17.12.2021 | Nachruf

Bert Fragner zum Gedenken

Der Pionier auf dem Gebiet der Iranistik verstarb im Alter von 80 Jahren. Die Akademie verliert ein international hoch anerkanntes und geschätztes Mitglied, einen visionären Gründungsdirektor – und einen Freund. Ein Nachruf von Robert Rollinger und Florian Schwarz, zwei Wegbegleitern.

Bert Fragner (1941-2021) © privat
Bert Fragner (1941-2021) © privat

Am 16. Dezember 2021, kurz nach seinem 80. Geburtstag, ist Bert Fragner verstorben. Er hinterlässt tiefe Spuren, sowohl in der Wissenschaft als auch auf persönlicher Ebene. Bert Fragner war Gigant und Monument und mit einer unglaublichen Liebenswürdigkeit ausgezeichnet. Seit 2008 war er wirkliches Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Von April 2003 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2010 leitete er als Direktor das Institut für Iranistik der ÖAW.

Unvergleichliche Meisterschaft

Bert Fragners wissenschaftliches Oeuvre zu charakterisieren ist schwierig und leicht zugleich. Es ist schwierig aufgrund seiner vielfältigen und jeglichen Rahmen sprengenden historischen und philologischen Interessen, die einen Gelehrten präsentieren, der sich in unvergleichlicher Meisterschaft mit historischen Detailfragen zu beschäftigen wusste, wie er auch das einen weiten Bogen spannende und die Grenzen von Disziplinen überschreitende Narrativ souverän zu beherrschen in der Lage war.

Es ist leicht, weil sein spezieller Zugang zu den Quellen wie seine pointierten Fragestellungen sowohl den Leser/innen als auch den Zuhörer/innen durch seine ausgewählte Gelehrsamkeit sofort gefangen nahmen und nicht selten in Staunen versetzten. Dabei kombinierte er stets philologische Kompetenz mit breit angelegten kulturhistorischen Interessen, die nahezu immer den Weg aus den Tiefen der Vergangenheit in die rezenten Gegenwarten fanden.

Neues Forschungsfeld etabliert

Er hat nichts weniger vollbracht als ein weit gespanntes Forschungsfeld aufzubauen und in der europäischen akademischen Landschaft institutionell zu verankern. Lange Zeit war die kulturhistorisch-philologische Beschäftigung mit dem iranischen Raum und iranisch geprägten Gesellschaften vom Mittelalter bis in die Gegenwart weitgehend auf eine islamwissenschaftliche regionale und sprachliche Spezialisierung beschränkt. Bert Fragners Forschungs-, Lehr- und Organisationsarbeit hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Neuiranistik heute ein eigenständiges, breit angelegtes, polyphones und international etabliertes Forschungsfeld ist. Er hat sich für sein Fach international und in Österreich unermüdlich und mit großem Erfolg eingesetzt.

Bert Fragner war Vorsitzender der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Präsident der Societas Iranologica Europaea und Präsident der Österreichischen Orientgesellschaft Hammer-Purgstall. Der Lehrstuhl für Iranistik in Bamberg ist seiner Initiative zu verdanken. Ein Großteil der neuiranistischen Professuren in Deutschland und Frankreich sind mit seinen akademischen Schüler/innen und Enkelschüler/innen besetzt. Schließlich hat Bert Fragner mit der Gründung und dem Aufbau des Instituts für Iranistik an der ÖAW sein Fach endgültig in Österreich etabliert und damit zur Stärkung des Profils und der asienwissenschaftlichen Kompetenzen der Akademie Wesentliches beigetragen.

Anerkennung in Iran

Bert Fragner hat sich nie von anderen Disziplinen abgeschottet, sondern vielmehr dafür gesorgt, dass die neue Iranistik zu einer so notwendigen wie attraktiven Partnerin für die unmittelbaren Nachbardisziplinen ebenso wie für asien- und globalwissenschaftliche Fächer überhaupt geworden ist. Wenn eine neuzeitliche und moderne Asien- und Globalgeschichte ohne Iranistik heute nicht mehr zu rechtfertigen ist, hat er daran einen wesentlichen Anteil.

Zahlreiche Ehrungen sind Ausdruck der Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung in Österreich und in der Welt. Bemerkenswert ist die große Anerkennung und Wertschätzung, die seine wissenschaftliche Arbeit insbesondere auch in Iran findet.

Polyhistor und begnadeter Erzähler

Bert Fragner durfte für sich in Anspruch nehmen, ein Polyhistor zu sein, wie man ihn heute nur noch selten antrifft. Er war Iranist wie Globalhistoriker, Kulturhistoriker wie Literaturwissenschaftler, Sprachwissenschaftler wie Sozialanthropologe. Ob er sich nun mit der Geschichte einzelner Kulturpflanzen und deren jeweiligem kulturellen Setting oder dem intrinsischen Zusammenhang zwischen der Expansion des mongolischen Weltreichs und dem sowjetrussischen Rollback beschäftigte, mit Fragen der Ethnogenese und der Entstehung zentralasiatischer Staatsnationen auseinandersetzte, wissenschaftsgeschichtliche Fragen erörterte, religionsgeschichtliche Zusammenhänge thematisierte oder dem Persischen als Hegemonialsprache nachspürte, stets geschah dies mit einer unbeschreiblichen Dynamik die philologische und historische Kompetenz mit Verve und Tiefenschärfe kombinierte.

Dabei kamen Witz, Charme und Präsentationskunst nicht zu kurz. Er war nicht nur ein Meister des geschriebenen Wortes, sondern auch ein begnadeter Erzähler, der sofort zu fesseln wusste, dem der wache Geist aus den hellen Augen blitzte, wie auch die Mimik dem Gesagten Nachdruck verlieh. Es gab kaum eine historische Fragestellung, die er nicht mit ebenso klugen wie profunden Bemerkungen zu bereichern wusste. Dabei mag es ihm manchmal durchaus schwergefallen sein, sein überbordendes Wissen zu bändigen.

Bert Fragner hat wissenschaftlich Großartiges geleistet und sich doch stets seine Bodenständigkeit bewahrt. Er ist trotz gelebter Weltoffenheit und langjährigen Auslandsaufenthalten ein Homo Austriacus geblieben, dessen Wiener Charme sofort gefangen nahm und der mit listigem Blick sowohl den Unterschied zwischen „Allfälligem“ und „Verschiedenem“ in einer akademischen Tagesordnung als auch das Spannungsfeld zwischen einem „wirklichen“ und einem „ordentlichen“ Mitglied in einer akademischen Gesellschaft pointiert zu kommentieren wusste.

Wir werden ihn vermissen!
 

 

AUF EINEN BLICK

Florian Schwarz ist korrespondierendes Mitglied im Inland der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und seit 2010 Direktor des Instituts für Iranistik der ÖAW in Wien.

Robert Rollinger leitet das Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik der Universität Innsbruck. Er ist wirkliches Mitglied der ÖAW und Obmann der ÖAW-Kommission Transformationsprozesse und Imperium in den antiken Welten Afro-Eurasiens.