27.09.2021 | COVID-19

DER WERT DES CORONA-ANTIKÖRPERTESTS

Wie aussagekräftig sind Antikörpertests, um die Wirksamkeit einer Impfung und den Schutz vor einer Corona-Infektion zu bestimmen? Über den Stand der aktuellen Forschung spricht ÖAW-Virologe Andreas Bergthaler im Interview.

Was können Corona-Antikörpertests nachweisen - und was nicht? © Unsplash.com
Was können Corona-Antikörpertests nachweisen - und was nicht? © Unsplash.com

Wer nach einer durchgemachten Coronavirus-Infektion oder nach der Impfung wissen möchte, ob der Körper auch genügend Antikörper gebildet hat, geht ins Labor und lässt einen Antikörpertest machen. Aber: Eignet sich dieser tatsächlich, um die Stärke des Impfschutzes zu messen? Noch ist unklar, welche Menge an Antikörpern ausreicht, um vor einer Infektion zu schützen. Andreas Bergthaler vom CeMM - Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erklärt, welche Testverfahren es derzeit gibt und worüber sie tatsächlich Auskunft geben.

Herr Bergthaler, was genau sagen derzeitige Antikörpertest aus?

Andreas Bergthaler: Herkömmliche Antikörpertests können uns sagen, ob wir eine Antikörperantwort gegen SARS-CoV-2 aufgebaut haben. Bei entsprechender Fragestellung lässt sich auch feststellen, ob man schon eine natürliche Infektion durchgemacht hat. Dies beruht darauf, dass die derzeitigen Impfstoffe alle nur das virale Spikeprotein als Antigen enthalten. Wenn aber nun Antikörper gegen ein anderes Virusprotein, etwa das Nucleoprotein N, mittels sogenanntem ELISA-Test (Enzym-linked Immunosorbent Assay) nachgewiesen werden, so legt das den Schluss nahe, dass man schon eine natürliche Infektion durchgemacht hat.

Der Faktor ELISA

Lässt sich mit derzeitigen Antikörpertests die Stärke oder Dauer des Impfschutzes nachweisen? 

Bergthaler: Jein. Die meisten Antikörpertests messen die Menge an Antikörper, die an das Spikeprotein des SARS-CoV-2 Virus binden, mittels ELISA-Test. Damit lässt sich die wertvolle Information erheben, ob im Körper schon Antikörper gebildet wurden.
Deutlich schwieriger ist es jedoch festzustellen, ob diese Menge ausreicht, um vor einer Infektion zu schützen. Das hat damit zu tun, dass der ELISA Test nur die Antikörper-Bindung feststellt, jedoch nicht, ob die Antikörper das Virus tatsächlich zu neutralisieren vermögen.

"Unsere Immunantwort sehr vielschichtig aufgebaut und neben Antikörpern gibt es andere Mechanismen, die eine wichtige Rolle für den Schutz vor dem Virus spielen."

Womit hängt die Stärke des Impfschutzes noch zusammen?

Bergthaler: Der Schutz im Körper hängt auch davon ab, ob beispielsweise die Antikörper tatsächlich in den Atmungstrakt gelangen und dort ihre Wirkung entfalten können. Darüber hinaus ist unsere Immunantwort sehr vielschichtig aufgebaut und neben Antikörpern gibt es andere Mechanismen, die eine wichtige Rolle für den Schutz vor dem Virus spielen, etwa CD8 T Killerzellen. ELISA-Tests sind schnell und billig. Für die Neutralisation des Virus sowie die Bestimmung der Immunzellaktivität benötigt es jedoch Messungen in Speziallabors.

Können Messungen in Speziallabors mehr über den Impfschutz aussagen?

