Maul- und Klauenseuche: So gefährlich ist die Viruserkrankung
07.04.2025
Ein Virus, das für Menschen ungefährlich ist, aber Tierbestände vernichtet und Schäden in Milliardenhöhe verursachen kann: Die Maul- und Klauenseuche (MKS) versetzt Europa in Alarmbereitschaft. Nur wenige Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt ist in Ungarn und der Slowakei die bedrohliche Infektionskrankheit ausgebrochen.
Andrea Buzanich-Ladinig, Professorin an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, erklärt im Interview, was die Seuche so gefährlich macht, wie sie übertragen wird – und warum die Schließung von Grenzübergängen und strenge Hygienemaßnahmen notwendig sind, obwohl in Österreich noch kein Fall aufgetreten ist.
Hohe Ansteckungsgefahr
Was genau ist die Maul- und Klauenseuche?
Andrea Buzanich-Ladinig: Die Maul- und Klauenseuche ist eine hoch ansteckende Viruserkrankung, die alle Klauentiere betrifft – also Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine, Kameliden, aber auch Tiere wie Elefanten, etwa im Zoo, können betroffen sein. Die Krankheit verläuft bei diesen Tieren sehr schwerwiegend: Sie haben hohes Fieber, fressen nicht mehr und entwickeln Blasen im Maulbereich, am Euter sowie an den Klauen. Diese Blasen platzen auf, die Schleimhäute lösen sich teilweise ab – das ist für die Tiere sehr schmerzhaft. Es kommt auch zu Lahmheiten, trächtige Tiere können abortieren.
Warum wird sie als so gefährlich eingestuft?
Buzanich-Ladinig: Das Gefährliche ist die hohe Ansteckungsrate – das Virus verbreitet sich rasant. Vor allem in den Blasen, die sich im Krankheitsverlauf bilden, steckt eine enorme Viruslast. Sobald diese Läsionen aufbrechen, wird das Virus massenhaft freigesetzt und kann leicht andere Tiere infizieren. Da es keine direkte Therapie gibt, kann man nur vorbeugen – etwa durch Impfungen. In Europa verfolgt man allerdings die Strategie der „Freiheit von der Krankheit“, das heißt: Wir impfen nicht, sondern versuchen, das Virus gar nicht erst ins Land zu lassen.
Übertragung durch Tröpfcheninfektion
Wie erfolgt denn die Übertragung?
Buzanich-Ladinig: Die Übertragung erfolgt klassisch über Tröpfcheninfektion – also über die Atemluft, aber auch über alle Körperausscheidungen. Die Viren können auf Personen, Fahrzeugen, Kleidung oder Geräten haften und so von einem Betrieb zum nächsten gelangen. Zudem ist auch eine Übertragung über kürzere Distanzen durch Wind möglich – das ist vor allem dann ein Problem, wenn Betriebe nahe beieinander liegen.
Die Maul- und Klauenseuche ist für den Menschen ungefährlich. Warum reagiert man trotzdem so streng?
Buzanich-Ladinig: Für den Menschen ist das Virus grundsätzlich ungefährlich. Die strikten Maßnahmen sind rein aus tiergesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen notwendig – zum Schutz der Tierbestände und der Landwirtschaft. Auch das Tierwohl spielt eine Rolle – das Leid in betroffenen Betrieben ist erheblich.
Im Ernstfall würden massive wirtschaftliche Schäden entstehen.
Die Schließung von 23 Grenzübergängen klingt sehr drastisch – ist das aus veterinärmedizinischer Sicht gerechtfertigt?
Buzanich-Ladinig: Ja, absolut. Man muss sich klarmachen, was es bedeutet, wenn das Virus nach Österreich gelangt. Schon jetzt, obwohl es in Österreich noch keinen Fall gibt, haben etwa Großbritannien und Japan Handelsrestriktionen verhängt – allein, weil wir in der Überwachungszone sind, die sich durch den nahen Ausbruch in Ungarn ergibt. Im Ernstfall würden massive wirtschaftliche Schäden entstehen: betroffene Tierbestände müssten gekeult, Betriebe dekontaminiert, Handelsströme gestoppt werden. Das verursacht enorme Kosten – auch für uns als Steuerzahler.
Risiko für Österreich
Wie groß ist das Risiko, dass das Virus nach Österreich eingeschleppt wird?
