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US-Starforscher: "Das Labor von Iron Man ist keine Science Fiction mehr"

Welches Potenzial bergen KI-Systeme in der biomedizinischen Forschung? Und was bietet Österreich, was die USA nicht haben? Wali Malik, Topforscher aus den USA und neuer Leiter des Robotics Labs des ÖAW-Instituts AITHYRA, gibt dazu Einblicke.

22.08.2025
Wali Malik blickt angelehnt an ein Regal in die Kamera
Wali Malik leitet künftig das Robotics Lab am AITHYRA. © ÖAW/Klaus Pichler

AITHYRA, das neue Forschungszentrum der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) für Biomedical Artificial Intelligence, wurde im September 2024 gegründet und befindet sich mitten in seiner Aufbauphase. Im Interview spricht Wali Malik, der frisch eingestellte Leiter des Robotics Lab von AITHYRA, über das Potenzial von KI-Systemen und Datenintegration im Forschungsalltag.

Wie wird man zum Experten für biomedizinische Robotik?

Wali Malik: Nach meinem Universitätsabschluss habe ich bei Astra Zeneca Antikörper entwickelt und getestet. Da ich einen starken Hintergrund in Programmieren und Ingenieurwissenschaften hatte, habe ich schnell gelernt, wie ich einen guten Teil dieser Arbeit mit einigen ungenutzten Robotern automatisieren konnte. Zudem habe ich auch die ersten Systeme zur Datenanalyse implementiert, zu einer Zeit, als die meisten Forscher:innen noch mit Collegeblöcken und Stift gearbeitet haben. Danach habe ich für Merck in den USA den Einsatz von Robotern in der Impstoffentwicklung implementiert. Später war ich als Automatisierungsberater bei GlaxoSmithKline tätig und habe Machine-Learning-unterstützte Forschung zu niedermolekularen Verbindungen gemacht. Wir haben eine robuste und automatisierte klinische Testplattform entwickelt, mit der kleine Teams aus Forscher:innen, Robotiker:innen und Datenanalysten effizient an neuen Durchbrüchen arbeiten. 

Robotik, künstliche Intelligenz und Wissenschaft

Welches Potenzial hat die Laborautomatisierung in der biomedizinischen Forschung?

Malik: Wir wollen jeden Prozess automatisieren, aber in den Lebenswissenschaften kann das mitunter sehr komplex werden. Wir machen in den Labors neue Entdeckungen, müssen die nächsten CRISPR-Enzyme finden, mit Daten von tausenden Bildern von Zellen und genetischen Informationen hantieren, Tierversuche durchführen und all diese Experimente und Datenquellen verknüpfen, um neue Wirkstoffe zu finden. Das Ziel von AITHYRA ist, dass alle Wissenschaftler:innen täglich Roboter nutzen, um neue Entdeckungen zu machen und Medikamente schneller und kostengünstiger zu entwickeln. Ich will hier eine erfolgreiche Verheiratung von Robotik, künstlicher Intelligenz und Wissenschaft erreichen. 

Die derzeitigen Verhältnisse in den USA wirken für die akademische Forschung sicher dämpfend.

Was macht die Arbeit im neuen Robotiklabor attraktiv?

Malik: Bei den großen Pharmafirmen war die Perspektive immer sehr zielgerichtet und der Raum für Innovationen war begrenzt. In einem akademischen Umfeld kann man die Grenzen des Möglichen viel leichter verschieben. Weil ich der erste Angestellte unseres neuen Robotiklabors bin, kann ich schon bevor die ersten Forscher:innen ihre Arbeit aufnehmen die Robotik- und Dateninfrastruktur aufbauen, die wir brauchen, um echte Innovationen zu erreichen. Das ist eine einmalige Chance für mich und die Führung des neuen Instituts teilt meine Vision. 

Haben die politischen Verhältnisse eine Rolle gespielt bei der Entscheidung, die USA zu verlassen?

Malik: Die derzeitigen Verhältnisse in den USA wirken für die akademische Forschung sicher dämpfend. Das war ein zusätzlicher Grund für mich, etwas Neues zu versuchen und Wien bietet ja bekanntermaßen eine hervorragende Lebensqualität. Dazu kommt, dass unser neues Institut hier langfristig finanziert ist und international eine Führungsrolle in unserem Bereich einnehmen wird. Wir können hier innovative Grundlagenforschung auf Spitzenniveau betreiben und das hat mich überzeugt. Und natürlich mussten auch meine Frau und Kinder zustimmen. Wir sind erst eine Woche hier, aber genießen den Lebensstil hier schon sehr, vor allem, weil ich nicht mehr täglich stundenlang pendeln muss. 

Open-Source und Zusammenarbeit

Was läuft bei AITHYRA anders als in der Pharmaindustrie?

