06.04.2020 | Corona-Impfung

„Wir werden es schaffen!“

Wie wir durch die Corona-Krise kommen und welchen Beitrag die Wissenschaft im Kampf gegen das Virus leistet, erklärt Virologe und ÖAW-Mitglied Peter Palese im Interview.

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Sie sind winzig klein und ziemlich ansteckend: die Viren aus der Corona-Familie. Eines davon mit dem Namen SARS-CoV-2 verbreitet sich aktuell rasant um den gesamten Globus - mit fatalen Folgen für Gesundheit und öffentliches Leben. Weltweit arbeiten Forscher/innen fieberhaft daran, ein Medikament und einen Impfstoff zu entwickeln.

Was wir derzeit über das Virus wissen und wie der aktuelle Stand der Forschung aussieht, hat die ÖAW auf einer Website mit Facts & Findings zusammengestellt. Einblicke in die Welt der Viren im Allgemeinen und SARS-CoV-2 im Besonderen gibt in einem Interview auch Peter Palese, austro-amerikanischer Virologe und Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Er hat eine hoffnungsvolle Botschaft zum Coronavirus: „Aufgrund der erfolgreichen Entwicklung anderer viraler Impfstoffe habe ich keinen Zweifel daran, dass ein solcher Impfstoff machbar ist.“

Herr Palese, was macht dieses Coronavirus so gefährlich für uns Menschen?

Peter Palese: Obwohl Coronaviren ziemlich häufig sind und wir alle mit dem einen oder anderen dieser Viren infiziert wurden, ist SARS-CoV-2 für den Menschen neu. Das bedeutet, dass wir als Menschen noch nie diesem speziellen Coronavirus ausgesetzt waren und daher keine Immunität dagegen haben. Darüber hinaus gilt: Wenn ein neuartiges Virus die menschliche Bevölkerung trifft, sind ältere Jahrgänge normalerweise stärker betroffen als die jüngeren. Das liegt daran, dass das Immunsystem älterer Menschen viel stärker geschwächt ist.

Auf der Außenseite der kugelförmigen Virushülle befinden sich Proteinspikes, die wie eine Krone aussehen. Deswegen wird diese Familie von Viren als Coronaviren bezeichnet.

Wie ist das SARS-CoV-2-Virus aufgebaut?

Palese: Es gibt Viren, deren genetische Information DNA enthält, aber es gibt auch Viren mit RNA als Genom. Das ist bei SARS-CoV-2 der Fall. Auf der Außenseite der kugelförmigen Virushülle befinden sich Proteinspikes, die wie eine Krone aussehen. Deswegen wird diese Familie von Viren als Coronaviren bezeichnet.

Wenn Sie auf Ihre Forschung blicken, welche sind die gefährlichsten Viren?

Palese: Alle Viren, die plötzlich in einer immunologisch naiven Population zu zirkulieren beginnen, sind gefährlich. Die Nummer eins unter den apokalyptischen Reitern ist allerdings das Pockenvirus. Es wird angenommen, dass im 20. Jahrhundert dadurch 300 Millionen Menschen getötet wurden. Glücklicherweise haben wir einen hochwirksamen Impfstoff gegen dieses Virus, der in den 1970er-Jahren zur Ausrottung der Krankheit führte.

Was sind die wichtigsten offenen Fragen, die bei einer Corona-Infektion zu berücksichtigen sind?

Palese: Wir müssen verstehen, wie SARS-CoV-2 von Person zu Person übertragen wird. Es gibt drei Möglichkeiten, wie das Virus Menschen infizieren kann: Es ist ein Atemwegsvirus, das durch Sprechen, Husten und Niesen in die Luft gelangt. Kleine Tröpfchen können das Virus übertragen und Minuten, wenn nicht Stunden, in der Luft bleiben. Große Tröpfchen sind schwerer und sinken ziemlich schnell zu Boden. Wenn jedoch eine Person in engem Kontakt, also 30 Zentimeter, die Luft mit großen Tröpfchen einatmet, kann sie krank werden. Schließlich kann sich das Virus auf Umweltoberflächen befinden und wir selbst reiben es in Augen, Nase oder Mund.

Wir haben derzeit weder einen wirksamen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 noch sichere antivirale Mittel. Dennoch sind unsere Fortschritte in der biomedizinischen Forschung beinahe eine Garantie dafür, dass wir solche Medikamente entwickeln werden.

