17.04.2023 | Erlebnistag

Rindszunge, Kalbsfüße und Kaffee - Wie an Fürstenhöfen gespeist wurde

Was wurde am sächsischen Hof um 1800 serviert? Jonas Klöber aus Dresden ist Experte für höfische Essens- und Kochkultur. Im Gespräch erklärt er, wie Küchen damals organisiert waren, welche Starköche es gab, und warum Regionalität wichtig war. Am 21. April ist Klöber an der ÖAW zu Gast. Bei einem Erlebnistag können Besucher:innen bei freiem Eintritt die Kultur der Fürstenhöfe zwischen Preußen und Habsburg im Gespräch mit Historiker:innen kennenlernen.

Die Morgenschokolade am Fürstenhof. Gemälde von Pietro Longhi (1701–1785). © Wikimedia Commons

Geschichte geht auch durch den Magen. Wir erfahren viel über vergangene Epochen, wenn wir wissen, was serviert wurde. Vor allem an den Höfen wurde großer Aufwand betrieben, um die Herrschenden zufrieden zu stellen. Jonas Klöber hat seine Masterarbeit an der TU Dresden zum Thema der sächsischen Hofküche verfasst. Ein besonderer Fokus lag dabei auf dem Personal und den täglichen Arbeiten, die es verrichtete.

„Es gab eine große Spezialisierung, einige Köche waren für bestimmte Tätigkeiten zuständig, zum Beispiel braten oder backen. Die weiter untenstehenden haben zugearbeitet, das ist durchaus ähnlich, wie es heute praktiziert wird“, sagt Klöber.

Klöber ist einer von über 20 Historiker:innen, die am bei einem Erlebnistag am 21. April ab 11 Uhr im Campus Akademie mehr zum Innenleben von historischen Fürstenhöfen erzählen. Gemeinsam mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften präsentieren Forscher:innen des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ihre Erkenntnisse. Auf dem Programm stehen Infostände, Posterpräsentationen und Kurzvorträge.

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AUF DEN FÜRSTENTISCH KAM REGIONALES

Was waren um 1800 beliebte Gerichte am sächsischen Hof?

Jonas Klöber: Lieblingsgerichte von Regenten kenne ich leider keine. Aber wir wissen, dass viel mit Fleisch gekocht wurde, das Status bedeutete. Im Grunde werden die Gerichte unseren sehr ähnlich. Während im Mittelalter stark mit Gewürzen wie Zimt und Nelken gearbeitet wurde, ändert sich in Europa um 1800 in gehobenen Kreisen der Geschmack – der Eigengeschmack der Produkte wurde wichtiger. Es gab Hühner mit Sauce, Pasteten, Wildfleisch, Soufflés und Pflaumenkuchen, aber auch Rinderzunge, Kalbsfüße oder Rebhühner.

Das Essen bestand meist aus drei Gängen, wobei alle Speisen eines Ganges zeitgleich auf den Tisch gestellt wurden."

Wie viele Gänge wurden gereicht?

Klöber: Was wir heute vom Fine Dining kennen, wo zehn Gänge serviert werden, gab es damals nicht. Das Essen bestand meist aus drei Gängen, das sogenannte Service à la française: Alle Speisen eines Ganges wurden zeitgleich auf den Tisch gestellt, die Gäste konnten von allem essen. Es gab zum Beispiel eine Schüssel mit Fleisch, eine mit Kraut, eine mit Beilagen wie Knödeln. Um die Gerichte warm zu halten, wurde manchmal mit Hauben gearbeitet. Man hatte auch kleine Öfchen, die man unter das Essen stellen konnte.

Gab es bereits Kaffee?

Klöber: Ja, natürlich importiert, wie oft auch der Wein. Dafür war die Hofkellerei zuständig, die Süßspeisen kamen aus der Hofkonditorei. Champagner war beliebt, aber auch Tokajer aus Ungarn. Trüffel wurden beispielsweise aus Polen geliefert. Der Großteil der Nahrungsmittel kam allerdings aus der Region. Vieles hätte lange Lieferwege nicht überstanden, und frische Produkte hatten den besten Geschmack.

STARKÖCHE UND 50 MANN KÜCHENPERSONAL

Wie hierarchisch war die Küche?

Klöber: Um 1800 arbeiteten rund 50 Personen in der Küche, davon waren nur vier oder fünf Frauen. An den höheren Stellen agierten Männer. Es gab eine große Spezialisierung, einige Köche waren für bestimmte Tätigkeiten zuständig, zum Beispiel braten oder backen. Die weiter unten Stehenden haben zugearbeitet, das ist durchaus ähnlich, wie es heute praktiziert wird. Es gab eine feste, hierarchische Struktur. Oben stand der Küchenmeister, der für die Kontrolle und Planung zuständig war. Unten standen Küchenburschen und Mägde, die Gemüse putzen mussten.

Um 1800 arbeiteten rund 50 Personen in der Küche, davon waren nur vier oder fünf Frauen. An den höheren Stellen agierten Männer."

Gab es berühmte Köche, die abgeworben wurden?

Klöber: Für Sachsen habe ich dafür noch keine Belege gefunden, aber denkbar wäre es. Manche Köche arbeiteten in verschiedenen bedeutenden Küchen. Marie Antoine Carême (1784-1833) war berühmt für seine Kochkunst und gestaltete für die Tafel Dekorationen aus Zucker, die Gebäude darstellten. Er arbeitete bei dem französischen Außenminister Talleyrand, richtete das Bankett für die Hochzeit von Napoleon mit Marie-Louise von Österreich aus. Er kochte für den russischen Zaren Alexander I., auch für den österreichischen Kaiser Franz I. Unterschiedliche Arbeitsstationen führten auch zu einem Austausch von Rezepten an den Höfen Europas. Die Kochkunst war nicht auf Länder oder Regionen begrenzt.

PROBEKOCHEN FÜR DEN FÜRSTENHOF

Wie wurde man Koch am sächsischen Hof?

Klöber: Ich habe ein Dokument gefunden, in dem ein Probekochen beschrieben wird. Der Bewerber musste zwei Gerichte zubereiten. Die wurden gekostet, vielleicht auch vom König selbst. Wir wissen aber auch, dass er den Job nicht bekommen hat.

Wir wurde Nahrung haltbar gemacht?

Klöber: Es gab Konservierungsmöglichkeiten wie Fermentieren oder Räuchern. Aber man hatte auch einen Eiskeller. Eis, das im Winter geschlagen wurde, wurde da gesammelt. Die im Eiskeller gelagerten Nahrungsmittel wurden so gekühlt. Den Herrschern war damals wichtig, dass die Produkte saisonal zubereitet werden, auch, weil der Geschmack sehr wichtig war. Es gibt Nachweise, dass Produkte, die verkocht wurden, der Jahreszeit entsprechen sollen. Geschmacklose Erdbeeren aus dem Supermarkt im Winter hätten die Herrscher damals wohl nicht interessiert.

 

AUF EINEN BLICK

Jonas Klöber studierte Geschichte an der Technischen Universität Dresden. Aktuell ist er bei den Staatlichen Schlössern, Burgen und Gärten Sachsen tätig.

Der Erlebnistag zu Fürstenhöfen zwischen Berlin und Wien findet am 21. April im Campus der ÖAW statt (Bäckerstraße 13, 1010 Wien. Beginn ist um 11 Uhr, der Eintritt ist frei.

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