11.09.2023 | Klimaforschung
Ende der Legende: Die Fakten zum Klimawandel

Dieser Sommer hatte es in sich: Hitzewellen und Waldbrände, Überschwemmungen und Erdrutsche, Tornados und Stürme - und zwar quer durch Europa. All diese Wetterextreme haben einen gemeinsamen Auslöser: den menschengemachten Klimawandel.
Alles halb so schlimm? Waren die Sommer nicht auch früher schon heiß und haben die Wälder nicht immer wieder mal gebrannt? Und ist es nicht sowieso längst zu spät, um den Klimawandel zu stoppen? Irrglauben wie diese weit verbreitet - aber leicht zu entkräften: Wir haben Studien und Erkenntnisse aus der Wissenschaft zusammengetragen, die einige der gängigsten Falschbehauptungen widerlegen.
War das Klima nicht immer schon im Wandel?
War das Klima nicht immer schon im Wandel?
Ja, das Klima hat sich auch in der Vergangenheit verändert – allerdings wird die derzeitige rasche Erwärmung durch den Ausstoß der Treibhausgase (mit)verursacht und bewirkt, dass es in wenigen Jahrzehnten wärmer sein kann als in der letzten großen natürlichen Wärmeperiode, der Zwischeneiszeit. Damit kann auf der Erde ein Klima entstehen, wie es in der letzten Million Jahre nicht der Fall war.
Die Erhöhung von CO2 und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre ist in dieser Geschwindigkeit beispiellos in der Erdgeschichte.
In den vergangenen Millionen Jahren schwankte das Klima zwischen Eiszeiten und Warmzeiten, sogenannten glazial-interglazial-Zyklen, mit einer Periode von etwa 110.000 Jahren. Damit einher gingen das Wachstum und Schrumpfen massiver Eisdecken. Vor etwa 10.000 Jahren endete die letzte Eiszeit. Durch das als Eis gebundene Wasser, lag der Meeresspiegel damals etwa 130 Meter unter dem heutigen Niveau. Die globale Durchschnittstemperatur betrug rund fünf Grad weniger. Das Ökosystem des Planeten konnte sich an die neuen Gegebenheiten anpassen.
Ganz anders in den vergangenen 150 Jahren: In diesem kurzen Zeitraum hat sich die globale Mitteltemperatur um etwa 1 Grad Celsius erhöht. Der starke und schnelle Anstieg ist durch die sogenannte anthropogene Erwärmung erklärbar – also durch die Erwärmung, die der Mensch verursacht. Die Erhöhung von CO2 und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre ist in dieser Geschwindigkeit beispiellos in der Erdgeschichte. Ökosysteme haben bei einem solch schnellen Tempo, kaum Möglichkeiten, um sich anzupassen.
Die Natur ist anpassungsfähig, kann sich unser Leben nicht einfach an den Klimawandel anpassen?
Die Natur ist anpassungsfähig, kann sich unser Leben nicht einfach an den Klimawandel anpassen?
Tiere und Pflanzen passen sich bereits an den Klimawandel an. Aufgrund der Klimaerhitzung der vergangenen Jahrzehnte haben sich die Verbreitungsgebiete von Tier- und Pflanzenarten weg vom Äquator und in Richtung der Pole verschoben. In den Bergen wandert die Lebewelt nach oben. Weil sich in vielen Regionen die Schnee- und Frostperioden verkürzen, bringen Tiere ihren Nachwuchs früher zur Welt und Pflanzen blühen früher.
Die Anpassungsfähigkeit der Arten stößt an ihre Grenzen.
Aber: Die Anpassungsfähigkeit der Arten stößt an ihre Grenzen. Zum einen verläuft der aktuelle Klimawandel, der durch den menschengemachten Ausstoß von Treibhausgasen verursacht ist, schneller als die meisten natürlichen Klimaveränderungen in der Erdgeschichte. Laut einer Studie aus dem Jahr 2013 müssten sich heutige Arten bis Ende dieses Jahrhunderts mehrere Tausend mal schneller anpassen, als sie es typischerweise in der Vergangenheit taten. Zum anderen stehen viele Arten infolge des Verlusts von Lebensräumen, Umweltverschmutzung etc. zusätzlich stark unter Druck.
Und auch für uns Menschen stellt der Klimawandel ein zusätzliches Gesundheitsrisiko dar. Bei anhaltend hoher Lufttemperatur während Hitzeperioden versagt ab einem bestimmten Punkt die Regulation unserer Körpertemperatur. Als Folge von Hitzebelastung können bei empfindlichen Personen Regulationsstörungen und Kreislaufprobleme auftreten. Während extremer Hitze werden schon jetzt vermehrt Rettungseinsätze registriert. Einer Studie im Fachjournal „Nature Medicine“ zufolge hat es im Sommer 2022 in Europa mehr als 60.000 hitzebezogene Todesfälle gegeben.
