04.09.2018

Mit Bioarchäologie der Vergangenheit auf der Spur

Welche Krankheiten hatten Menschen vor tausenden Jahren? Was löste Migrationsbewegungen in der Menschheitsgeschichte aus? Fragen wie diese beschäftigen die Bioarchäologin Brenda Baker. Bei einem Workshop an der ÖAW gab sie Einblick in ihre Antworten am Beispiel Zyperns.

© ÖAW/Daniel Hinterramskogler
© ÖAW/Daniel Hinterramskogler

Will man etwas über heutige Krankheiten erfahren, dann lohnt der Blick in die Vergangenheit. Die Infektionskrankheit Frambösie ist zum Beispiel in unseren Breiten kaum bekannt, in den tropischen Regionen Afrikas sind davon aber hunderttausende Menschen betroffen. Zwar lässt sich die Erkrankung inzwischen mit Antibiotika behandeln. Doch wenn man herausfindet, welche Faktoren im Verlauf der Menschheitsgeschichte den Ausbruch und die Entwicklung der Erkrankung beeinflusst haben, könnte dieses Wissen Therapien und Präventionsmaßnahmen weiter verbessern.

Brenda J. Baker von der Arizona State University will genau dazu beitragen. Sie erforscht derzeit die Evolution des Erregers der Främbosie und verwandter Krankheiten – und zwar mit Methoden der Bioarchäologie. Dabei werden archäologische Funde und altertumswissenschaftliches Wissen mit naturwissenschaftlichen Methoden vernetzt.

Bei einem Workshop des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am 4. September 2018 erläuterte Baker als Keynote-Speakerin ihren bioarchäologischen Forschungszugang am Beispiel Zyperns, das seit Jahrtausenden einen Kreuzungspunkt von Menschen von drei Kontinenten bildet. Im Interview erzählt Baker welche Methoden Bioarchäolog/innen heute anwenden und wie sie damit Krankheiten, Klimaänderungen oder Migrationsbewegungen auf die Spur kommen.

Mit welchen Forschungsfeldern beschäftigt sich die Bioarchäologie?

Brenda J. Baker: Die Bioarchäologie integriert Archäologie und biologische Anthropologie um Aufschluss darüber zu geben, wie sich die Lebensbedingungen für Menschen im Laufe der Zeit verändert haben. Ebenso dient Bioarchäologie dazu, ein besseres Verständnis von Leben und Tod und anderen Wechselbeziehungen der Vergangenheit rund um den Globus besser verstehen zu lernen.

Die Bioarchäologie integriert Archäologie und biologische Anthropologie um Aufschluss darüber zu geben, wie sich die Lebensbedingungen für Menschen im Laufe der Zeit verändert haben.

Wie gehen Bioarchäolog/innen dabei vor?

Baker: Bioarchäologie erforscht menschliche Überreste anhand integrativer Analysen und der Interpretationen archäologischer, ökologischer und sozialer Kontexte. Ein beachtlicher Teil der Forschung konzentriert sich auf die Untersuchungen menschlicher Überreste. Diese vermitteln uns ein besseres Verständnis von den damaligen Krankheiten, täglichen Aktivitäten, der Ernährung und Wirtschaftsweise, der Mobilität aber auch von den Bestattungsweisen. Heute stellen sich Bioarchäolog/innen vorwiegend die Frage, wie bestimmte Krankheitserreger die Menschheit beeinflusst haben oder auch, wie Menschen auf den Klimawandel und andere Faktoren reagiert haben, die zu Migration geführt haben. 

Der Workshop „Overcoming Past Preservation Issues“ beschäftigt sich mit neuen Technologien und der Frage, wie diese die Forschung verändert haben. Welche Möglichkeiten haben die Bioarchäologie heute, die es vor einigen Jahren nicht gab?

