Welchen Einfluss wird eine zweite Trump-Präsidentschaft auf die wissenschaftliche Forschung in den USA haben? Diese brisante Frage beantworteten acht ÖAW-Mitglieder, die in den Vereinigten Staaten leben und arbeiten, einige von ihnen haben bereits die erste Amtszeit von Donald Trump erlebt.
Vorweg: Nicht alle blicken skeptisch in die Zukunft. Die USA werden die größte Wissenschaftsnation bleiben. Dennoch rechnet ein Großteil mit Kürzungen bei der Grundlagenforschung und Umstrukturierungen, so würde wahrscheinlich bei den angewandten Wissenschaften, etwa im Bereich der alternativen Energiequellen und der Umwelt der Sparstift angesetzt werden. Es wird aber auch thematisiert, welche Auswirkungen eine massiv von der Politik geschürte Wissenschaftsfeindlichkeit für das Ansehen der Forschung bedeutet.
Abwanderung von Talenten?
So fragt der österreichische Biologe Günter P. Wagner, Professor an der Universität Yale, welche Rolle wissenschaftliche Fakten und Forschung während Trumps Amtszeit und darüber hinaus spielen werden. „Wird es einen Versuch geben, das offene Spiel der Forschung und der empirischen Beweise durch Aussagen zu ersetzen, die auf der Loyalität gegenüber den Meinungen der politisch Mächtigen basieren? Oder wird die Wissenschaft in der Lage sein, ihre Rolle als unparteiischer Schiedsrichter rationaler Argumente und empirisch fundierter Ratschläge für die Mächtigen beizubehalten?“
Die Ablehnung wissenschaftlicher Talente, unabhängig von ihrem Geburtsort und ihrer Hautfarbe, hat Nationen schon immer geschadet. – Günter P. Wagner (Yale)
In der Geschichte gibt es für ihn viele Beispiele dafür, dass die erzwungene Loyalität gegenüber einer Ideologie die Wissenschaft verzerrt hat. „Während der Naziherrschaft in Deutschland sorgte die Unterdrückung der ‘jüdischen Physik' (Quantenphysik und Relativitätstheorie) dafür, dass die physikalischen und technischen Innovationen im Nachkriegsdeutschland und -österreich jahrzehntelang auf der Strecke blieben“, so Wagner. „Die Ablehnung wissenschaftlicher Talente, unabhängig von ihrem Geburtsort und ihrer Hautfarbe, hat Nationen schon immer geschadet. Etwa ein Drittel der Mitglieder der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA sind im Ausland geboren, ein Anteil, der weit höher ist als der von (legalen) Einwanderer:innen in die USA.“
Juan Roederer, Professor für Physik an der Universität von Alaska Fairbanks, ist überzeugt, dass es zu einer „drastischen Kürzung der Bundesmittel für die Grundlagenforschung in allen Disziplinen“, kommen wird, was eine Abwanderung führender Wissenschaftler:innen in der Grundlagenforschung nach Europa, Kanada und sogar China bedeuten könnte. Seiner Meinung nach wird es zu einer Verlagerung kommen, während Bundesmittel für Ingenieurwissenschaften, Rechtswissenschaften, Medizin und Wirtschaftswissenschaften aufgestockt werden, gibt es Streichung für Geisteswissenschaften, Umweltwissenschaften, Kunst und Politikwissenschaften. Aber auch außerhalb der Universitäten sieht Roeder langfristige Auswirkungen auf die wissenschaftliche Forschung, etwa durch eine Streichung der Bundesmittel für öffentliche Schulen im ganzen Land und Übertragung aller Zuständigkeiten an die Länder und Kommunen.
Don’t Panic!
Entwarnung gibt hingegen der Historiker Norman M. Naimark, der seit 1988 an der Stanford University lehrt. „Als Trump das letzte Mal gewählt wurde, gab es eine ziemliche Panik, dass die Forschungsfinanzierung ernsthaft gefährdet sein würde. Davon ist nur sehr wenig eingetreten“, betont er. Während er die Grundlagenforschung weitgehend unangetastet sieht, wird Trump seiner Meinung nach aber sehr wohl bei den angewandten Wissenschaften, etwa im Bereich der alternativen Energiequellen und der Umwelt den Sparstift ansetzen. Aber hier könnte die Privatwirtschaft den Rückstand aufholen.