Anpassen können sich auch nicht jene Menschen, die in Küstenregionen leben. Länder wie China, Vietnam oder Bangladesch haben sehr flache Küsten und sind deshalb besonders verletzlich, überflutet zu werden. Aufgrund von häufiger auftretenden Extremwetterereignissen wie Stürmen, Fluten oder Dürren könnten heute dicht besiedelte Regionen, etwa in Indien und Pakistan, unbewohnbar werden. Eine Flutkatastrophe in Pakistan sorgte 2022 wochenlang für anhaltendes Hochwasser. Zeitweise stand ein Drittel des Landes unter Wasser. Aber auch in Europa gab es immer wieder extremes Wetter mit katastrophalen Folgen, wie zuletzt im Sommer 2023 in Südösterreich und Slowenien.
Wie stark ist Österreich tatsächlich vom Klimawandel betroffen?
Wie stark ist Österreich tatsächlich vom Klimawandel betroffen?
Längst sind die Auswirkungen der Erderhitzung auch bei uns spürbar. Als Binnenland passiert der Temperaturanstieg in Österreich schneller als im globalen Durchschnitt. Dabei hat sich die Zahl der Hitzetage seit 1961, an denen es 30 Grad oder mehr hat, verdoppelt bis verdreifacht. Während von 1961 bis 1990 bereits 20 Hitzetage in den Landeshauptstädten als Rekordwert galten, wurde dies bis 2020 schon als normal angesehen. Besonders heiße Sommer zählen jetzt mehr als 40 Hitzetage.
Zu erwarten sind bis zu 80 Hitzetage im Jahr.
Daten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zeigen, dass ohne eine globale Reduktion der Treibhausgasemissionen mit einer weiteren Verdoppelung der Hitzetage bis 2100 in Österreich zu rechnen ist. Zu erwarten sind heiße, trockenere Sommer mit etwa doppelt so vielen Tagen über 30 Grad Celsius wie bisher, also bis zu 80 Hitzetagen im Jahr. Die Winter werden durchschnittlich weniger kalt und damit weniger schneereich.
Eine der Folgen: vertrocknete Wälder und Seen. Eine weitere Folge des Temperaturanstiegs und der veränderten Niederschlagssituation ist der sichtbare Rückgang der alpinen Gletscher in den Alpen. Das bedeutet vor allem einen Verlust natürlicher Wasserspeicher.
Durch den Klimawandel tauen auch zahlreiche Permafrostböden auf, die nicht nur zu einer zunehmenden Gefahr von Bergstürzen in alpinen Regionen führen, sondern auch enorme Gasmengen freisetzen, die die Klimaerhitzung zusätzlich anfeuern.
Zunehmende Hitze- und Dürreperioden sowie andere Extremwetterereignisse wirken sich auch in Österreich auf die Lebensmittelproduktion aus. Ertragseinbußen könnten zukünftig zum normalen Wirtschaften gehören. Hinzu kommt vermehrter Schädlingsbefall. Ähnliches gilt auch für die Forstwirtschaft. Die häufigste heimische Baumart, die Fichte, leidet schon jetzt unter Schädlingen und Trockenstress. Auch könnten Waldbrände im Sommer zu einer Bedrohung in Österreich werden.
Ist es nicht schon zu spät, den Klimawandel noch aufzuhalten?
Ist es nicht schon zu spät, den Klimawandel noch aufzuhalten?
Jede Einsparung der Treibhausgasemissionen verbessert die Situation.
Jede Einsparung der Treibhausgasemissionen verbessert die Situation. Für die Gletscher Europas etwa macht jedes halbe Grad einen Unterschied, sind sie bei zwei Grad zum Ende des Jahrhunderts noch regenerationsfähig, mach jedes zusätzliche Grad die Prozesse immer schwieriger zu managen und immer unumkehrbarer. Laut einem Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) muss die Menschheit von jetzt an ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis etwa zum Jahr 2050 um 40 bis 70 Prozent senken, um nicht mehr rückholbare Veränderungen des Klimas zu verhindern. Erst wenn keine neuen Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangen, können die Risiken der Klimawandelfolgen reduziert werden.
Was bedeutet eigentlich Klimaneutralität?
Was bedeutet eigentlich Klimaneutralität?
