Wie Schwangere jetzt im Labor arbeiten können
31.07.2024
Eine Schwangerschaft ist eine gravierende Veränderung im Leben. Doch während schwangere Personen, die im Büro arbeiten, erst acht Wochen vor dem errechneten Geburtstermin in Mutterschutz gehen, trifft es Frauen und schwangere Personen in der Wissenschaft oft unvorbereitet: Sie müssen sofort nach Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft das Labor verlassen. Viele Chemikalien, mit denen hantiert wird, können nämlich schädigend oder krebserregend für das ungeborene Kind sein. Ob Forschende nun im Team oder allein an einem Projekt arbeiten, bedeutet Schwangerschaft einen harten Einschnitt in ihrem Arbeitsalltag und ihrer wissenschaftlichen Karriere.
Abhilfe soll nun ein sogenanntes Schwangerenlabor schaffen, das am Vienna Biocenter eingerichtet wurde. Betrieben und genutzt wird es gemeinsam von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und ihren beiden Life Sciences-Instituten, dem Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) und dem Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) sowie vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) und den Vienna Biocenter Core Facilities. Wie das konkret aussieht, erklärt Amina Zankel, Head of Environment, Health and Safety des GMI, IMBA und IMP im Gespräch.
Kein Karriereknick durch Schwangerschaft mehr
Ist eine Schwangerschaft ein möglicher Karriereknick für Forschende?
Amina Zankel: Auf jeden Fall, gerade im PhD-Programm beobachten wir, dass kaum jemand schwanger wird. Für Forschende stellt sich die Frage, wie gut oder wie schnell sie dann ihre Ausbildung noch fertig machen können. Vielleicht arbeitet dann jemand anders an ihrem Thema weiter. Der Zeitdruck ist heute größer geworden, durch die globale Vernetzung gibt es Forschende, die an ähnlichen Themen arbeiten, die vielleicht früher Ergebnisse vorlegen können. Doch Postdocs sind vermehrt gewillt, Familie und Forschung unter einen Hut zu bringen.
Wenige Student:innen werden spontan schwanger, das ist meist genau geplant.
Ab wann dürfen schwangere Personen nicht mehr ins Labor?
Zankel: Ab dem Zeitpunkt der Meldung ihrer Schwangerschaft. Ich glaube, das ist vielen vorher gar nicht bewusst, wie schnell es dann geht, dass der Laborplatz geräumt werden muss. Man kann ein Labor nämlich sehr schwer sicher machen, weil eben auch andere darin arbeiten. Nicht nur chemische und biologische Stoffe sind gefährlich, es lauern auch physikalische Gefahren wie z. B. Kälteverbrennungen von flüssigem Stickstoff. Früher haben Gruppenleiter:innen, die ja meist als Erste von der Schwangerschaft erfahren haben, gewollt oder ungewollt Druck ausgeübt um ein Projekt voranzutreiben. Schwangerschaften wurden also erst viel später gemeldet. Mittlerweile wissen die Schwangeren, dass es massiv um die Sicherheit ihres ungeborenen Kindes geht. Gerade die ersten 16 Wochen sind die gefährlichste Phase.
Sicherheit geht vor
Wie sehen Schwangerenlabore aus?
Zankel: Wir haben einen eigenen Laborbereich am Campus, der für vier Institute zugänglich ist. Darin ist jegliches Arbeiten mit gefährlichen Stoffen verboten. Auch die Lagerung von gefährlichen Stoffen ist nicht erlaubt – und da darf auch niemand anderer arbeiten. Wir nennen es deshalb auch ein Safety Lab. Mittlerweile haben wir schon einige Erfahrung, aber jede neue Substanz muss genau unter die Lupe genommen werden, eine Gefahr muss ausgeschlossen werden können, bevor man einen Stoff freigibt. Manchmal geht es aber auch einfach um Konzentrationen. Chemikalien können in konzentrierter Form zu gefährlich sein, d.h. jemand muss die Forschenden unterstützten und ihnen die verdünnten Lösungen vorbereiten.
Schwangere sind weiterhin komplett eingebettet in ihre Forschungsgruppe.
Ist man in Schwangerenlaboren nicht isoliert von der Gruppe, in der man arbeitet?
Zankel: Das neue Gebäude ist so konstruiert, dass wir Großraumlabore haben, und es gibt einen großen Officebereich, der sehr offen gestaltet ist. Da sitzen mehrere Gruppen zusammen, auch Schwangere können sich dort weiterhin austauschen. Das heißt, sie sind komplett eingebettet in ihre Forschungsgruppe. Ansonsten haben wir neben dem Sicherheitslabor für die schwangeren Mitarbeiter:innen auch einen Bürobereich samt kleiner Küchenzeile. Das ist Rückzugsort: Wenn der Kreislauf Probleme macht, kann man den Hunger stillen. Oder man kann Milch abpumpen und im Kühlschrank lagern. Das sind kleine Schritte, die aber enorm wichtig sind.
Forschung wird familienfreundlicher
Wie familienfreundlich ist die Forschung dann nach der Geburt?
Zankel: Natürlich sind befristete Verträge ein Problem, oder dass man unter Zeitdruck forschen muss. Deshalb werden auch wenige Forschende spontan schwanger, das ist meist genau geplant. Viele kommen aus anderen Teilen der Welt, sie sehen die finanzielle Unterstützung während des Mutterschutzes und in der Karenz sehr positiv, da sie es von zu Hause vielleicht nicht kennen. Aber unseren Familien ist eben sehr wichtig, den Familienalltag bestmöglich mit ihrem Berufsleben zu verbinden. Auch unser Campus ist in den letzten Jahren noch familienfreundlicher geworden. Wir haben ein Child Care Center für Kinder von 3 Monaten bis 6 Jahren vor Ort, einen kinderfreundlichen Seminarraum sowie Stillräume. Und wir stellen Hilfe und Informationen zur Verfügung.
AUF EINEN BLICK
Amina Zankel studierte an der Universität Wien und ist Head of Environment, Health and Safety des IMP und der beiden ÖAW-Institute GMI und IMBA am Vienna Biocenter.