„Angesichts des zu erwartenden Einflusses von Robert Kennedy in der Regierung könnte es auch Probleme bei der Finanzierung von biowissenschaftlichen Einrichtungen wie der CDC (Centers for Disease Control and Prevention) und der NEH (National Endowment for the Humanities) geben. Ich kann mir vorstellen, dass die Forscher:innen in den Biowissenschaften im Moment sehr nervös sind“, analysiert Naimark. „Die Finanzierung von Geschichte (meinem Fachgebiet), Geisteswissenschaften und sozialwissenschaftlicher Forschung hat während der ersten Trump-Regierung nicht nennenswert gelitten, und ich vermute, dass dies auch dieses Mal so sein wird.“
Weniger Geld für Forschung droht
Der Mittelalterexperte Patrick J. Geary, der am Institute for Advanced Study in Princeton lehrt, sieht das pessimistischer: „Angesichts der allgemeinen Wissenschaftsfeindlichkeit in populistischen Bewegungen, wie sie derzeit die amerikanische Wählerschaft beherrschen, kann man auch mit erheblichen Kürzungen der Budgets von bisher gut finanzierten naturwissenschaftlichen Programmen rechnen.“ Womöglich unterscheidet sich Trumps zweite Amtszeit auch in Sachen Impfstoffe: „Die erste Trump-Administration spielte zwar eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Einführung der COVID-19-Impfstoffe, doch wenn einige der hochrangigen Berater des Kandidaten Trump tatsächlich Teil seiner Regierung werden, ist mit einem radikalen Rückgang der Programme zu rechnen, die entweder neue Impfstoffe oder Impfprogramme im Allgemeinen entwickeln und fördern, was zu einer erheblichen Zunahme von Infektionskrankheiten, insbesondere bei Kindern, führen wird.“
Trump hat wiederholt gesagt, dass er die Finanzierung der Wissenschaft kürzen würde, weil er nicht an wissenschaftliche Fakten glaubt. - Shuguang Zhang (MIT)
Shuguang Zhang ist Biochemiker am MIT Media Lab und ebenfalls skeptisch: „Trump hat wiederholt gesagt, dass er die Finanzierung der Wissenschaft kürzen würde, weil er nicht an wissenschaftliche Fakten glaubt. Während seiner letzten Amtszeit hat er mehrmals versucht, den NIH-Haushalt (National Institutes of Health) um 18 Prozent zu kürzen, aber der Haushalt wurde vom US-Kongress gerettet.“ Amerika könnte seiner Meinung nach damit aber auch eine wichtige wissenschaftliche Spitzenposition einbüßen: „Die USA sind das führende Land, wenn es darum geht, von Neugier angetriebene Forschung zu betreiben, die zu zahlreichen technologischen Fortschritten geführt hat. Viele Länder, darunter auch China, legen den Schwerpunkt auf die angewandte Forschung, die weltweit keine derartigen Auswirkungen haben würde. Angewandte Forschung ist oft kurzfristig und risikoarm und führt wahrscheinlich nicht zu wissenschaftlichen und technologischen Durchbrüchen. Die von Neugier getriebene Forschung ist die Quelle einer neuen wissensbasierten Wirtschaft.“
Wahlkampf mit Wissenschaftsfeindlichkeit
Christoph Irmscher, Englisch-Professor an der Indiana University Bloomington, betont: „Während der letzten Trump-Regierung verließen Tausende von Wissenschaftler:innen den Staatsdienst, was die Funktionsfähigkeit von Regierungsbehörden wie der Umweltschutzbehörde stark beeinträchtigte. Politiker:innen arbeiteten aggressiv daran, das öffentliche Vertrauen in die Wissenschaft zu untergraben. Bei diesen Kampagnen ging es nie um Fakten, sondern immer um Wahrnehmungen, die von einer Verachtung für Elfenbeinturm-Wissenschaftler:innen geprägt waren, die scheinbar keinen Bezug zu den einfachen Menschen haben. Und sie wurden oft von Anti-Intellektualismus angeheizt. Jetzt erleben wir die Rückkehr des Trumpismus auf Steroiden.“
Jetzt erleben wir die Rückkehr des Trumpismus auf Steroiden. – Christoph Irmscher (Indiana University)
Als Historiker ist dieser politische Sieg für ihn ein Präzedenzfall. „Trump hat einen Wahlkampf geführt, der auf Ressentiments basierte, die nur sehr lose definiert waren. In seinen Reden, die vor Lust an der Beleidigung strotzen, wird die Empörung zum Party-Gag. Und in den Medienberichten werden Verben der Empörung endlos wiederverwendet. In meiner Arbeit habe ich mich bemüht, eine angemessene Antwort auf diesen Zynismus zu formulieren.“
USA bleiben Wissenschaftsnation
Diese Form der politischen Polarisierung sieht auch Peter Palese, Professor für Mikrobiologie an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York. Für die Grundlagenforschung gibt er aber zugleich Entwarnung – und nennt auch gleich ein Beispiel: „Fünf von sieben Nobelpreisträgern heuer waren aus den USA. Ich bin überzeugt, dass sich diese Entwicklung auch in den kommenden Jahren fortsetzen wird.“
Und Walter Scheidel, Professor für Geschichte an der Stanford University, sieht in der Wahl Trumps auch positive Aspekte: Dieser könnte in den Geistes- und Sozialwissenschaften eine kritische Selbstreflektion anstoßen und Forschende dazu bringen, ihre akademische „bubble“ zu verlassen und sich wieder stärker mit der breiten Öffentlichkeit in einen Diskurs zu begeben.
Hinweis: Die Statements wurden kurz vor bzw. nach der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA am 5. November 2024 eingeholt und spiegeln den Wissens- und Informationsstand zu diesem Zeitraum wider.