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DNAMolekularbiologie

Spielregeln der Zellteilung geklärt

Molekulare Motoren verpacken und ordnen die DNA so, dass die langen verknäulten Stränge sicher in die Tochterzellen aufgeteilt werden. Eine neue Studie gibt Aufschluss über die Spielregeln der verantwortlichen molekularen Motoren. Die Studie, die von Anton Goloborodko am IMBA - Institute of Molecular Biotechnology der ÖAW zusammen mit internationalen Kooperationspartnern durchgeführt wurde, erschien nun im Fachmagazin "Science".

10.04.2025
Bunte Zellen unter einem Mikroskop
© AdobeStock

Obwohl unsere Zellen mikroskopisch klein sind, enthält jede von ihnen zwei Meter DNA, die straff im Zellkern verpackt ist. Im „Alltag“ der Zelle müssen die Gene jedoch zugänglich sein, damit ihre Instruktionen ausgelesen werden können. Ein balanciertes Zusammenspiel von molekularen Motoren ist notwendig, damit die DNA zu jeder Zeit in der gerade richtigen Form ist.

Damit die DNA ausgelesen werden kann, zieht ein bestimmter Proteinkomplex, das Cohesin, einzelne DNA-Stränge auseinander und bildet Schleifen, die bestimmte Gene und ihre regulatorischen Sequenzen zusammenführen, um die Genexpression zu erleichtern. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich die losen DNA-Fäden während der Zellteilung verheddern oder sie sogar brechen. Das wiederum würde zu genetischen Fehlern in den Tochterzellen führen. Um dieses Risiko zu vermeiden, wird die DNA zu Beginn der Zellteilung zu festeren Strukturen verdichtet und bildet die sogenannten mitotischen Chromosomen. Wiederum ein anderer Motor, der Proteinkomplex Condensin, ist für diese Verdichtung verantwortlich.

Obwohl Wissenschaftler:innen die allgemeinen Aufgaben von Cohesin und Condensin kennen, ist bisher noch unklar, wie die beiden Proteinkomplexe interagieren, wenn sie während ihrer Arbeit entlang der DNA aufeinandertreffen. In der neuen Publikation beschreibt das internationale Forschungsteam die „Spielregeln“, die für das Zusammenspiel von Cohesin und Condensin während der kritischen Phase des Übergangs in die Zellteilung gelten. Die Studie, durchgeführt von Anton Goloborodko am IMBA - Institute of Molecular Biotechnology der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gemeinsam mit Kolleg:innen der Universität Edinburgh, der UMass Chen Medical School, dem Medical Institute und dem Massachusetts Institute of Technology, erscheint am 11. April im Fachjournal Science.

Daten als Motor der Theorie

Um zu verstehen, wie Cohesin und Condensin interagieren, untersuchten die Forscher:innen zunächst, wie die beiden Komplexe während der verschiedenen Phasen der Zellteilung an die DNA binden. Danach testeten sie, wie sich ein Fehlen von Cohesin oder Condensin auf die Chromosomenstruktur während der Zellteilung auswirkt. Mit hochauflösenden optischen Mikroskopen und Elektronenmikroskopen sowie mittels modernster Genomanalysen konnten die Forscher:innen nachweisen, dass die Bindung von Condensin an die DNA unerlässlich ist, um die DNA-Schleifen – von Cohesin verursacht – zu lösen.

Basierend auf diese neuen Erkenntnisse formulierte und testete das Team verschiedene Theorien darüber, wie Condensin und Cohesin interagieren. „Wir haben mit mathematisch-physikalischen Simulationsmodellen getestet, wie verschiedene Szenarien die DNA-Faltung beeinflussen“, erklärt Anton Goloborodko. „Damit konnten wir herausfinden, welche Theorie am besten zu den tatsächlichen Veränderungen der DNA-Struktur passt, die wir im Labor beobachten konnten.“

Wanderndes Condensin

Die Forscher:innen fanden heraus, dass sich Condensin zu Beginn der Zellteilung an die DNA anlagert und entlang des DNA-Strangs weiterwandert, wobei es alle Cohesine verdrängt, die ihm im Weg stehen. Durch die Trennung der Cohesine von der DNA werden die von den Cohesinen gebildeten DNA-Schleifen aufgelöst, sodass das Condensin die DNA dann für die Zellteilung dicht verpacken kann.

Interessanterweise spielen bestimmte Cohesinkomplexe auch eine entscheidende Rolle dabei, Schwesterchromatide physisch zusammenzuhalten, bevor diese während der Zellteilung in die getrennten Tochterzellen aufgeteilt werden. Schwesterchromatiden sind die beiden identischen Kopien eines Chromosoms, die während der DNA-Replikation entstehen. Überraschenderweise fand das Team heraus, dass Condensin diesen spezifischen Cohesintyp vom anderen Typ unterscheiden kann. Wenn Condensin auf diesen Cohesintyp trifft, entfernt es ihn nicht von der DNA, sondern umgeht dieses spezielle Cohesin. Dadurch wird sichergestellt, dass die Schwesterchromatiden weiterhin zusammengehalten werden.

Schließlich fragten sich die Forscher:innen, was geschieht, wenn zwei Condensin-Komplexe entlang der DNA aufeinandertreffen. Ihre Simulationen zeigten, dass Condensine, wenn sie aufeinandertreffen, stehen bleiben und enge Schleifen bilden. Diese Schleifen sind für die Verpackung mitotischer Chromosomen notwendig.

Ein Blick hinter das Regelwerk

Die neuen Forschungsergebnisse zeigen, auf welche Weise molekulare Motoren die DNA-Struktur beeinflussen. „In den letzten zehn Jahren haben Forscher:innen, darunter auch wir, herausgefunden, wie Condensine und Cohesine die DNA aktiv umformen. Unsere neueste Forschung zeigt, wie sie interagieren und beim Aufbau der charakteristischen X-förmigen Chromosomen zusammenhelfen, die während der Zellteilung sichtbar sind,“ erklärt Goloborodko. Die Studie unterstreicht auch den Vorteil multidisziplinärer Ansätze für die Untersuchung und Modellierung molekularer Interaktionen. „Diese Entdeckung wurde durch eine jahrzehntelange Zusammenarbeit zwischen vier Laboren ermöglicht, die ihr unterschiedliches Fachwissen eingebracht haben“, fügt Goloborodko hinzu. “Unsere gemeinsame Leidenschaft für die Chromosomenbiologie hat uns zu einem engen und hochproduktiven Team zusammengeschweißt.“

 

Auf einen Blick

Publikation
Rules of engagement for condensins and cohesins guide mitotic chromosome formation. Kumiko Samejima, Johan H. Gibcus, Sameer Abraham, Fernanda Cisneros-Soberanis, Itaru Samejima, Alison J. Beckett, Nina Pučeková, Maria Alba Abad, Christos Spanos, Bethan Medina-Pritchard, James R. Paulson, Linfeng Xie, A. Arockia Jeyaprakash, Ian A. Prior, Leonid A. Mirny, Job Dekker, Anton Goloborodko, William C. Earnshaw. Science.
DOI: 10.1126/science.adq1709