13.07.2022 | Demographie

Arme Menschen haben früher Herzinfarkte

Herz-Kreislauferkrankungen sind in westlichen Ländern die häufigste Todesursache. Auch in Österreich. Forschende der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben jetzt das sozioökonomische Umfeld von Herz-Kreislaufpatient/innen in Wien untersucht.

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Sich ausgewogen ernähren, Stress vermeiden, auf viel Bewegung achten und noch dazu seinen Blutdruck im Blick behalten: Wer derart gesund lebt, kann das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen deutlich senken. Doch nicht jeder Mensch kann in gleichem Maße gut dafür sorgen. Menschen, die über ein geringes Einkommen verfügen, haben zum Beispiel oft Probleme, sich auf Dauer gesund zu ernähren. Sie leben außerdem häufig in Bezirken, in denen die medizinische Infrastruktur nicht so gut ist, etwa weil es weniger Internist/innen gibt.

Inwiefern nicht nur der Lebensstil eines Menschen, sondern auch dessen soziales Umfeld die Gesundheit beeinflusst, das hat sich nun eine aktuelle Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angesehen. Die Forschenden wollten gemeinsam mit Kolleg/innen der Universität Wien, des AKH Wien und des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) herausfinden, ob Herzinfarktpatient/innen aus ärmeren Wiener Gemeindebezirken schneller sterben als solche aus reicheren Bezirken. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Open-Access-Fachzeitschrift BMJ Open veröffentlicht.

Unterschiede zwischen den Wiener Bezirken

Das Design der Untersuchung sah eine Verknüpfung von krankenhausbasierten Beobachtungsdaten von Herzinfarktpatient/innen mit Informationen zum sozio-ökonomischen Umfeld sowie dem Sterberegister vor. Dadurch konnten die Wissenschaftler/innen die Überlebensanalysen im Verlauf von 19 Jahren (2000-2018) untersuchen. Insgesamt wurden die Daten von 1.481 Herzinfarkt-Patient/innen, darunter Frauen und Männer im Alter von 24 bis 94 Jahren, einbezogen. Das Ergebnis: Menschen, die in ärmeren Bezirken leben, haben ein höheres Risiko, früher einen Herzinfarkt zu erleiden. „Zwischen den Wiener Bezirken konnten wir nicht feststellen, dass Menschen unterschiedlich schnell an Herzinfarkt sterben, aber unsere Daten deuten darauf hin, dass Personen aus ärmeren Bezirken früher im Leben einen Herzinfarkt erleiden“, sagt Sonja Spitzer, Bevölkerungsökonomin und Erstautorin der Studie.

So würden Frauen aus wohlhabenderen Bezirken im Durchschnitt mit 70,2 Jahren einen Herzinfarkt erleiden, Frauen aus ärmeren Stadtteilen allerdings bereits 64,6 Jahren. Bei Männern scheint der Unterschied kleiner zu sein, hier steht ein Durchschnittsalter von 60,2 in den reicheren Gebieten jenem von 57,3 Jahren in ärmeren Vierteln gegenüber. Weitere Forschung sind allerdings notwendig, um herauszufinden wie das Alter der Patienten mit der Altersstruktur zusammenhängt, zumal ärmere Bezirke durchschnittlich jünger sind.

Weniger Überlebensvorteil für Frauen

„Dass Menschen aus ärmeren Bezirken früher im Leben einen Herzinfarkt erleiden, ist besorgniserregend und sollte weiter wissenschaftlich wie gesundheitspolitisch berücksichtigt werden. Vor allem sollte man hier verstärkt auf Gesundheitsvorsorge und Gesundheitskompetenz setzen“, fügt Vanessa Di Lego, Demographin und Co-Autorin der Studie, hinzu.

In Österreich sind Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems die häufigste Todesursache. Aktuelle Daten der Statistik Austria zeigen, dass 15,9 Prozent aller männlichen und 13,4 Prozent aller weiblichen Verstorbenen an einer koronaren Herzkrankheit sterben. Koronare Herzerkrankungen sind schwerwiegende Erkrankungen des Herzens, bei denen es zu Durchblutungsstörungen des Herzmuskels kommt. Der Grund sind verengte Herzkranzgefäße.

Was besorgniserregend ist: Eigentlich haben Frauen eine längere Lebenserwartung und somit einen Überlebensvorteil. Dieser scheint aber nicht für akute Koronarsyndrome zu gelten, schreiben die Forscher/innen und weisen auf mögliche Nachteile in der Diagnose und Behandlung für Frauen hin, die verbessert werden sollten.     

 

 PUBLIKATION

"Socio-economic environment and survival in patients after ST-segment elevation myocardial infarction (STEMI): A longitudinal study for the City of Vienna", S. Spitzer, V. Di Lego, M. Kuhn, C. Roth, R. Berger, BMJ Open, 2022.
DOI: https://dx.doi.org/10.1136/bmjopen-2021-058698