15.11.2022 | Weltbevölkerung

Acht Milliarden Menschen

Wir sind 8 Milliarden. Das haben die UN nun offiziell bekannt gegeben. Warum sich die Weltbevölkerung in den vergangenen 100 Jahren vervierfacht hat und seit wann sich ein Ende des Bevölkerungswachstums abzeichnet, erklärt der ÖAW-Bevölkerungswissenschaftler Tomáš Sobotka.

Eine Aufnahme einer Menschenansammlung stellvertretend für das Wachstum der Weltbevölkerung
Die Weltbevölkerung ist auf acht Milliarden Menschen angewachsen. © Adobe Stock

Die Weltbevölkerung wächst – noch. Laut Daten des „World Population Prospects 2022“ der Vereinten Nationen leben ab 15. November 2022 acht Milliarden Menschen auf der Erde. So schnell wie im vergangenen Jahrhundert wuchs die Weltbevölkerung nie zuvor – und seither auch nie wieder. Während es bis zur zweiten Milliarde rund 400 Jahre gedauert hat, ging es im 20. Jahrhundert deutlich schneller. Seit 1927 hat sich die Zahl der Menschen vervierfacht. „Ein derart schnelles Bevölkerungswachstum wie wir es im 20. Jahrhundert erlebt haben, hat es in der Geschichte der Menschheit wahrscheinlich noch nie gegeben – und es wird sich nicht wiederholen“, sagt Tomáš Sobotka vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

SCHNELLES WACHSTUM der Weltbevölkerung

Laut Berechnungen der Vereinten Nationen hat die Weltbevölkerung im November die Acht-Milliarden-Marke erreicht. Woher wissen wir überhaupt, dass wir jetzt acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten sind?

Tomáš Sobotka: Nun, wir wissen es nicht genau. Aber die besten Schätzungen der wissenschaftlichen Daten, die auf Grundlage von Bevölkerungsregistern, Volkszählungen und Erhebungen zur Verfügung stehen, deuten darauf hin, dass wir etwa in diesem Jahr die Acht-Milliarden-Grenze erreichen werden.

Ein derart schnelles Bevölkerungswachstum wie wir es im 20. Jahrhundert erlebt haben, hat es in der Geschichte der Menschheit wahrscheinlich noch nie gegeben.

Vor weniger als 100 Jahren, im Jahr 1927, bevölkerten zwei Milliarden Menschen die Erde. Eine beispiellose Entwicklung?

Sobotka: Diese Vervierfachung innerhalb von weniger als 100 Jahren ist wirklich beispiellos. Zum Vergleich: Es dauerte fast 400 Jahre bis die Weltbevölkerung von 500 Millionen auf zwei Milliarden anwuchs. Ein derart schnelles Bevölkerungswachstum wie wir es im 20. Jahrhundert erlebt haben, hat es in der Geschichte der Menschheit wahrscheinlich noch nie gegeben – und es wird sich nicht wiederholen. Neben dem rasanten Fortschritt in der medizinischen Versorgung, waren auch die rasche Ausbreitung sanitärer Einrichtungen, die verbesserte Ernährung und die Behandlung und Vorbeugung von Infektionskrankheiten dank der Entwicklung neuer Medikamente, etwa Antibiotika und Impfungen, Gründe für den Bevölkerungsanstieg.

Wie wird sich dieses Wachstum fortsetzen?

Sobotka: Demografische Prognosen gehen davon aus, dass die Weltbevölkerung im Laufe dieses Jahrhunderts wahrscheinlich an die Zehn-Milliarden-Marke herankommen wird. In den nächsten 50 bis 60 Jahren werden also zwei weitere Milliarden Menschen hinzukommen. Wissenschaftliche Schätzungen legen nahe, dass sich die Zahl der Menschen irgendwo bei zehn bis zehneinhalb Milliarden einpendeln wird und dann vielleicht sogar gegen Ende des Jahrhunderts zu sinken beginnt.

OSTEUROPA MIT BEVÖLKERUNGSRÜCKGANG

Das Bevölkerungswachstum hat sich also verlangsamt?

