstoffen und der Entstehung neuer SARS-CoV-2 Varianten ist noch nicht entschieden“, so Elling.

IMMUNANTWORT BEI INFEKTIONEN

Auf die neue Komplexität der Immunantwort auf SARS-CoV-2 machte Sylvia Knapp, ÖAW-Mitglied sowie Medizinerin und Infektionsbiologin an der Medizinischen Universität Wien aufmerksam. Durch die Vielzahl an Infektionen mit unterschiedlichen Varianten, die Immunisierung mit unterschiedlichen Impfstoffen oder die Kombination von Impfung und Infektion ist der Immunstatuts in der Bevölkerung sehr verschiedenen, was in der Bevölkerung die Bewertung des individuellen Schutzes erschwert, so Knapp. Hinzu kommt „Individuelle Immunität lässt sich nur sehr begrenzt messen. Antikörperwerte sind wenig aussagekräftig. Menschen haben auch aufgrund ihrer angeborenen Immunität schlicht unterschiedliche Immunantworten, daher ist die Schwankungsbreite von Mensch zu Mensch groß.“

Knapp ist aber überzeugt: Personen, die mindestens dreimal geimpft und genesen sind haben den besten Schutz vor einem schweren Verlauf bei einer Reinfektion. Und sie teilt die Hoffnung, dass zukünftige nasale Impfstoffe zusätzlich zu den bisherigen mRNA-Impfstoffen eine umfassendere Immunantwort hervorrufen werden.