29.10.2019

Sind Zeitreisen theoretisch möglich?

Ein internationales Team mit Quantenforscher/innen der ÖAW hat eine Lücke in der Physik-Theorie zu Zeitreisen geschlossen. Damit ist der Weg für neue theoretische Untersuchungen von zeitreisenden Objekten geebnet, wie sie im Fachjournal „Classical and Quantum Gravity“ berichten. 

© Pixabay

Kann ein Objekt mit einer jüngeren Version seiner Selbst kollidieren? Ja, stellte Kurt Gödel bereits im Jahr 1949 mithilfe von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie fest: Der Theorie zufolge ist ein Universum möglich, in dem Punkte über eine Zeitkurve direkt mit der eigenen Vergangenheit kausal verbunden sind – und solche Punkte können über diese Kurve auch mit einer älteren Version ihrer Selbst interagieren. Ungewiss ist seit Gödels Entdeckung aber geblieben, ob eine Zeitreise nicht nur in der Theorie, sondern auch in der realen Welt schlüssig und möglich ist.

Großvaterparadoxon

Den ersten logischen Einwand gegen die grundsätzliche Möglichkeit einer Zeitreise konnten Physiker/innen bereits in den 1990er Jahren aus dem Weg räumen, versinnbildlicht mit dem Großvaterparadoxon: Es besagt, dass man allein schon deswegen nicht in die Vergangenheit reisen könne, da man in diesem Fall seinen eigenen Großvater töten könnte – und somit seine eigene Existenz unterbunden hätte. Diesen Widerspruch lösten Physiker/innen mit der Annahme eines in sich schlüssigen Universums auf: In diesem sei es gar nicht möglich, dass man seinen Großvater töte – da jede Handlung während einer Zeitreise in die Vergangenheit ohnehin längst Bestandteil der Lebensgeschichte des Großvaters wäre.

Eine der wichtigsten Fragen, die offen blieb, war die Beschaffenheit dieses zeitlich-kausalen Zusammenhangs. Denn Physiker/innen stellten fest, dass es eine unendliche Anzahl an logisch schlüssigen Zeitkurven gibt, die einen eindeutigen Anfangszustand, den nicht getöteten Großvater, mit einem eindeutigen Endzustand, den existenten Enkel, miteinander verbinden. Welche Zeitkurve in unserer physikalischen Welt zwischen diesen beiden Punkten jeweils realisiert wird, konnte man bisher aber nur mithilfe der Quantenphysik untersuchen – wodurch gleichzeitig aber zahlreiche neue Fragen aufgeworfen wurden.

Zeitreise widerspricht klassischer Physik nicht

Einen möglichen Ausweg fand nun ein internationales Forscher/innenteam. Gemeinsam mit Wissenschaftler/innen der Università della Svizzera Italiana im Schweizerischen Lugano und der australischen University of Queensland, griffen Forscher/innen des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation Wien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) dieses Problem mit Methoden der klassischen theoretischen Physik auf. In einer im Fachmagazin „Classical and Quantum Gravity“ publizierten Studie stießen sie auf eine überraschende Erkenntnis. „Wir nahmen an, dass die klassische Physik auch in lokalen Bereichen gilt“, erläutert ÖAW-Quantenforscher Ämin Baumeler. „Auf dieser Basis konnten wir nicht nur feststellen, dass die mit Zeitreisen verbundenen Fragen auch ganz ohne Quantenphysik erklärt werden können – sondern vor allem, dass Zeitreisen in keinerlei Widerspruch zu den lokalen Gesetzen der Physik stehen“, wie Baumeler schildert.

Der erfolgreiche Rückgriff auf klassische theoretische Physik ist dabei als klarer Fortschritt in der Untersuchung von Zeitreisen zu sehen. Nicht zuletzt, so hoffen die Forscher, ergeben sich daraus zahlreiche neue Möglichkeiten, um die Dynamik von zeitreisenden Objekten noch besser zu untersuchen. 

 

PUBLIKATION

"Reversible time travel with freedom of choice", Ämin Baumeler, Fabio Costa, Timothy C Ralph, Stefan Wolf and Magdalena Anna Zych, Classical and Quantum Gravity, 2019
DOI: 10.1088/1361-6382/ab4973 

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Stefan Meisterle
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