19.10.2020 | Österreichisches Deutsch

BEKANNTE, FREMDE UND (FAST) VERGESSENE WÖRTER ONLINE ENTDECKEN

Mit dem „Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich“ entsteht an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in einem Langzeitprojekt das Dialektwörterbuch des bairischen Sprachraums in Österreich und Südtirol. Während das Wörterbuch bisher gedruckt erschien, wird es ab heuer im Web zur Verfügung stehen. Die ersten 350 Artikel sind nun Open Access online zu finden.

Kennen Sie das Wort „feuretzen“? Im niederösterreichischen Weinviertel bedeutet es glänzen und funkeln, während es in der Steiermark synonym für zündeln, also mit dem Feuer spielen, gebraucht wird. Und haben Sie schon mal von „feigeln“ gehört? In Salzburg meint man damit, jemanden verspotten. Es beschreibt aber auch, wenn etwas nicht so läuft, wie man es gerne hätte.
 
Ausdrücke wie diese versammelt das „Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich“ (WBÖ). Der umfangreiche Wortschatz der bairischen Dialekte (Alt-)Österreichs wird dabei in einem Langzeitprojekt am Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) dokumentiert, analysiert und als Basis für das Verfassen von Wörterbuchartikeln herangezogen. Das sukzessive Wachstum des Wörterbuchs kann ab sofort online verfolgt werden, da das WBÖ nun ins Web übersiedelt, wo es über das neue Lexikalische Informationssystem Österreich (LIÖ) offen zugänglich ist.  

Dialektwörter versus Standardsprache

„Teilweise enthält das WBÖ Dialektwörter, die in ähnlichen, aber oft nicht denselben Bedeutungen auch in der Standardsprache vorkommen“, berichtet Philipp Stöckle, Sprachwissenschaftler und redaktioneller Leiter des Wörterbuchs. „Das Verb feiern bedeutet einerseits festlich begehen oder zelebrieren, umfasst aber auch abgeleitete Bedeutungen wie nicht arbeiten oder ausruhen, die wir zum Beispiel noch im Wort Feierabend erkennen können.“
 
Dass die Sammlung rasant wachsen konnte, ist auch der Mithilfe von mehr als 2.700 dialektkundigen Freiwilligen aus über 3.500 Orten zu verdanken. Über fünf Jahrzehnte lang sammelte die Wörterbuchredaktion Wörter aus der jeweiligen Region. Die so gewonnenen Daten, die auf ca. 3,6 Millionen Belegzetteln handschriftlich notiert wurden, bilden die Materialgrundlage für das WBÖ. Von diesen Belegzetteln wurde der größte Teil in eine Datenbank eingegeben, die zusätzlich zu den Wörterbuchartikeln online zugänglich ist. 

Bairisch ungleich bayerisch

Dabei kann das Wörterbuch auf eine lange Tradition zurückblicken: Vor über 100 Jahren wurde es zusammen mit dem „Bayerischen Wörterbuch“ der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München initiiert, um den Wortschatz des gesamten bairischen Sprachraums zu erheben. „Das Adjektiv bairisch bezieht sich in dieser Schreibweise auf eine spezifische Dialektgruppe, während die Schreibweise bayerisch das politische Territorium des Freistaats Bayern bezeichnet“, erklärt Sprachwissenschaftlerin Alexandra N. Lenz, die das Projekt an der ÖAW leitet.
 
Teile der umfangreichen Dokumentation sind zwischen 1963 und 2015 in fünf gedruckten Bänden publiziert worden. Darunter die Wörterbuchartikel zu den Buchstaben A–E, die in den vergangenen Jahren bearbeitet und in Zusammenarbeit mit dem Verlag der ÖAW und unterstützt von FWF und Universität Wien zukünftig sukzessive über die Online-Plattform LIÖ veröffentlicht werden. Ab dem Buchstaben F wird das WBÖ nun als Online-Wörterbuch fortgeführt.
 
Dort findet man neben den ersten 350 Einträgen mit Informationen über Verbreitung, Aussprache, Herkunft und Bedeutungen, auch Details zur geographischen Verortung der Bedeutung – visualisiert durch ein eigens entworfenes Kartentool. So hat man die Verbreitung von Wörtern wie "feuretzen" oder "feigeln" mit einem Klick im Blick.

Das Wörterbuch auf LIÖ