19.10.2022 | Pflanzenforschung

Recycling in Pflanzenzellen

Nicht mehr gebrauchte Bestandteile von Pflanzenzellen werden durch Autophagosomen aufgenommen und zum Abbau in die Vakuole transportiert. Auf dem Weg dorthin durchlaufen sie einen Reifungsprozess, der von einem Autophagie-Adapter vermittelt wird. Den Adapter und seine Bedeutung für ressourcensparende Transportprozesse haben Forscher:innen der ÖAW zusammen mit internationalen Kolleg:innen erforscht und die Ergebnisse im Journal of Cell Biology veröffentlicht.

Der pflanzliche Autophagie-Adaptor CFS1 (rechts) ist an der äußeren Autophagosomen-Membran lokalisiert ©Dagdas/JCB/GMI

Der Prozess der der „Selbstverdauung“ von Zellen, die sogenannte Autophagie, wurde erstmals in ausgehungerten und gestressten Zellen beobachtet. Wie man heute weiß, setzt Autophagie aber nicht nur in Extremsituationen von Zellen ein, sondern ist Teil der Qualitätskontrolle des Zellstoffwechsels. Am Ende eines derartigen Abbauprozesses stehen dem Organismus bestimmte Moleküle und Energie neu zur Verfügung.

Den Aspekt der Qualitätskontrolle durch Autophagosomen hat ein internationales Team unter der Leitung von Yasin Dagdas vom GMI – Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Pflanzenzellen unter die Lupe genommen. Hauptakteure des Transports der Abfallprodukte sind membranumhüllte Bläschen, die Autophagosomen. Sie wandern durch die Pflanzenzelle mit dem Ziel, ihren Inhalt in die Vakuole zu entlassen. Letztere ist eine große zellsaftgefüllte Blase, die allein in Pflanzen vorkommt. Sie verleiht „Körperspannung“ und hat eine zentrale Funktion in zellulären Recyclingprozessen.

CFS1 vermittelt

Der genaue Ablauf des Transports durch Autophagosomen ist komplex und Zwischenstufen und Reifungsprozesse sind noch nicht in allen Details verstanden. Yasin Dagdas, sein Team am GMI und internationale Kolleg:innen konnten nun aber den Weg und die damit einhergehenden Veränderungen der Bläschen in zwei Modellpflanzenarten verfolgen. Mithilfe experimenteller Ansätze aus der Biochemie, der zellulären Bildgebung und der Strukturbiologie konnten sie zeigen, dass die kleinen Autophagosomen zu einem multivesikulären Körperchen fusionieren, bevor sie als Amphisome schließlich mit der Vakuole verschmelzen.

Das funktioniert aber nur, wenn der Autophagie-Adaptor CFS1 anwesend ist. Die Klärung der Funktion von CFS1 ist auch die zentrale Erkenntnis, die Yasin Dagdas und seine Kolleg:innen nun im Journal of Cell Biology publiziert haben. CFS1 erkennt Membranmarker auf Autophagosomen und multivesikulären Körperchen und vermittelt dadurch spezifisch ihre Verschmelzung. Die CFS1-vermittelten Amphisome werde so zu Sortierzentren, bevor sie ihren Inhalt in die Vakuole entlassen.

Darüber hinaus ermöglicht dieses System der Zelle, sparsam mit ihren Ressourcen zu arbeiten.

Yasin Dagdas verwendet zur Erläuterung das Bild von „Nabe und Speiche“ aus der Lieferkettenlogistik: „Indem alle Materialien über zentrale Knotenpunkte [die Amphisome] transportiert werden, senkt die Zelle ihre logistischen Kosten, da weniger Wege notwendig sind. Darüber hinaus ermöglicht dieses System der Zelle, sparsam mit ihren Ressourcen zu arbeiten, denn komplizierte Vorgänge können in den Knotenpunkten durchgeführt werden, anstatt sie in jedem Autophagosom einzeln zu organisieren“.

CFS1 hat sich bewährt

CFS1 ist übrigens keine Erfindung der evolutionär jungen Blütenpflanzen. Die Forschenden bestätigten die Funktion des Autophagie-Adaptors CFS1 in zwei evolutionär weit entfernten pflanzlichen Modellorganismen: der Ackerschmalwand und dem evolutionär viel älteren Brunnenlebermoos. Das deutet darauf hin, dass dieser Mechanismus der Autophagosomenreifung bei Pflanzen konserviert ist. Ob allerdings alle pflanzlichen Autophagie-Transportprozesse über Amphisomen laufen, bedarf weiterer Forschungsarbeit, denn „Wir wissen zwar nicht, ob dies für alle pflanzlichen Autophagosomen zutrifft, aber wir zeigen, dass zumindest einige von ihnen an einem anderen Ort anhalten, bevor sie die Vakuole erreichen“, so Dagdas.

 

AUF EINEN BLICK

Publikation:

Zhao, J., Bui, M. T., Ma, J. et al, "Plant autophagosomes mature into amphisomes prior to their delivery to the central vacuole", Journal of Cell Biology, 2022. DOI: https://doi.org/10.1083/jcb.202203139

Die Forschungsarbeit wurde in Kooperation mit der Forschungsgruppe von Byung-Ho Kang (Chinesische Universität Hongkong, China) und Forschenden des Institute of Science and Technology Austria (ISTA), der Universität Lyon, CNRS, INRAE, Lyon, Frankreich, und der Universität Köln, Deutschland, durchgeführt. Erst-Autor:innen der Veröffentlichung sind Jierui Zhao, Doktorand und DOC-Stipendiat in der Dagdas-Forschungsgruppe am GMI, Mai Thu Bui, I2P-Praktikantin (International Internship Program) in der Dagdas-Forschungsgruppe am GMI, und Juncai Ma, Doktorand in der Forschungsgruppe von Byung-Ho Kang in Hongkong.