10.04.2020 | Life Sciences bis Migration

WWTF fördert Coronaforschung der ÖAW

Forschung ist der Schlüssel zur Lösung der aktuellen Coronakrise. Um die Anstrengungen der Scientific Community voranzutreiben, unterstützt der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds Forschungen zur Pandemie. Auch sechs neu ins Leben gerufene Projekte mit ÖAW-Beteiligung werden gefördert.

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Es gibt noch viel, was wir über das grassierende Coronavirus nicht wissen. Dass wir aber jeden Tag ein wenig mehr über SARS-CoV-2 wissen, ist der weltweit unter Hochdruck arbeitenden wissenschaftlichen Gemeinschaft zu verdanken. Auch in Österreich sind Wissenschaftler/innen ununterbrochen im Einsatz, um entscheidende Stücke zum großen Puzzle zur Lösung der Corona-Pandemie beizutragen. Die Life Sciences sind dabei aktuell besonders gefordert. Aber auch die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sind jetzt gefragt, um die Auswirkungen des Virus auf Gesellschaft und Kultur zu analysieren.

Um die Forschung zum Coronavirus zusätzlich voranzutreiben, hat der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) kürzlich den COVID-19 Rapid Response Call gestartet. Gefördert werden damit Projekte, die helfen, medizinische Tests, Therapien und Impfungen zu entwickeln, Prognosen über den weiteren Verlauf der Pandemie zu erstellen, oder die deren gesellschaftlichen Folgen nachgehen. Auch insgesamt sechs Projekte, die von Forscher/innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) geleitet werden oder an denen die ÖAW beteiligt ist, werden durch den neuen Call gefördert.

Das Genom des Virus entschlüsseln

Den Ausgang nahm Corona vermutlich im November 2019 in China und hat sich inzwischen nahezu weltweit verbreitet. Um diese Fortentwicklung und den Mutationsverlauf in der menschlichen Bevölkerung zu analysieren, ist es erforderlich, die Genome der zirkulierenden Viren in vielen Teilen der Welt zu sammeln und in Datenbanken zu veröffentlichen. Forscher/innen unter der Leitung des CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW ergänzen nun die bisher fehlenden Virusgenome aus Österreich.

„Unsere Analysen adressieren wichtige Themen wie die Verfolgung von Infektionsketten sowie ein besseres molekulares Verständnis über die Entstehung von Virus-Mutationen und deren möglichen Einfluss auf den Verlauf der Pandemie und der akuten Atemwegserkrankung, die durch Sars-CoV-2 verursacht wird“, erläutert ÖAW-Forscher Andreas Bergthaler das Projekt. Einen ersten Erfolg konnten die Wissenschaftler/innen bereits verbuchen und kürzlich die ersten 21 Virengenome von angestrebten 1.000 Open Access publizieren.

Testkapazitäten in Österreich erhöhen

Um das Virus einzudämmen, ist es notwendig, die Testkapazitäten auszubauen. Denn zahlreiche Virusträger sind symptomlos und können den Krankheitserreger daher völlig unbemerkt weitergeben. Um die landesweiten Testkapazitäten zu erhöhen, haben sich insgesamt 20 Wiener Forschungsinstitute aus dem universitären und außeruniversitären Bereich zur "Vienna COVID-19 Diagnostics Initiative" (VCDI) zusammengeschlossen. Sie stellen Maschinen, wissenschaftlich qualifiziertes Personal und Know-how für zusätzliche Virus-Tests im Labor zur Verfügung. Die ÖAW beteiligt sich mit ihren Life Sciences-Einrichtungen, dem CeMM sowie dem IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie und dem GMI - Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie an der Initiative, die an den Max Perutz Labs angesiedelt ist.

