18.01.2021 | Fachjournal

Forum der Ägyptologie feiert Dreißiger

Ein rundes Jubiläum feiert heuer die Wissenschaftszeitschrift „Ägypten und Levante“. Das von der ÖAW herausgegebene archäologische Journal wurde vor 30 Jahren gegründet. Der aktuelle Jubiläumsband beleuchtet die Genese der ägyptischen Zivilisation im Zusammenspiel mit ihren Nachbarkulturen.

Ausgrabungen am Palast der Hyksos. © ÖAW/Manfred Bietak

Ein wissenschaftliches Forum, das der Erforschung der Beziehungen zwischen Ägypten und Vorderasien dient, sollte es werden - so das Anliegen des Ägyptologen und Mitglieds der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Manfred Bietak, als er 1990 die Zeitschrift „Ägypten und Levante“ gründete. Heute, 30 Jahre später, ist die Zeitschrift ein erfolgreiches Publikationsorgan. Sie wird herausgegeben von der Abteilung Prähistorie & Westasien/Nordostafrika-Archäologie des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gemeinsam mit dem Institut für Ägyptologie der Universität Wien, dem Institute of Mediterranean and Oriental Cultures der Polnischen Akademie der Wissenschaften und den Departments of Near Eastern Languages and Civilizations der Yale University.

In den Anfangsjahren von „Ägypten und Levante“ standen vor allem die Grabungsergebnisse in der Hyksoshauptstadt Avaris (ca. 1850-1530 v. Chr.), dem heutigen Tell el-Dab’a, im Vordergrund. Die Tatsache, dass dort auf ägyptischem Boden vorderasiatische Paläste, Tempel und Wohnviertel einer kanaanäischen Bevölkerung zum Vorschein gekommen waren, führte zu regen Fachdiskussionen, die auch durch das Journal angestoßen oder in ihm geführt wurden. Später kamen die Entdeckung ägyptischer Plansiedlungen des Mittleren Reiches (c. 2000-1800 v. Chr.) und schließlich die Forschungsergebnisse zu einem gewaltigen Palastbezirk der Tuthmosidischen Zeit (ca. 1480-1400 v. Chr.) hinzu.

Rätsel der Hyksos und gewaltige Paläste

Die Erforschung des Palastbezirkes wurde aufgrund seiner Größe und Ausstattung zu einem Schwerpunktthema der Zeitschrift. Mit seiner ehemaligen Dekoration mit minoischen Wandmalereien verwies der 5,5 Hektar große Palastbezirk auf die engen Beziehungen Ägyptens zur Ägäis. Und hier schließt sich der Kreis, wie Manfred Bietak vermutet: „Höchstwahrscheinlich ist diese Palastanlange mit der Flottenstation der tuthmosidischen Könige namens Peru-nefer in Verbindung zu bringen, die in der alten Hafenstadt Tell el-Dab‘a zu lokalisieren ist.“ Laut dem ERC-Preisträger, der mit einem Advanced Grant zu den Hyksos forscht, unterhielt Ägypten von hier aus Handelsbeziehungen im Mittelmeerraum und verwendete diese Basis als Ausgangspunkt für militärische Feldzüge in den Nahen Osten. Später sei an diesem Ort eine gewaltige Festung des Königs Haremhab (ca. 1314-1300 v. Chr.), der eine drohende Konfrontation mit den Hethitern befürchten musste, entstanden.

Im Lauf der Jahrzehnte hat die Zeitschrift „Ägypten und Levante“ ihr Themenspektrum erweitert. So war sie ein Ort der wissenschaftlichen Diskussion eines großen, an der ÖAW angesiedelten Projekts, das die Synchronisierung bekannter Ereignisse des 2. Jahrtausends BC zum Ziel hatte. Mittlerweile wurden Publikationen zu weiteren Grabungsplätzen und Spezialuntersuchungen zur Archäologie und Geschichte Ägyptens, Nubiens, Vorderasiens und des östlichen Mittelmeerraumes aufgenommen.

Für den Jubiläumsband wurde Christiana Köhler, Professorin für Ägyptologie an der Universität Wien, eingeladen, einen Leitartikel über ihr Spezialgebiet, das vorgeschichtliche Ägypten, zu verfassen. Zusammen mit Diskussionsbeiträgen internationaler Fachkolleg/innen wird hier das ursprüngliche Anliegen von „Ägypten und Levante“ weiterentwickelt: einen lebhaften Dialog zu führen, der die Genese der ägyptischen Zivilisation im Zusammenspiel mit seinen Nachbarkulturen beleuchtet.

 

AUF EINEN BLICK

Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Ägypten und Levante“ beinhaltet 29 Beiträge von 47 Autor/innen, die sich mit so vielfältigen Themen wie einem Clash of Civilizations im Alten Ägypten befassen oder Handelswegen im Anatolien der frühen Bronzezeit. Der 633 Seiten umfassende Band ist im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erhältlich.

Blick ins Buch