55 Staaten verpflichten sich, nicht mehr Treibhausgase auszustoßen, als aus der Atmosphäre abgebaut werden kann.
Im Pariser Klimaabkommen von 2015 einigten sich die unterzeichnenden Staaten, darunter Österreich, Deutschland und die Schweiz, bis 2050 klimaneutral zu werden. 55 Staaten, die mindestens 55 Prozent der globalen Treibhausgase emittieren, verpflichten sich bis dahin nicht mehr Treibhausgase auszustoßen, als aus der Atmosphäre abgebaut werden kann.
Dieser Ausgleich wird als CO2-Neutralität, Treibhausgasneutralität oder auch Klimaneutralität bezeichnet. Allerdings werden die Begriffe nicht immer eindeutig verwendet. Während manche Staaten und Unternehmen auch andere Treibhausgase berücksichtigen, dabei aber von CO2-Neutralität sprechen, verwenden andere den Begriff Klimaneutralität, während sie genau genommen nur die CO2-Emissionen ausgleichen.
Was hat die Klimakrise mit Artensterben zu tun?
Was hat die Klimakrise mit Artensterben zu tun?
Je mehr Klimaschutz, desto weniger Bedrohung der Artenvielfalt.
Je mehr Klimaschutz, desto weniger Bedrohung der Artenvielfalt. Eine großangelegte Studie hat vor zehn Jahren zu rund 100.000 Tier- und Pflanzenarten erhoben, womit bei zunehmender Erderwärmung zu rechnen ist: Sollten Treibhausgase bis zum Jahr 2080 ungebremst ausgestoßen werden, muss für rund 57 Prozent der Pflanzen- und rund 34 Prozent der Tierarten damit gerechnet werden, dass sie die Hälfte ihrer Lebensräume einbüßen.
Der Studie zufolge, wären die Lebensraumverluste um bis zu 60 Prozent geringer ausgefallen, wenn die Emissionen schon ab 2016 gesunken wären. Würde der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 sinken, würden immerhin noch 40 Prozent der Verluste vermieden werden. Das Fazit der Studie lautete: „Ohne Klimaschutz ist mit großen Einschränkungen selbst für heute weit verbreitete Arten zu rechnen. Dies läuft auf einen erheblichen weltweiten Verlust an Artenvielfalt hinaus.“
Wann welche Arten aussterben, lässt sich schwer beziffern. Erderhitzung ist einer der Treiber des Artensterbens. Weitere Ursachen sind der Lebensraumverlust durch intensive Landwirtschaft, Bergbau oder sich ausbreitende Städte, Bodenversiegelung und Übernutzung der natürlichen Ressourcen wie Überfischung und Wilderei, aber auch die Umweltverschmutzung sowie eingeschleppte, invasive Arten.
Hat es nicht schon immer Hitzewellen, Trockenheit und starke Regenfälle gegeben?
Hat es nicht schon immer Hitzewellen, Trockenheit und starke Regenfälle gegeben?
Eine maximale Hitze wie im Juli 2023 wäre praktisch unmöglich gewesen.
Waldbrände, Dürre, Überschwemmungen: Solche Extremwetterereignisse sind im Zuge der menschengemachten Klimakrise wesentlich wahrscheinlicher geworden. Zu diesem Befund kommt eine neue Studie der Initiative World Weather Attribution (WWA). Ihr zufolge haben Hitzewellen in Europa und den USA eine mindestens 950- bis 4.400-mal höhere Wahrscheinlichkeit erlangt.
„Eine maximale Hitze wie im Juli 2023 wäre in der Region USA/Mexiko und in Südeuropa praktisch unmöglich gewesen, wenn der Mensch den Planeten nicht durch die Verbrennung fossiler Energieträger erwärmt hätte", heißt es in der Studie.
Kann Geoengineering das Klima retten?
Kann Geoengineering das Klima retten?
Geoengineering birgt viele Unklarheiten und Risiken.
Geoengineering will mit einem Set an technologischen Möglichkeiten das Klima gezielt verändern, um die Erderwärmung abzuschwächen. Die Ansätze sind zum Teil sehr umstritten. Eine diskutierte Möglichkeit ist es, Schwefeldioxid mit Flugzeugen in der Stratosphäre zu versprühen. Die dabei entstehenden Schwebeteilchen würden sich wie eine Art Sonnenschirm in die Atmosphäre legen und Sonnenstrahlen reflektieren. Die Erde könnte dadurch angeblich um ein bis zwei Grad abgekühlt werden.
Unvorhersehbar sind jedoch die Nebenwirkungen solcher Maßnahmen: Niederschlagsmuster würden dadurch verändert, die Ozonschicht beschädigt und die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen würden grundlegend verändert werden. Die Schäden wären irreparabel. Geoengineering birgt also viele Unklarheiten und Risiken. Bisher zurückhaltend hat sich auch der Weltklimarat (IPCC) zum Thema Geoengineering geäußert.