Die beiden Regionen Griechisch-Makedonien – im Raum Florina – und West-Thrakien – im Raum Xanthi – sind vor etwa 100 Jahren von Staatsgrenzen durchzogen worden, die die dort lebenden muslimischen slawisch-sprachigen Pomaken in Griechenland zu einer Minderheit gemacht haben. Sie wurden damals von der makedonisch beziehungsweise bulgarisch sprechenden Mehrheit nördlich der Grenze isoliert. In Griechenland wurden ihre „dachlosen Dialekte“ starker Diskriminierung ausgesetzt und sind heute vom Sprachtod bedroht. Seit den 1990er Jahren aber hat die politische und wirtschaftliche Liberalisierung in beiden Regionen einen ethnischen Aktivismus entstehen lassen, der auch sprachpolitisch aktiv ist.
Christian Voß, Professor für Südslawische Sprach- und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, thematisiert diese Dynamiken in einem Vortrag der Reihe „Balkanforschung an der ÖAW“ und zeigt exemplarisch, wie Minderheiten ihre kulturellen Ressourcen verhandeln. Unter dem Titel „Ethnic Revival, Transnationalismus und Sprachloyalität: Muslimische und christliche slawischsprachige Minderheiten in Nordgriechenland“ berichtet er von seinen Feldforschungen und analysiert die seit dem Fall des Eisernen Vorhangs auf dem Südbalkan aktivierte Sprach- und Identitätspolitik.