Baker: Bioarchäolog/innen haben begonnen, innovative Methoden wie Geoinformationssysteme (GIS), das Micro- und Macro-Imaging und die molekularen und chemischen Analysen häufiger zu nutzen. GIS-Analysen können zum Beispiel dabei helfen, die räumliche Organisation von Friedhöfen und die Konzeptualisierung von Bestattungsplätzen innerhalb der Landschaft besser zu erforschen. Neue Bildgebungstechniken wie CT-Scanner können dazu beitragen, bestimmte Krankheiten zu diagnostizieren während 3D-Darstellungen von mumifizierten Individuen einen tieferen Einblick in die Krankheiten geben, welche die jeweilige Person im Laufe ihres Lebens hatte, und aufschlüsseln, wie die Leichen nach ihrem Tod behandelt wurde. DNA-Analysen ermöglichen weitere Erkenntnisse im Bereich von Krankheiten wie Tuberkulose, Lepra oder Malaria, während Analysen stabiler Isotopen dazu verwendet werden, die Ernährung der Menschen über ihr gesamtes Leben hindurch zu rekonstruieren. Isotopenanalysen können zudem die Mobilität eines Menschen nachvollziehen. Diese neuen Technologien sind für uns äußerst spannend, um sowohl alte als auch neue Fragen in der Forschung zu diskutieren.

Wenn wir verstehen, wie Krankheitserreger sich in der Vergangenheit entwickelt haben und welchen Einfluss Faktoren wie Klima oder weltweite Migration auf die Krankheitsentwicklung haben, können wir versuchen, diese Einflussfaktoren mit denen der heutigen Zeit zu vergleichen.

Sie haben sich auch mit der Entstehung von Krankheiten wie Syphilis oder Lepra beschäftigt. Was kann man heute aus der Vergangenheit über diese Krankheitsbilder lernen?

Baker: Derzeit erforsche ich gerade mit einem Team die Koevolution der Treponema-Infektion, die ja der bakterielle Erreger von Syphilis aber auch von der Infektionskrankheit Frambösie ist. Auch heute noch ist Frambösie ein großes Problem in den tropischen Regionen Afrikas und auf den Pazifischen Inseln. Auch die Syphilis-Infektionen sind weltweit wieder angestiegen. Wenn wir verstehen, wie diese Krankheitserreger sich in der Vergangenheit entwickelt haben und welchen Einfluss Faktoren wie Klima oder weltweite Migration auf die Krankheitsentwicklung haben, können wir versuchen, diese Einflussfaktoren mit denen der heutigen Zeit zu vergleichen.

Stichwort Migration: Können Sie erklären, welche Auswirkungen die Migration aus bioarchäologischer Sicht auf das Leben der Menschen in den vergangenen Jahrhunderten hatte?

Baker: Zunächst muss man sagen, dass Faktoren, die zu Migration führen, damals wie heute mehr Ähnlichkeiten aufweisen, als von der Forschung anfangs angenommen wurde. Der Klimawandel, die Chance auf ein besseres Leben, Krieg oder politische Unruhen, Kolonisierung und vieles mehr führte auch in der Vergangenheit dazu, dass sich größere Menschengruppen in Bewegung gesetzt haben. Ebenso haben große Bevölkerungsbewegungen jene Gesellschaften, die die Neuankömmlinge aufgenommen haben, positiv wie negativ beeinflusst. Wir sehen die Ergebnisse dieser Einflüsse in archäologischen aber auch in zeitgenössischen Siedlungen und Gesellschaften, die zeigen, wie viel wir heute darüber lernen können, wann und warum manche Bevölkerungsgruppen sich entschlossen haben zu migrieren und andere es bevorzugt haben zu bleiben. Dies ist eine der zentralen Fragen, mit der sich die moderne Bioarchäologie beschäftigt.

 

Brenda Baker ist Professorin an der School of Human Evolution and Social Change der Arizona State University. Zuvor war sie als Bioarchäologin am New York State Museum sowie an der University of Albany tätig. Zahlreiche Feldforschungen führten sie u.a. nach Zypern, Ägypten und in den Sudan. Aktuell leitet Baker ein Projekt im Sudan zur Bioarchäologie im antiken Nubien.

Der Workshop „Overcoming Past Preservation Issues. Current Research in Bioarchaeology in Cyprus“ befasste sich am 4. September 2018 mit neuen Erkenntnissen der Bioarchäologie am Beispiel Zyperns. Brenda Baker hielt die Keynote Lecture mit dem Titel “The Bioarchaeology of Cyprus: A Perspective from Polis”.

Programm des Workshops

Österreichisches Archäologisches Institut der ÖAW