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USARecht und Verfassung

Trump und das Ende der Demokratie

Werden die USA zur Diktatur? Wie wirksam sind die Checks and Balances noch? Und welche Warnsignale deuten auf einen autoritären Wandel hin? Eine verfassungsrechtliche Einordnung von Rechtswissenschaftler und ÖAW-Mitglied Thomas Olechowski.

04.07.2025
Donald Trump blickt mit einem zugekneiften Auge in die Kamera
Die Demokratie hat unter US-Präsident Donald Trump einen schweren Stand.

Seit seiner Amtseinführung im Januar 2025 hat US-Präsident Donald Trump zahlreiche politische und institutionelle Grenzen verschoben. Mit der Mehrheit im Kongress und einer loyalen Partei im Rücken agiert er weitgehend schrankenlos – auf Kosten rechtsstaatlicher Prinzipien, sagen Kritiker:innen.

Wie sieht die Lage nun tatsächlich aus juristischer Perspektive aus? Wie belastbar ist die US-Verfassung in der aktuellen Situation? Und wie wirksam sind die Mechanismen, die eigentlich vor Machtmissbrauch schützen sollen? Darauf antwortet Thomas Olechowski, Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Der österreichische Rechtshistoriker kennt die Situation aus erster Hand, nachdem er dieses Sommersemester als Gastprofessor an der Stanford University lehrte. 

Gewaltenteilung und Kontrolle

Wie lässt sich der aktuelle Zustand der Demokratie in den USA verfassungsrechtlich bewerten?

Thomas Olechowski: Das hängt stark davon ab, wie man Demokratie definiert. Wenn man Demokratie allein als das Recht zu wählen versteht und den Gewählten danach uneingeschränkte Handlungsfreiheit zugesteht, dann wäre formal gesehen alles in Ordnung. Donald Trump wurde 2024 nicht nur nach den Regeln des Wahlsystems gewählt, sondern er erhielt auch die Mehrheit der Stimmen der wahlberechtigten Bevölkerung – anders als 2016, wo er nur durch das Wahlsystem, nicht aber mit der absoluten Stimmenmehrheit gewann. Auch aktuell zeigen Umfragen, etwa der New York Times, dass viele Wähler:innen mit seiner Politik zufrieden sind. Zudem verfügen die Republikaner:innen in beiden Kammern des Kongresses über die Mehrheit.

Doch genau darin liegt das Problem: Trump hat faktisch freie Hand, es fehlt an wirksamen institutionellen Gegengewichten. Und hier stellt sich die grundsätzliche Frage: Reicht es für eine funktionierende Demokratie aus, regelmäßig Wahlen abzuhalten – oder bedarf es nicht vielmehr auch einer wirksamen Gewaltenteilung und gegenseitiger Kontrolle?

Der Präsident, das Parlament und die Gerichte sollten sich gegenseitig kontrollieren. Derzeit jedoch funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr richtig.

Welche juristischen Warnsignale deuten auf einen autoritären Wandel hin?

Olechowski: Ein zentrales rechtsstaatliches Prinzip ist die Machtverteilung zwischen den drei Gewalten: Exekutive, Legislative und Judikative. In den USA war dieses System unter dem Begriff „Checks and Balances“ jahrzehntelang vorbildlich. Der Präsident, das Parlament und die Gerichte sollten sich gegenseitig kontrollieren. Derzeit jedoch funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr richtig. Trump nutzt die Möglichkeit von Präsidialerlässen sehr weitreichend aus, oft auf Grundlage alter Gesetze, und wird dabei vom Parlament nicht eingeschränkt – weil er dort die Mehrheit hinter sich hat. Auch innerhalb seiner Partei erfährt er kaum Widerspruch. Das führt zu einem Zustand, der einer autokratischen Regierungsweise sehr nahekommt.

Wahlautokratie USA

Wird die USA also zu einer Diktatur?

Olechowski: Die Europäische Kommission hat in Bezug auf Ungarn einmal den Begriff „Wahlautokratie“ verwendet – ein durchaus treffender Begriff. Denn auch dort ist ein demokratisch gewählter Regierungschef an der Macht, der mit einer großen Parlamentsmehrheit grundlegende demokratische Kontrollmechanismen außer Kraft setzen kann. In den USA lässt sich derzeit eine ähnliche Entwicklung beobachten: ein gewählter Präsident, der seine Macht in einem Maß ausschöpft, das über den demokratischen Geist hinausgeht.

Man hat sich in der Verfassung darauf verlassen, dass die Machthabenden im „Geiste der Verfassung“ handeln mögen.

Gibt es verfassungsrechtliche Mechanismen, die den Demokratieabbau stoppen könnten?