Bergthaler: Zurzeit ist es ein zentrales Ziel in der internationalen COVID-19 Forschung, ein sogenanntes Korrelat für Protektion zu definieren. Das heißt: eine Messgröße mit einem Schwellenwert, wo sich sagen lässt, dass man bei einem Wert darüber geschützt ist. Antikörper und wohl auch T-Zellen werden dabei eine wesentliche Rolle spielen, aber wie viel und was zu messen ist, muss erst festgelegt werden. Für alle wissenschaftlich Interessierten: es gibt dazu einen informativen Überblicksartikel vom Impfstoffpionier Stanley Plotkin aus dem Jahr 2010 sowie einen Artikel von Florian Krammer, der diesen Sommer im Fachjournal Nature publiziert wurde.

Auffrischung von Fall zu Fall entscheiden

Benötigt man mit weniger Antikörper früher eine Auffrischungsimpfung?

Bergthaler: Bei Personen mit bekannter Immunschwäche ist das angezeigt, aber grundsätzlich muss man sich das individuell von Fall zu Fall anschauen. Aufgrund der noch fehlenden Definition eines Korrelats für Protektion ist es schwierig, generelle Empfehlungen zu geben und zu definieren, was mit „zu wenig“ Antikörper tatsächlich gemeint ist. Das erklärt auch, warum international die verschiedenen Impfgremien sehr intensiv über den Nutzen und Zeitpunkt für Auffrischungsimpfungen in der breiten Bevölkerung diskutieren.

Über Facebook erreichte uns die Frage, ob man sich noch impfen lassen soll, wenn man nach einer Infektion ein hohes Maß an Antikörper gebildet hat?

Bergthaler: Das Nationale Impfgremium empfiehlt bei einer PCR-bestätigten SARS-CoV-2 Infektion beziehungsweise Genesung, dass man sich ab vier Wochen impfen lässt. Eine einmalige Impfung wird als ausreichend betrachtet, auch wenn die Infektion länger als acht Monate zurückliegt.

Antikörper und OMIKRON

(Update 03-2022)

Die relativ milden Verläufe sind sicherlich auch Folge der mittlerweile recht breiten Grundimmunität.

Welche Rolle spielt die mittlerweile breite Grundimmunität im Fall der Omikron-Variante?

Bergthaler: Omikron hat zu neuen Höchstständen bei den Neuinfektionen geführt, ohne dass sich dies auf den Intensivstationen im selben Ausmass wie bei der Delta-Welle niedergeschlagen hat. Das hat einerseits damit zu tun, dass Omikron intrinsisch schwächere Verläufe verursacht. Andererseits sind die relativ milden Verläufe sicherlich auch Folge der mittlerweile recht breiten Grundimmunität in der Bevölkerung durch Impfung bzw. Infektionen. Diese Grundimmunität schützt nicht zwingend vor einer Infektion. Sie führt jedoch dazu, daß man gegenüber Omikron im Durchschnitt gut vor schweren Verläufen geschützt ist. Dabei spielen sicherlich die genannten Antikörper und T-Zellen eine Rolle. Und: Antikörper werden von B-Zellen produziert, die wiederum sogenannte Gedächtniszellen formen.

Was bedeutet das für zukünftige Varianten?

Bergthaler: Das bedeutet: Auch wenn nach einer länger zurückliegenden Impfung nur mehr niedrige Antikörper-Titer im Blut vorliegen sollten, so schaffen es diese B-Gedächtniszellen in kürzester Zeit, Antikörper nachzuproduzieren und damit zum Schutz vor schwerer Erkrankung durch Omikron – und hoffentlich auch gegenüber zukünftigen Varianten beizutragen.

 

AUF EINEN BLICK

Andreas Bergthaler ist Forschungsgruppenleiter am CeMM - Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Er studierte an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Seine Forschungsarbeit im Bereich von Virologie und Immunologie führte ihn u.a. an die ETH Zürich, die Universität Genf und das Institute for Systems Biology in Seattle. 2015 wurde er mit einem Starting Grant des European Research Council (ERC) ausgezeichnet.