Wir wissen immer noch nicht, welchen Beitrag jeder dieser Übertragungswege zur Infektion anderer Menschen leistet. Ist es jeweils ein Drittel: Kleine Tröpfchen, große Tröpfchen und Infektionen über die Hände? Oder macht die Übertragung per Hand den größten Teil der Ansteckungen aus? Die Kenntnis des genauen Übertragungsmechanismus und die Entwicklung gezielter Methoden zur Reduzierung der Verbreitung würden unser Leben erheblich erleichtern. Und: Warum sind Menschen mit bestimmten Begleiterkrankungen, etwa Diabetes, so viel anfälliger als andere infizierte Patient/innen? Was führt bei einigen von ihnen zum Tod und bei anderen nicht? Das Verständnis dieses Mechanismus der Pathogenese wird von entscheidender Bedeutung sein, um das Virus zu besiegen.

In die Forschung wird derzeit viel Hoffnung gesetzt. Wie sehen Sie den Beitrag der Wissenschaft im Kampf gegen das Coronavirus?

Palese: Wir haben derzeit weder einen wirksamen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 noch sichere antivirale Mittel. Dennoch sind unsere Fortschritte in der biomedizinischen Forschung beinahe eine Garantie dafür, dass wir solche Medikamente entwickeln werden. Wir haben enorme Erfolge bei der Bekämpfung von HIV, Hepatitis-C-Virus, Masernvirus und Poliovirus gesehen, um nur einige zu nennen. Wir werden es schaffen! Aber es wird einige Zeit dauern!

Apropos Impfstoff. Denken Sie, dass man hier bald Erfolge sehen wird?

Palese: Aufgrund der erfolgreichen Entwicklung anderer viraler Impfstoffe habe ich keinen Zweifel daran, dass ein solcher Impfstoff machbar ist. Tatsächlich sollte sogar ein bescheiden wirksamer Impfstoff das Gleichgewicht zum Überleben bei geimpften älteren und gefährdeten Personen verbessern.

Viele Viren, die beim Menschen Krankheiten verursachen, sind zoonotisch. Eine rigorose Schließung von Wildtier-Märkten würde die Häufigkeit wiederkehrender zoonotischer Infektionen, die zu Pandemien führen, drastisch reduzieren.

Welche Lehren können gezogen werden, um zukünftige Epidemien oder Pandemien zu vermeiden?

Palese: Viele Viren, die beim Menschen Krankheiten verursachen, sind zoonotisch. Das bedeutet, dass es sich um tierische Viren handelt, die die Barriere zwischen den Spezies überspringen. Im Fall von SARS-CoV-2 zirkulierte das Virus in Fledermäusen und anderen Wildtieren wie Pangolinen, also Schuppentieren. Aufgrund der offenen Wildtiermärkte in China wurde das Fleisch dieser Tiere von Menschen verzehrt und fand seinen Weg in die Bevölkerung. Viele Virolog/innen haben China jahrzehntelang gebeten, diese offenen Märkte zu schließen, weil die Möglichkeit besteht, dass das Virus auf andere Spezies überspringt, und so seinen Weg in den Menschen findet. Das Influenzavirus H5N1, also die Vogelgrippe, ist ein Beispiel für ein zoonotisches Virus, das seinen Ursprung auf den offenen Tiermärkten in China hat. Eine rigorose Schließung dieser Märkte würde die Häufigkeit wiederkehrender zoonotischer Infektionen, die zu Pandemien führen, drastisch reduzieren.

 

AUF EINEN BLICK

Peter Palese ist Virologe an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York City. Er hat Pharmazie und Chemie an der Universität Wien studiert und ging als PostDoc an das Roche Institute of Molecular Biology in Nutley, New Jersey. Im Jahr 1971 wechselte er an die Mount Sinai School of Medicine, wo er zunächst Assistant Professor (1971), dann Associate Professor (1974) und mit nur 34 Jahren schließlich Professor für Mikrobiologie (1978) wurde. Seit 1987 ist er auch Direktor des dortigen Departments for Microbiology. Palese ist u.a. Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und seit 2002 ÖAW-Mitglied im Ausland.

Weitere Informationen zu den wissenschaftlichen Hintergründen des Coronavirus und aktuellen Entwicklungen dazu in der Forschung sind auf einer eigenen Website zusammengestellt.

COVID-19: FACTS & FINDINGS