31.05.2021 | Feierliche Sitzung

Wissenschaft als Leuchtturm

Wissenschaft sei ein Leuchtturm bei hohem Seegang - das habe die Bekämpfung der Pandemie eindeutig gezeigt, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der diesjährigen Feierlichen Sitzung der ÖAW. Diese fand erstmals wieder im sanierten Wiener Hauptgebäude der Akademie statt.

Erstmals seit 2019 konnte die Feierliche Sitzung wieder im Festsaal im frisch sanierten Hauptgebäude der Akademie stattfinden.  © ÖAW/APA-Fotoservice/Hörmandinger
Erstmals seit 2019 konnte die Feierliche Sitzung wieder im Festsaal im frisch sanierten Hauptgebäude der Akademie stattfinden. © ÖAW/APA-Fotoservice/Hörmandinger

„Wir befinden uns noch auf einer Baustelle“, sagte Anton Zeilinger, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), in seinen einleitenden Worten zur Eröffnung der Feierlichen Sitzung am 28. Mai 2021, in der einiges anders war als man es bisher gewohnt gewesen ist. So gab es heuer keinen festlichen Einzug der Ehrengäste und ausländischen Akademiepräsident/innen, viele Eingeladene konnten aufgrund der Corona-Beschränkungen nur über Livestream teilnehmen. Auch der Empfang danach musste entfallen. Und dennoch: Es gab auch eine äußerst erfreuliche Premiere. Denn erstmals seit Beginn der Sanierungsarbeiten konnte die Feierliche Sitzung wieder im Hauptgebäude der ÖAW in Wien stattfinden.

Baustellen strahlen für gewöhnlich nicht so hell wie der frisch renovierte Festsaal, der pünktlich zum traditionellen Höhepunkt im Akademiejahr fertig geworden ist. Doch es gab nicht nur den neuen Glanz des Gebäudes zu feiern, sondern es galt auch auf ein überaus ereignisreiches Jahr zurückzublicken. Corona hat die Wissenschaft herausgefordert. Zugleich wurde diese aber auch ins Rampenlicht einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. „Dieses Jahr hat uns überdeutlich die Notwendigkeit und die Leistungen von Forschung vor Augen geführt, indem wir alle Zeugen eines wissenschaftlichen Kampfes gegen die Pandemie wurden“, sagte Bundespräsident und ÖAW-Schirmherr Alexander Van der Bellen in seiner Rede im Festsaal.

Keine Anwendung ohne Grundlagenforschung

Corona habe aber auch offenbart, dass es keine angewandte Forschung ohne die vorangehende Grundlagenforschung geben könne. Diese müsse daher langfristig und ausreichend finanziert werden. „Die Krise hat gezeigt, dass die Grundlagenforschung kein Elfenbeinturm ist, sondern ein Leuchtturm der modernen Gesellschaft, deren Erkenntnisse sich gerade bei hohem Seegang als überlebensnotwendig herausstellen“, so Van der Bellen: „Die Wissensgesellschaft kann rasch auf neue Entwicklungen reagieren. Dass wir heute über Impfstoffe gegen das Coronoavirus verfügen, ist eine der erstaunlichsten Hochgeschwindigkeitsleistungen, die in der Forschung wahrscheinlich je erzielt wurden.“

Die Wissenschaft lebe davon, dass die Wahrheit von heute morgen widerlegt sein könne, so der Bundespräsident: „Fortschritt bedeutet Falsifikation. Das unterscheidet Wissen von Überzeugungen, denen Tatsachen mitunter gleichgültig sind.“ Es sei daher falsch, Forschung zu kritisieren, weil sie sich zu widersprechen scheint. Im Gegenteil, sie widerspreche sich nicht, sie lerne dazu. „Sie ist ein Musterbeispiel für Flexibilität und Offenheit.“

Vernetzung der Disziplinen unter einem Dach

Corona habe uns auch die Wichtigkeit von vernetzter Forschung bewusst gemacht, so der Bundespräsident. Die ÖAW bringe dafür die besten Voraussetzungen mit: „Sie sind nicht nur ein Dach, unter dem unterschiedliche Wissensgebiete erkundet werden, sondern auch ein Schmelztiegel, in dem sich Disziplinen austauschen, ergänzen und bereichern können.“ Vor diesem Hintergrund hält Van der Bellen die Arbeit der Akademie für unersetzlich und, ja auch das, systemrelevant. 

Heinz Faßmann, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, sandte eine Videobotschaft aus Brüssel. Er sei der ÖAW dankbar, dass sie Wissenschaftsskeptizismus proaktiv entgegenwirke und in Zeiten von Fake News auf eine kritische Expertise setze. „Ein gutes Jahr liegt hinter uns, wäre es nicht ein Seuchenjahr, es wäre eines der besten forschungspolitischen Jahre der letzten Zeit“, gab sich der Minister positiv. Man habe ein Rekordbudget verabschieden können, das Forschungsfinanzierungsgesetz auf Schiene gebracht und bis 2022 werde mit dem Campus Akademie ein wissenschaftlicher Begegnungsort entstehen, der mitten im ersten Wiener Bezirk städtebauliche Akzente setzt.

Mut und Wille zur Erkenntnis

Wissen ist Macht. ÖAW-Präsident Zeilinger ging der Frage nach, was dieses geflügelte Wort, das auf Francis Bacon zurückgeht und im Original Nam et ipsa scientia potestas est (Denn auch die Wissenschaft selbst ist Macht) lautet, vor dem Hintergrund der Pandemie bedeutet. „Es geht um den Mut und Willen zur Erkenntnis, die vernunftbegründet sein muss“, sagte Zeilinger: „Die Entwicklung der Impfstoffe, die Offenheit und Schnelligkeit der weltweiten Kommunikation, so etwas gab es bisher noch nicht, das war eine absolute Premiere. Wir haben gelernt, dass wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung plötzlich Anwendungen fanden, an die wir überhaupt nicht gedacht hatten.“ Als Beispiel nannte er die Life Sciences-Institute der ÖAW, an denen es die vorhandene Infrastruktur ermöglicht habe, die wichtigen Sequenzierungen des Virusgenoms durchzuführen.

Das überraschende Anwendungspotential von Grundlagenforschung war eine Kerbe, in die auch der diesjährige Festredner Ferenc Krausz vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik schlug. Er sprach über „Elektronen fürs Leben“. Dabei ging es um Laserphysik und ihre Anwendungen in der Medizin, um in Sachen Diagnose die Gesundheit besser schützen zu können. „Mein Vortrag ist auch ein Plädoyer gegen eine Grenzziehung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung“, betonte Krausz in seinen wissenschaftlichen Ausführungen.

Nächste Feierliche Sitzung im Zeichen des Jubiläums

Der Kampf gegen Fake News, Grundlagenforschung als tragender Pfeiler und internationale Vernetzung in der Wissenschaft: Nachdem die zentralen Themen dieses Forschungsjahres aus unterschiedlicher Perspektive beleuchtet wurden, warf ÖAW-Präsident Anton Zeilinger zum Abschluss noch einen Blick in die Zukunft. „Am 14. Mai 2022 treffen wir einander hoffentlich hier wieder, um auf den Tag genau 175 Jahre Akademie zu feiern. Dann wird auch der neue Campus der ÖAW fertig renoviert sein.“ Keine schlechten Aussichten also.

Die Feierliche Sitzung in Bildern

Vortrag von Ferenc Krausz: Elektronen fürs Leben