Buzanich-Ladinig: Es ist schwer, eine konkrete Wahrscheinlichkeit anzugeben, aber wir sprechen von einem Ausbruch mit 3.000 Tieren weniger als zehn Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Die Region ist zum Glück nicht sehr tierdicht, aber es gibt trotzdem zahlreiche empfängliche Tiere. Das Virus kann also über Luft, Menschen oder Materialien durchaus den Weg nach Österreich finden. Ein Ausbruch bei uns wäre leider keine Überraschung.
Auch wenn das Virus nicht immer tödlich ist, ist das Leid der Tiere enorm.
Was würde ein Ausbruch konkret bedeuten – für Landwirtschaft und Tierschutz?
Buzanich-Ladinig: Der wirtschaftliche Schaden wäre enorm, nicht nur durch Handelsstopps, sondern auch durch Entschädigungen, Dekontaminationen, Entsorgungskosten – letztlich zahlen das wir alle, die wir Steuern zahlen. Und auch der emotionale Schaden ist nicht zu unterschätzen – für die Landwirte ist so ein Verlust psychisch extrem belastend. Tierschutz ist natürlich ebenso betroffen: Auch wenn das Virus nicht immer tödlich ist, ist das Leid der Tiere enorm.
Desinfektionsmittel können helfen
Das Virus soll auch über Oberflächen oder Lebensmittel übertragbar sein. Wie realistisch ist das?
Buzanich-Ladinig: Das Risiko ist da – gerade deshalb gibt es verstärkte Kontrollen an den Grenzen. Empfängliche Tiere und Lebensmittel tierischer Herkunft dürfen nicht mehr einfach eingeführt werden. Die Gefahr liegt vor allem darin, dass Lebensmittelreste, etwa in Schweinefutter, landen. Das Virus überlebt in solchen Produkten teilweise recht lange. Zwar lässt es sich mit Desinfektionsmitteln relativ leicht inaktivieren, aber nur, wenn diese auch konsequent angewendet werden. Deshalb sind strenge Biosicherheitsmaßnahmen so wichtig.
Gibt es Parallelen zu anderen Tierseuchen wie der Afrikanischen Schweinepest oder Geflügelpest?
Buzanich-Ladinig: Ja, gewisse Parallelen gibt es – insbesondere beim Umgang mit Ausbrüchen. Aber Maul- und Klauenseuche, kurz MKS, ist noch einmal eine andere Hausnummer, was die Ansteckungsfähigkeit betrifft. Die Afrikanische Schweinepest etwa ist schwerer übertragbar. MKS verbreitet sich deutlich schneller und leichter – das macht sie so gefährlich. Auch wenn die Seuchenkontrollmaßnahmen ähnlich sind, ist die Dynamik eine andere.
Politik reagiert
Wie gut ist Österreich auf so eine Seuche vorbereitet? Gibt es einen Notfallplan?
Buzanich-Ladinig: Vor dem aktuellen Ausbruch hat in Österreich kaum jemand über MKS gesprochen – der letzte Fall liegt über 40 Jahre zurück. Im Fokus standen stattdessen die Afrikanische Schweinepest und die Geflügelpest, also die Vogelgrippe. Jetzt, mit dem Fall in Ungarn, hat das Ministerium aber schnell und professionell reagiert – aber klar ist auch: So eine Lage kann man nie vollständig vorhersehen, vor allem, wenn sie so plötzlich auftritt.
Was wünschen Sie sich im Umgang mit diesem Thema – von Politik, Öffentlichkeit und Medien?
Buzanich-Ladinig: Ich finde, die Politik hat bisher gut reagiert – schnell und klar. Auch die Kommunikation mit betroffenen Stakeholdern funktioniert gut. Von den Medien wünsche ich mir eine sachliche, unaufgeregte Berichterstattung: keine Panik, aber klare Information. Die Öffentlichkeit muss wissen, wo die Gefahren liegen – etwa beim privaten Import von Lebensmitteln oder durch fehlende Hygiene. Es geht um Aufklärung und Bewusstsein, nicht um Dramatisierung.
Auf einen Blick
Andrea Buzanich-Ladinig ist Professorin für Schweinemedizin am Klinischen Zentrum für Populationsmedizin bei Fisch, Schwein und Geflügel von der Veterinärmedizinischen Universität Wien, und leitet dort das Klinische Department für Nutztiere und Sicherheit von Lebensmittelsystemen.