11.03.2021 | Künstliche Intelligenz

Maschinen lernen schneller mit Quantentechnologie

Künstliche Intelligenz ist Teil unseres modernen Lebens: Sie lässt Maschinen nützliche Prozesse zur Spracherkennung oder für digitale persönliche Assistenten erlernen. Eine entscheidende Frage für praktische Anwendungen ist, wie schnell solche intelligenten Maschinen lernen können. Ein Experiment an der Universität Wien mit Beteiligung der ÖAW brachte nun den Beweis dafür, dass Quantentechnologie tatsächlich eine Beschleunigung von Lernprozessen ermöglicht.

© Rolando Barry, Universität Wien

In einer internationalen Zusammenarbeit gelang dies Physiker/innen aus Österreich, Deutschland, den Niederlanden und den USA, indem sie solche Lernprozesse mit Hilfe eines Quantenprozessors für einzelne Photonen ablaufen ließen. Diese Arbeit, die zur Weiterentwicklung der künstlichen Quantenintelligenz in künftigen Anwendungen beiträgt, wird in der aktuellen Ausgabe des Journals „Nature“ publiziert.

Intelligente Algorithmen, die Computerspiele spielen, menschliche Stimmen erkennen oder bei der Suche nach der optimalen medizinischen Behandlung helfen: Das sind nur einige erstaunliche Beispiele dafür, was das Feld der künstlichen Intelligenz in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Der ständige Wettlauf um bessere Maschinen hat zu der Frage geführt, wie und mit welchen Mitteln Optimierungen erzielt werden können. In jüngster Zeit haben parallel dazu enorme Fortschritte in Quantentechnologien die Grenzen ihrer Anwendbarkeit im wirklichen Leben stark verschoben. Ein Verschmelzen von Ideen der beiden Gebiete liegt daher auf der Hand: einerseits die künstliche Intelligenz mit ihren autonomen Maschinen, andererseits die Quantenphysik mit ihren leistungsfähigen Algorithmen.

In den letzten Jahren haben viele Wissenschaftler/innen begonnen zu untersuchen, wie man zwischen diesen beiden Welten eine Brücke schlagen und auf welche Weise sich Quantenmechanik als nützlich für lernende Maschinen erweisen kann, und umgekehrt. Dabei hat sich etwa gezeigt, dass Entscheidungsprozesse solcher Maschinen durch Quantentechnologie beschleunigt werden können, oder, dass lernfähige Algorithmen dazu verwendet werden können, neue Quantenexperimente zu entwerfen. Dennoch waren solche Maschinen bisher nicht in der Lage schneller zu lernen, was einen entscheidenden Vorteil in der Entwicklung immer komplexerer autonomer Maschinen bedeuten würde.

Quantentechnologie erlaubt schnelleres Lernen

In einer internationalen Zusammenarbeit unter der Leitung von Philip Walther gelang es einem Team experimenteller Physiker/innen der Universität Wien gemeinsam mit Theoretiker/innen der Universität Innsbruck, des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Universität Leiden und des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt nun erstmals eine solche Beschleunigung der tatsächlichen Lernzeit experimentell unter Beweis zu stellen. Das Team nutzte dazu einzelne Photonen – fundamentale Lichtteilchen, die in einen integrierten photonischen Quantenprozessor eingekoppelt wurden, der am Massachusetts Institute of Technology entwickelt und hergestellt wurde. Dieser Prozessor wurde zur Umsetzung der Lernaufgaben verwendet, bei denen es darum ging, die einzelnen Photonen in eine vordefinierte Richtung zu lenken. "Das Experiment konnte zeigen, dass die Lernzeit deutlich verringert wird verglichen mit dem Fall, in dem keine Quantenphysik angewendet wird", erläutert Valeria Saggio, Erstautorin der Veröffentlichung.

In aller Kürze kann man sich die Lernaufgabe des Experiments wie eine Wegkreuzung vorstellen. Dort soll gelernt werden, je nach Ampelsignal, entweder nach links oder nach rechts abzubiegen, indem richtige Entscheidungen belohnt werden.

Neue Möglichkeiten künstlicher Quantenintelligenz

In einer klassischen Welt, kann man an der Wegkreuzung nur entweder links oder rechts abbiegen. Macht man sich jedoch Quantentechnologie zunutze, kommen die faszinierenden Aspekte der Quantenphysik ins Spiel. Insbesondere kann man eine ihrer bekanntesten und seltsamsten Eigenschaften nutzen, das sogenannte Superpositionsprinzip. „Obwohl uns unsere Intuition aus dem Alltag in so einer Situation im Stich lässt, muss man sich selbst die einfachste Quantenkreuzung mit zwei klassischen Richtungen als Kreuzung mit unendlich vielen Pfaden vorstellen, die sich durch die Superposition der beiden klassischen Richtungen ergeben“, sagt Nicolai Friis von der ÖAW in Wien.

„Diese Eigenschaft ermöglicht die Umsetzung eines Quantensuchalgorithmus, der die Anzahl der Versuche verringert, den richtigen Weg zu lernen. Deshalb kann ein Agent, der in einer Quantenumgebung agiert, erheblich schneller lernen als sein klassisches Gegenstück“, sagt Hans Briegel, der die theoretischen Ideen zu lernfähigen Quantenagenten mit seiner Gruppe an der Universität Innsbruck entwickelt hat.

Dieser experimentelle Nachweis, dass maschinelles Lernen durch die Anwendung von Techniken aus dem Bereich der Quantencomputer verstärkt werden kann, verspricht viele Vorteile, wenn man diese beiden Technologien kombiniert. "Wir stehen gerade am Anfang, die Möglichkeiten der Künstlichen Quantenintelligenz zu verstehen", so Philip Walther, "daher trägt jedes neue experimentelle Ergebnis zur Entwicklung dieses Feldes bei, welches derzeit als eines der fruchtbarsten Gebiete für Quantencomputing gesehen wird."

 

AUF EINEN BLICK

Publikation:

"Experimental quantum speed-up in reinforcement learning agents", V. Saggio, B. Asenbeck, A. Hamann, T. Strömberg, P. Schiansky, V. Dunjko, N. Friis, N. C. Harris, M. Hochberg, D. Englund, S. Wölk, H. J. Briegel, and P. Walther, Nature, 2021
DOI: 10.1038/s41586-021-03242-7