„Es gibt keine Kluft zwischen dem Wort und der Zahl“

Bei der Feierlichen Sitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am 16. Mai wurden ein Arbeitsprogramm präsentiert, Gegenwart und Zukunft der Forschung skizziert sowie dem Verhältnis zwischen Natur- und Geisteswissenschaften nachgespürt.

„Ordnung muss sein“, so begann Peter von Matt seinen Festvortrag zur Feierlichen Sitzung der ÖAW am 16. Mai.  „Zu den Leidenschaften des Menschen gehört das Bedürfnis, die Dinge der Welt zu klassifizieren. Die britische Armee zum Beispiel teilt alle Bäume in drei Arten ein: pine trees, palm trees und trees with a bushy top.“ Der nun auch mit dem Frankfurter Göthe-Preis 2014 ausgezeichnete Schweizer Literaturwissenschaftler widmete sich vor 300 Gästen im Festsaal allerdings nicht den militärischen Sichtweisen der Welt als vielmehr dem Streit der Fakultäten, der Discordia concors der Natur- und Geisteswissenschaften.

Von einem Streit war zuvor indes keine Rede. Im Gegenteil. Vor den Mitgliedern der Akademie, vor Repräsentanten ausländischer Akademien und Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kunst betonten Bundespräsident Heinz Fischer und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner ihr harmonisches Verhältnis zur Grundlagenforschung im allgemeinen, zur Akademie der Wissenschaften im Besonderen.

Bot der Bundespräsident einen gleichsam historischen Streifzug zu den letzten Jahrzehnten Wissenschafts- und Forschungspolitik in Österreich, so widmete sich der Wissenschaftsminister der aktuellen Situation. Und verband seine Analyse mit einem leidenschaftlichen Bekenntnis zum langfristigen Ausbau der Grundlagenforschung.

„Jeder hat das Recht, (…) am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben“

Ein Ball, den Anton Zeilinger dankend auf- und annahm. „Jeder hat das Recht, (…) am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben“, mit diesem Zitat aus der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte der Vereinten Nationen eröffnete der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften seine Rede.

Die ÖAW, so Zeilinger, habe den gesetzlichen Auftrag „die Wissenschaft in jeder Hinsicht zu fördern“. Diesem Auftrag kommt sie nach. In doppelter Hinsicht. Zum einen als Gelehrtengesellschaft, zum anderen als Trägerin außeruniversitärer Forschung. Gleichzeitig kommt sie dem Auftrag der Menschrechtserklärung nach. Die Akademie lasse ihre Expertise stark in den öffentlichen Diskurs einfließen, so Zeilinger: „Das internationale Schlagwort dafür lautet ,Science for Policy‘. Es sei an die Aufgabe der National Academy of Sciences der Vereinigten Staaten erinnert, deren Mission Statment es ist, ,to provide independent objective scientific advice to the government, whenever called upon by any government department ‘”.

Als Beispiele nannte Zeilinger ein gemeinsames Statement von acht Europäischen Wissenschaftskademien zum Thema “Mastering Demographic Change in Europe“ aber auch die Beteiligung der jungen Generation am politischen Prozess, die Stellung Europas in der Welt sowie die Sicherheit der IT-Infrastruktur.

„Unsere Vision heißt ,Campus Akademie‘“

Wissenschaft für die Gesellschaft. Wissenschaft inmitten der Gesellschaft. So lässt sich das Arbeitsprogramm Zeilingers zusammenfassen. Für die Gesellschaft, indem die Akademie sich einem weiteren und breiterem Publikum öffnet; indem sie gesellschaftsrelevante Themen behandelt. Inmitten der Gesellschaft, indem sie einen Ort der Auseinandersetzung schafft. „Unsere Vision heißt ,Campus Akademie‘, erklärte Zeilinger. Ein Zusammenschluss aus dem Hauptgebäude der Akademie, der Alten Burse in der Sonnenfelsgasse sowie der Gebäude vis-á-vis des Dr. Ignaz Seipel-Platzes und in der Postgasse. „Um“, betonte Zeilinger, „möglichst viele der Institute der Akademie hier anzusiedeln.“ Entstehen soll ein lebendiger und offener Dialogort der Wissenschaft. Dazu aber braucht es finanzielle Mittel.

Mittel, die über das jetzige Volumen hinausgehen. Eine „Politik der kleinen Schritt“ schlägt Zeilinger in diesem Zusammenhang vor. Jährliche Steigerungen von jeweils rund zehn Prozent. Damit seien längerfristige Ziele erreichbar. Vor allem in Hinblick auf den Ausbau der Infrastruktur.

„Es gibt keine Kluft zwischen dem Wort und der Zahl“ schloss schließlich von Matt seinen Vortrag. „Beide sind auf einander angewiesen. Sie sind Anfang und Ende aller Erkenntnis.“

Der Vortrag von Peter von Matt im Wortlaut