Sobotka: Das Wachstum der Weltbevölkerung hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren verlangsamt, auch wegen der Covid-19-Pandemie. Diese Verlangsamung ist auch in den bevölkerungsreichsten Ländern der Welt, Indien und China, zu beobachten. Es ist also unwahrscheinlich, dass der Sprung auf neun Milliarden so schnell erreicht wird wie es bei dem Anstieg auf sechs, sieben oder acht Milliarden der Fall war, also innerhalb von elf bis zwölf Jahren. Die wichtigsten Prognosen schätzen, dass der Neun-Milliarden-Meilenstein zwischen 2036 und 2040 erreicht sein wird.

Das Wachstum der Weltbevölkerung hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren verlangsamt, auch wegen der Covid-19-Pandemie.

Wo auf der Welt ist der Bevölkerungszuwachs am größten?

Sobotka: Die Länder südlich der Sahara sind der Hotspot des derzeitigen und künftigen Bevölkerungswachstums. Auf dem gesamten afrikanischen Kontinent kamen in den vergangenen zehn Jahren jährlich etwa 30 Millionen Menschen hinzu. Daneben gibt es nur wenige Regionen, die noch ein relativ schnelles Bevölkerungswachstum aufweisen, etwa Pakistan, Jemen und Afghanistan. In den meisten Ländern Asiens und auf den anderen Kontinenten ist das Bevölkerungswachstum entweder relativ gering oder es ist sogar ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen.

Und davon ist erstmals auch China betroffen.

Sobotka: In China leben rund 18 Prozent der gesamten Weltbevölkerung. Laut wissenschaftlichen Schätzungen ist die Bevölkerungszahl in China seit heuer aber rückläufig. Die Zahl der Arbeitskräfte in China stagniert bereits seit einigen Jahren. Dass nun die Gesamtbevölkerung Chinas zu schrumpfen beginnt, ist unter anderem auch auf den relativ starken Rückgang der Geburtenzahl während der Covid-Pandemie zurückzuführen.

Länder in Südosteuropa, osteuropäische Länder und die Kaukasusländer sind heute die Brennpunkte des Bevölkerungsrückgangs.

Welche Länder haben den stärksten Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen?

Sobotka: Länder in Südosteuropa, osteuropäische Länder und die Kaukasusländer sind heute die Brennpunkte des Bevölkerungsrückgangs. Der Grund: Niedrige Geburtenraten und starke Abwanderung. Immer mehr junge Menschen ziehen aus den ärmeren Teilen Europas in die reicheren Teile des Kontinents. In Ländern wie Moldawien, Bulgarien, Serbien oder bis vor kurzem auch Georgien führt das unter anderem zu einem Trend der Überalterung der Bevölkerung.

Zusätzliche BELASTUNG im Klimawandel

Was bedeutet die Acht-Milliarden-Marke für den Planeten?

Sobotka: Bevölkerungswachstum macht den Umgang mit begrenzten Ressourcen und der Klimaveränderung schwieriger. Menschen in ärmeren Ländern haben zwar viel weniger der globalen CO2-Emissionen verursacht, sind aber überproportional von den Folgen der Klimakrise betroffen. Meeresspiegelanstieg, Dürren und anhaltende Hitzewellen können einige Regionen in Asien und Afrika unbewohnbar machen. Die Ungleichheiten, mit denen wir als Menschheit konfrontiert sind, werden sich also in Zukunft aufgrund des Klimawandels noch verschärfen.

Klimawandel und Bevölkerungswachstum hängen also zusammen.

Sobotka: Und hinzu kommt: Die rasante wirtschaftliche Entwicklung, die einige dieser ärmeren Länder in den kommenden Jahren durchmachen werden. Das haben wir am Beispiel Chinas gesehen, wo sich die CO2-Emissionen seit dem Jahr 2000 verdreifacht haben. Seit 2005 ist China der weltweit größte Produzent von CO2-Emissionen, die inzwischen 30 Prozent aller weltweit produzierten Emissionen ausmachen. Indien durchläuft jetzt eine ähnliche Entwicklung. Die sehr schwierige Frage für die Menschheit ist also, wie man allen Ländern ermöglichen kann, sich wirtschaftlich zu entwickeln, ohne den Planeten durch den rapiden Anstieg der Emissionen weiter aufzuheizen.

 

AUF EINEN BLICK

Tomáš Sobotka leitet die Forschungsgruppe „Fertilität und Familie“ am Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Der Bevölkerungswissenschaftler und ERC-Preisträger studierte an der Universität Prag und promovierte an der niederländischen Universität Groningen.