Wie Pflanzen Hitze überstehen: Neues Protein für Stressresistenz entdeckt
01.12.2025
Wie schützen sich Pflanzen vor extremer Hitze? Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Yasin Dagdas vom GMI – Gregor –Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat einen wichtigen Baustein des Schutzsystems von Pflanzen genauer entschlüsselt. Das Team zeigt: Ein Protein namens CESAR spielt eine zentrale Rolle dabei, beschädigte Proteine, die sich in der Pflanzenzelle verklumpen, abzubauen. Eine Publikation dazu ist kürzlich im Fachjournal "Development Cell" erschienen.
Wie sich Pflanzen schützen
Hitze, Trockenheit oder Krankheitserreger sind nur einige der Stressfaktoren, mit denen Pflanzen zurechtkommen müssen. Belastende Bedingungen können Proteine zerstören, die sich dann in den Zellen ansammeln und lebenswichtige Prozesse aus dem Gleichgewicht bringen. Damit das nicht passiert, besitzen Pflanzen einen hochpräzisen „Reinigungsmechanismus“: die selektive Autophagie. Bei diesem Prozess werden Bestandteile der Zelle durch SARs (selektive Autophagie-Rezeptoren) markiert und abgebaut. Die SAR-Helferproteine erkennen, welche Zellkomponenten beschädigt oder unnötig sind, und leiten sie zur Entsorgung weiter.
SARs kommen auch im Tierreich vor und sind dort bereits viel besser untersucht. Aber Pflanzen haben ihre eigenen SAR-Versionen. Manche ähneln jenen der Tiere, andere sind völlig anders. Dadurch, dass viele SARs bei Pflanzen bislang unbekannt waren, war es auch nicht möglich, die selektive Autophagie bei Pflanzen zu modulieren, um deren Stresstoleranz zu verbessern.
Auf der Spur der Helferproteine
„In unserer Arbeit wollten wir vor allem neue Rezeptoren identifizieren – und verstehen, an welchen Prozessen sie beteiligt sind“, erklärt Marintia Mayola Nava-García aus dem Dagdas-Team. „Gerade wegen des Klimawandels, der Hitzewellen, die in Zukunft kommen werden und bereits jetzt schon auftreten, wollen wir verstehen, wie sich Pflanzen mithilfe selektiver Autophagie mit ihrer Umwelt abstimmen und sich anpassen können“, sagt die Wissenschaftlerin.
Yasin Dagdas und seine Kolleg:innen haben nun eine Methode entwickelt, um solche bisher verborgenen pflanzlichen SARs aufzuspüren. In Kooperation mit der Proteomics Facility des Vienna Biocenter untersuchten sie fünf Pflanzenarten von sehr unterschiedlichen Organisationsstufen, darunter Grünalgen, Moose und Blütenpflanzen. Sie wollten dabei herausfinden, welche Proteine mit der Autophagie-Proteinfamilie ATG8 interagieren. Davon gibt allerdings sehr viele. „Damit wir wirklich nur die als SAR in Frage kommenden Proteine finden, mussten wir die enorme Liste möglicher ATG8-Interaktionspartner reduzieren“, erklärt Nava-García.
Dies gelang schließlich durch einen neu entwickelten Ansatz, mit dem die Forschenden ausschließlich Proteine identifizieren konnten, die ATG8 auf funktionelle Weise binden. Mit diesem Ansatz entdeckte das Team um Yasin Dagdas CESAR, einen besonders wichtigen Rezeptor der selektiven Autophagie.
Von der Grundlagenforschung zur klimaresilienten Landwirtschaft
„CESAR ist in vier der fünf getesteten Arten als einer der stärksten Interaktionspartner mit ATG8 aufgetaucht – das war sofort ein Hinweis darauf, dass dieses Protein wichtig sein könnte“, sagt Nava-García. CESAR hilft dabei, Proteine zu beseitigen, die durch Hitzestress beschädigt wurden. Pflanzen ohne CESAR reagieren deutlich empfindlicher auf hohe Temperaturen.
Die neuen Ergebnisse legen nahe, dass der selektive Autophagie Rezeptor CESAR essenziell dafür ist, das physiologische Proteingleichgewicht in den Zellen unter extremen Bedingungen zu erhalten. Sie könnten langfristig dazu beitragen, Nutzpflanzen für die Landwirtschaft zu entwickeln, die widerstandsfähiger gegen Hitze und andere Stressbedingungen sind – ein dringendes Ziel angesichts zunehmender Hitzewellen und klimabedingter Ernteausfälle.
Neben CESAR fanden die Forschenden viele weitere potenzielle SARs. Dadurch erweitert sich das Repertoire selektiver Autophagie Rezeptoren bei Pflanzen deutlich. Diese Ressource steht nun der Forschung zur Verfügung, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Widerstandsfähigkeit von Pflanzen besser zu verstehen und in weiterer Folge zu mildern.
Auf einen Blick
Publikation
Sánchez de Medina Hernández, V., Nava-García, M. M., Dagdas, Y. et al. Cross-species interactome analysis uncovers a conserved selective autophagy mechanism for protein quality control in plants. Developmental Cell, 2025
DOI: 10.1016/j.devcel.2025.11.001