Wirkstoff gegen SARS-CoV-2 entwickeln

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Um die Gesundheitssysteme der Welt vor dem Kollaps zu bewahren, braucht es rasch Medikamente, die vor allem bei schweren Verläufen zum Einsatz kommen können. Forscher/innen des IMBA der ÖAW verfolgen mit einem internationalen Team unter der Leitung von IMBA-Forscher und Gründungsdirektor Josef Penninger einen vielversprechenden Ansatz rund um das Enzym ACE2 (Angiotensin Converting Enzym 2). Ein Therapieansatz wurde nun an an COVID-19 „erkrankten“ Organoiden im Labor erprobt. Es zeigte sich, dass das Virus die Organoide direkt infizieren und sich in diesen Geweben vervielfältigen kann. Wie die ÖAW-Wissenschaftler/innen im Fachjournal Cell berichten, konnte die Gabe des Wirkstoffes hrACE2 die SARS-CoV-2-Infektion in diesen künstlich hergestellten menschlichen Geweben reduzieren. In Zellkulturen wurde die Viruslast durch hrACE2 um den Faktor 1.000-5.000 gemindert.

Gesellschaftliche Folgen in den Blick nehmen

Das Coronavirus hat nicht nur massive Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, es hat auch weitreichende Folgen für die einzelnen Gesellschaften. Einige soziale Gruppen sind dabei besonders betroffen. So zählen Geflüchtete zu den durch SARS-CoV-2 besonders gefährdeten Menschen. Die Hauptstrategie der Viruseindämmung, das „Social distancing“, ist für sie äußerst schwer umzusetzen. Für viele Integrationsbereiche ist „Social networking“ - innerhalb der Herkunftsgruppe aber auch mit österreichischen Kontaktpersonen wie Mentor/innen, Deutschlehrenden oder NGO-Mitarbeiter/innen - essentiell. Zudem leben Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtigte meist im urbanen Raum und dort sehr häufig in stark beengten Wohnverhältnissen. Auch das Vertrauen in staatliche Instanzen ist aufgrund der Fluchterfahrung oftmals gering. Forscher/innen des Instituts für Stadt- und Regionalforschung der ÖAW und des Instituts für Sozialanthropologie der ÖAW untersuchen daher genauer, was die Pandemie für die syrische und afghanische Community sowie NGOs der Flüchtlingsbetreuung in Wien bedeutet.

Alle Projekte mit ÖAW-Beteiligung auf einen Blick

  • Mutationsdynamik von SARS-CoV-2 in Österreich
    Leitung: Andreas Bergthaler, CeMM - Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
    Kooperationspartner: Medizinische Universität Wien; Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES); weitere österreichische Universitäten
     
  • Computermodelle von Spike-ACE2-Wechselwirkungen zur Entwicklung von therapeutischen Proteine
    Leitung: Chris Oostenbrink, Universität für Bodenkultur Wien
    Kooperationspartner: Josef Penninger, University of British Columbia, IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie der ÖAW, Apeiron; Johannes Stadlmann, IMBA der ÖAW, Universität für Bodenkultur Wien
     
  • Molekulares Verständnis der COVID-19-Pathogenese in menschlichen Blutgefäß-Organoiden
    Leitung: Josef Penninger, IMBA der ÖAW
    Kooperationspartner: Ali Mirazimi, Karolinska Institutet und Nuria Montserrat, Institute for Bioengineering of Catalonia (IBEC); Apeiron
     
  • Schnelle Umwandlung von Laborinfrastruktur zum Aufbau von COVID-19 Testkapazität in der Pandemie
    Leitung: Alwin Köhler, Max Perutz Labs
    Kooperationspartner: Max Perutz Labs (Universität Wien und MedUni Wien); Centre for Microbiology and Environmental Systems Science, Universität Wien; IMP; CeMM der ÖAW, IMBA der ÖAW; GMI der ÖAW; weitere Institutionen in Wien)
     
  • Entwicklung sensitiver und skalierbarer Screening-Assays zur Überwachung von COVID-19-Infektionen im Populationsmaßstab
    Leitung: Johannes Zuber, Research Institute of Molecular Pathology (IMP)
    Kooperationspartner: Julius Brennecke, IMBA der ÖAW; Andrea Pauli, IMP; Ulrich Elling, IMBA der ÖAW; Stefan Ameres, IMBA der ÖAW, Alwin Köhler, Universität Wien/VCDI; Manuela Födinger, KFJ/KAV)
     
  • COVID-19 im Flucht- und Integrationskontext – Soziale Implikationen der Pandemie für die syrische und afghanische Community sowie NGOs der Flüchtlingsbetreuung in Wien
    Leitung: Josef Kohlbacher, Institut für Stadt- und Regionalforschung der ÖAW
    Kooperationspartner: Institut für Sozialanthropologie der ÖAW