31.03.2023 | Leistbares Wohnen

IMMOBILIENPREISE: STARKE REGIONALE UNTERSCHIEDE IN ÖSTERREICH

Das Zusammenspiel von steigenden Wohnkosten und stagnierenden Löhne hat eine Debatte über leistbares Wohnen in Österreich ausgelöst. Eine aktuelle Studie der ÖAW hat jetzt geografische Muster des gegenwärtigen Immobilienbooms untersucht – und zeigt signifikante regionale Unterschiede.

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Die Immobilienpreise sind in Österreich in den vergangenen Jahren stark gestiegen. In ganz Österreich? Nein, die Entwicklung der Bodenpreise im Land verläuft je nach Lage sehr unterschiedlich. Während der Immobilienboom an manchen Regionen vorbeigezogen ist, kann man andernorts aufgrund der extremen Preisanstiege von einer Überbewertung, wenn nicht von einer Immobilienblase sprechen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die im Fachjournal Review of Regional Research veröffentlicht wurde.

Kein österreichweiter Immobilienboom

Analysiert man den österreichweiten Immobilienmarkt auf der regionalen Ebene, dann stechen neben Wien auch Landeshauptstädte wie Salzburg oder Innsbruck hervor. Ebenso sind die Preise auch in westösterreichischen Intensivtourismusregionen überproportional gestiegen. Stagnierende Bodenpreise hingegen weisen strukturschwache und periphere Regionen wie Güssing, Jennersdorf oder Gmünd auf. „Die teilweise gegenläufige Preisentwicklung macht deutlich, dass so etwas wie ein nationaler Immobilienboom nicht existiert“, sagt Robert Musil vom Institut für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Für die Untersuchung hat er gemeinsam mit Christian Reiner von der Lauder Business School die durchschnittlichen Bauland-Bodenpreise in 95 politischen Bezirken im Zeitraum von 2000 bis 2018 unter die Lupe genommen. „Die Entwicklung der Immobilienpreise wird von der Nationalbank auf gesamtstaatlicher Ebene analysiert. Mit unserer Studie zeigen wir, dass der Immobilienboom hochgradig regional differenziert ist“, so ÖAW-Forscher Musil.

Leistbares Wohnen?

Aber: Gehen die starken Anstiege der Bodenpreise in manchen Teilen des Landes auch mit einer überdurchschnittlichen Einkommensentwicklung einher? Oder umgekehrt: Gehen niedrigere regionale Lohnniveaus mit niedrigeren Wohnkosten einher? Laut der ökonomischen Theorie müsste es hier zu einem Ausgleich kommen – dass niedrigere Löhne in einer Region durch niedrigere Wohnkosten kompensiert werden. Die Wissenschaftler haben sich dazu die Einkommensdaten aus den Jahren 2003 bis 2017 angesehen. Ihr Fazit: Die Entwicklung der Bodenpreise hat sich in vielen Regionen von der Einkommensdynamik entkoppelt. Und: Die Preise sind überwiegend dort gestiegen, wo es nur zu einer unterdurchschnittlichen Lohnentwicklung gekommen ist.

So zählen die Städte Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck zu jenen Regionen, in denen die Bodenpreise überdurchschnittlich und die Löhne unterdurchschnittlich gewachsen sind. Anders in Salzburg-Umgebung, Urfahr-Umgebung und Tulln: Hier haben sich sowohl die Preise als auch das Einkommen überdurchschnittlich entwickelt. Stagnierende Preise wie Löhne verzeichneten die Forscher in Wels und Mödling, während sich in Klagenfurt-Land und Villach die Bodenpreise und die Gehälter über dem Durchschnitt befinden.

Perspektive des Arbeitsmarktes

„In manchen Regionen sind die Immobilienpreise der Einkommensentwicklung davongelaufen, vor allem in den größeren Städten“, sagt Musil. Dahinter vermuten die Studienautoren ein strukturelles Problem der urbanen Arbeitsmärkte mit einem starken Dienstleistungssektor: dieser ist durch einen hohen Anteil an Beschäftigten mit niedrigen Löhnen gekennzeichnet.

In ihrem Paper plädieren sie deswegen dafür, dass die Debatte um leistbares Wohnen nicht nur aus der Perspektive des Wohnungsmarktes, sondern auch aus jener des regionalen Arbeitsmarktes geführt werden muss.

 

Auf einen Blick

Publikation:
“The regional variation of a housing boom. Disparities of land prices in Austria”, Christian Reiner, Robert Musil, Review of Regional Research, 2023 (Open Access)
DOI: https://doi.org/10.1007/s10037-022-00176-z

Ein Kurzüberblick zur Studie findet sich im aktuellen Bulletin des Instituts für Stadt- und Regionalforschung der ÖAW:
https://www.oeaw.ac.at/isr/publikationen/isr-bulletin/isr-bulletin-2023