Malik: Ich freue mich darauf, die Robotik- und Datenanalysewerkzeuge, die wir entwickeln, mit anderen Forscher:innen zu teilen. Ich kann hier auch das erste Mal frei publizieren, weil meine Arbeit für die Industrie immer proprietär war. Ich liebe Open-Source-Ansätze und Zusammenarbeit, weil man Wissen so optimal verbreiten kann. Wir wollen eine neue Generation von Forscher:innen und Ingenieur:innen ausbilden, damit sie Roboter, KI und Daten verstehen und nutzen können, um neue Innovationen anzuschieben. Die Pharmaindustrie produziert außerdem nicht genug Daten. Mein Ziel ist es, die Datengenerierung zu skalieren und die Infrastruktur zu schaffen, um entsprechende Analysewerkzeuge anwenden zu können. Wir wollen einen geschlossenen Experimentationskreislauf schaffen. 

Es geht um die Automatisierung des gesamten Forschungsprozesses.

Was ist das?

Malik: Es geht um die Automatisierung des gesamten Forschungsprozesses. Heute lesen Forscher:innen die relevante Literatur, um interessante Forschungsfragen zu finden. Ein LLM kann das viel schneller erledigen und Forschungsideen ausspucken. Danach können spezialisierte KI-Modelle Experimente designen, die dann von Robotern durchgeführt werden. So lassen sich große Experimente viel schneller durchführen und kleine Versuche können schnell hochskaliert werden. Die Forscher:innen sehen dann schneller, ob eine Idee funktioniert oder nicht und auch die Fehlschläge liefern interessante Daten, die uns helfen können herauszufinden, warum etwas nicht funktioniert. 

Was macht ein Roboter im Labor?

Malik: Die einfachsten Roboter in Labors sind Liquid-Handler, die Teil eines größeren Systems sind. Sie mischen Substanzen und bringen sie von einer Laborstation zur nächsten. Kollaborative Roboter sehen ähnlich aus wie in der Autoindustrie und können verschiedene Werkzeuge verwenden, um verschiedene Analysen durchzuführen. Menschenähnliche Roboter wie in Lagerhäusern gibt es auch. Diese Roboter erledigen ihre Handgriffe verlässlich und ohne Pause. Mit einem entsprechenden System kann ein/e Forscher:in zehn- oder gar hunderttausende Proben pro Monat testen. In Handarbeit wären dafür bis zu 100 Forscher:innen nötig, die jetzt freigespielt sind, um neue Medikamente zu entwickeln. Der Flaschenhals ist die Datenanalyse und Strategieentwicklung. Deshalb ist es so wichtig, dass Daten automatisch korrekt beschrieben und gespeichert werden. Erst durch die Kombination aus Daten, KI, Software und passenden Arbeitsabläufen können wir Effizienz dazugewinnen. 

Start der Forschungen

Wann kann das neue Robotiklabor den regulären Betrieb aufnehmen?

Malik: Ich hoffe, dass unser neues Labor innerhalb des ersten Jahres fertig ausgestattet sein wird. Gleich danach können wir beginnen, die große Datenmengen aus den neuen Instrumenten zu nutzen. Die ersten zwei neuen Forscher:innen werden in Kürze ihre Arbeit aufnehmen und helfen, die erste Forschungsplattform einzurichten. Wir suchen nach Kolleg:innen, die entweder bereits Erfahrung mit Robotik und Datenanalyse haben, oder sich darauf freuen, den Umgang mit diesen Werkzeugen zu lernen. Wir werden alle neuen Mitarbeiter:innen dabei unterstützen, Expert:innen auf diesem Gebiet zu werden. 

Wie wird sich die Arbeit für die Forscher:innen ändern?

Malik: Wir können virtuell neue Proteine designen, indem wir KI-Systeme verwenden, die auf Proteinfaltung spezialisiert sind. Dann können Roboter tausende Varianten auf einmal testen, um festzustellen, ob ein Protein in Zellkulturen Gene ein- oder ausschaltet. Dabei entstehen auch wertvolle Daten, die genau beschreiben, welche Eigenschaften und Wirkung ein Enzym hat. So wissen wir nicht nur, was funktioniert, sondern auch warum. Das Ziel ist es, das gesamte Labor mit Automatisierung zu integrieren. Das gesamte System kann dann durch ein KI-System gemanagt werden. 

Das ist eine Chance, die man nur einmal im Leben bekommt. 

Das klingt fast wie das Labor von Iron Man aus den Marvel Filmen, wo eine KI auf Zuruf Dinge designt und Experimente ausführt?

Malik: Das Labor von Iron Man ist tatsächlich keine Science Fiction mehr. Für isolierte Arbeitsschritte gibt es solche Systeme bereits und wir werden daran arbeiten, diese Technologie weiter zu verbessern. Wir wollen ein zentraler Knotenpunkt für KI-Robotik und datenbasierte Forschungsinfrastruktur werden. Wenn ein anderes Institut unsere Werkzeuge benötigt, werden wir gerne mit den Kolleg:innen dort zusammenarbeiten. Für komplexe Forschung, zum Beispiel im Bereich von virtuellen Zellen, ist unser Ansatz eine Grundvoraussetzung. Ich freue mich deshalb sehr, hier zu sein. Das ist eine Chance, die man nur einmal im Leben bekommt. 

 

Auf einen Blick

AITHYRA