Olechowski: Erschreckend wenig. Man hat sich in der Verfassung darauf verlassen, dass die Machthabenden im „Geiste der Verfassung“ handeln mögen. Der Wortlaut ist offen und lässt viel Interpretationsspielraum. Theoretisch existiert das Instrument des Amtsenthebungsverfahrens – doch realistisch ist das derzeit nicht. Trump hatte bereits zwei Impeachment-Verfahren „überstanden“, beide scheiterten an der Mehrheit im Senat. Auch der Oberste Gerichtshof bietet derzeit keine wirksame Kontrolle, denn sechs der neun Richter:innen wurden von republikanischen Präsidenten ernannt, drei davon direkt von Trump. Ihre Urteile zeigen bislang keine klare Tendenz, seine Macht nennenswert zu begrenzen.

Selbst wenn untergeordnete Gerichte gegen Trumps Maßnahmen entscheiden, ist das oft wirkungslos, solange der Supreme Court nicht mitzieht. Es bleibt die Hoffnung, dass das Gericht bei schwerwiegenden Verfassungsverstößen reagiert – doch bei umstrittenen Gesetzesauslegungen scheint es sich eher auf Trumps Seite zu stellen.

Macht und Ohnmacht der Gerichte

Inwiefern können Gerichte noch gegensteuern, wenn der Präsident Urteile ignoriert?

Olechowski: Die Judikative stößt dann schnell an ihre Grenzen. Die Gerichte haben keine eigene Durchsetzungsmacht. Ein anschauliches Beispiel lieferte Österreich vor wenigen Jahren: Als ein Minister sich weigerte, einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs Folge zu leisten, musste der Bundespräsident eingeschaltet werden, um das Urteil vollstrecken zu lassen. Solche Situationen zeigen, wie fragil rechtsstaatliche Prinzipien werden, wenn Organe der Exekutive nicht mitwirken. Die Justiz ist auf Kooperation angewiesen.

Ein Grund, warum gerichtliche Verfahren gegen Trump in den USA als kompliziert gelten?

Olechowski: Es gab verschiedene Anläufe, gerichtliche Schritte gegen Trump zu unternehmen. Aus europäischer Perspektive wirkt das amerikanische Justizsystem oft chaotisch – Urteile werden innerhalb weniger Stunden aufgehoben oder abgeändert, Zuständigkeiten sind unklar. Der Supreme Court ist nicht für alles zuständig, bei vielen Fragen spielen Gerichte auf Bundesstaatenebene eine größere Rolle. Doch auch hier stellt sich wieder die Durchsetzungsfrage: Wer vollstreckt Urteile, wenn andere Staatsorgane nicht kooperieren?

Unklare Situation bei der Nationalgarde 

Bei welchen Beispielen stellt sich denn konkret die Durchsetzungsfrage?

Olechowski: Ein aktuelles Beispiel ist die Nationalgarde. Eigentlich steht sie unter der Kontrolle der Gouverneure – aber unter bestimmten Bedingungen kann auch der Präsident eingreifen. Wer genau die Befehlsgewalt hat, ist nicht immer eindeutig geklärt.

Die Justiz muss unabhängig bleiben, darf sich nicht nach politischer Opportunität richten.

Ein besonders bezeichnender Fall ist das Urteil gegen Trump im Zusammenhang mit den Schweigegeldzahlungen im Fall „Stormy Daniels“. Trump wurde vom Obersten Gerichtshof des Bundesstaates New York rechtskräftig verurteilt, doch die Urteilsverkündung wurde auf einen Zeitpunkt nach der Wahl verschoben. Am Ende wurde eine symbolische Verurteilung ohne Strafe ausgesprochen – ein Vorgang, wie er in Europa kaum denkbar wäre. Damit hat sich die Justiz dem politischen Druck gebeugt, aus Angst vor möglichen Unruhen.

Aber genau das darf nicht geschehen. Die Justiz muss unabhängig bleiben, darf sich nicht nach politischer Opportunität richten. Das Bild der blinden Justitia heißt ja, dass das Recht ohne Ansehen der Person vollzogen werden soll. Sie ist eine der letzten Verteidigungslinien gegen den Abbau der Demokratie. Wenn selbst sie fällt, wird es wirklich gefährlich.

 

Auf einen Blick

Thomas Olechowski ist stv. Leiter der Forschungsstelle „Hans Kelsen und sein Kreis“ der Universität Wien und Universitätsprofessor für Österreichische und Europäische Rechtsgeschichte ebendort. Er ist wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und Obmann der Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs der ÖAW. Er lehrte im Sommersemester 2025 als Gastprofessor an der Stanford University in den USA.