09.03.2023

ÖAW-PREISFRAGE: ANTWORTEN AUF WISSENSCHAFTSSKEPSIS

„Fakt oder Fake: Wie gehen wir mit der Wissenschaftsskepsis um?“ – so lautete die aktuelle Preisfrage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Aus über 140 eingereichten Essays wurden nun die drei besten ausgewählt.

Bild einer leuchtenden Glühbirne, die ein Mann in den Fingerspitzen hält
Ideen für die Bekämpfung der Wissenschaftsskepsis konnten zur ÖAW-Preisfrage eingereicht werden. Die besten wurden nun prämiert. © Adobe Stock

Desinteresse, Vorurteile und eine skeptische Einstellung gegenüber der Wissenschaft sind in Österreich im internationalen Vergleich besonders ausgeprägt. Das haben Umfragen, wie das Eurobarometer oder zuletzt auch das Wissenschaftsbarometer der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) belegt. Was aber kann man dagegen tun? Genau das wollte die ÖAW in einer öffentlich ausgeschriebenen Preisfrage wissen: „Fakt oder Fake: Wie gehen wir mit Wissenschaftsskepsis um?“

Die Jury, bestehend aus Mitgliedern der Akademie, hat jetzt aus mehr als 140 Einreichungen erstmals drei Preisträger ex aequo prämiert: Joachim Allgaier, Alexander Bogner und Klaus Gourgé erhalten jeweils ein Preisgeld von 8.000 Euro. Die Jury, die anonymisierte Beiträge begutachtete, begründete ihre Entscheidung damit, dass es nicht nur eine richtige Antwort auf eine derart vielschichtige Frage gibt.

ÖAW-Präsident Heinz Faßmann sagt: „Das Thema Wissenschaftsskepsis bewegt, das zeigt die beindruckend hohe Anzahl an Einsendungen zur aktuellen ÖAW-Preisfrage. Drei Beiträge stechen besonders hervor und geben der Akademie eine Reihe von Anregungen mit. Ich gratuliere allen Preisträgern sehr herzlich.“

ZUM GEGENANGRIFF AUF DIE DESINFORMATION

Wissenschaftsskepsis – und zwar absichtlich herbeigeführte – ist nicht neu. Davon geht der Kommunikationsforscher Joachim Allgaier, Professor an der Hochschule Fulda, in seiner Einreichung aus. Schon in den 1970er-Jahren wurden „professionelle Zweifler:innen mit und ohne wissenschaftliche Affiliationen zum Beispiel in Kampagnen von Tabak- und Ölfirmen eingesetzt, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Tabakrauch Krebs erzeugt, öffentlich anzuzweifeln oder zumindest zu verzögern“, schreibt er in seinem Beitrag. Auch die wissenschaftliche Tatsache, dass der Klimawandel Ergebnis menschlichen Handelns ist, wurde im 20. Jahrhundert bewusst torpediert.

Der inhaltliche Fokus liegt in diesem Beitrag auf der ambivalenten Rolle von sozialen Medien, die sowohl Wissen vermitteln als auch Desinformation verbreiten. Joachim Allgaier verbindet in seinem Essay wissenschaftstheoretische und konkrete lösungsorientierte Überlegungen. Wichtig ist, „auf mehreren Ebenen zum Gegenangriff gegen Desinformationsinformationskampagnen auszuholen“, schreibt er. Transparente Wissenschaft, öffentlicher Dialog auf Augenhöhe und eine Wissenschaftskommunikation, die auch bisher vernachlässigte Gruppen anspricht, sind Teil seiner Vorschläge.

SELBSTKRITIK ALS WERT DER WISSENSCHAFT

„Die Seele der Wissenschaft ist Toleranz“, zitiert der Soziologe Alexander Bogner, der am Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW forscht, in seiner Einreichung den Rechtstheoretiker Hans Kelsen. Er verweist darauf, dass Wissenschaft ein hohes Maß an Selbstkritik und Selbstrelativierungsfähigkeit erfordert. „Obskurantismus, Autoritarismus und Dogmatismus vertragen sich nicht mit dem Ethos der Wissenschaft“, schreibt Bogner in seinem Essay. Denn: Wissenschaft verkörpere Werte, „die ein gedeihliches Miteinander in modernen, fragmentierten, pluralistischen Gesellschaften fördern“.

In seinem Artikel plädiert Alexander Bogner für öffentliche Foren, um unterschiedliche Wertekonflikte offen austragen zu können. Die „Bereitschaft zu echter Verständigung, zum gemeinsamen Lernen, zum offenen Diskurs“ ist das, was nicht nur Wissenschaft, sondern auch Demokratie im Kern ausmacht. Wissenschaftsskepsis sieht Bogner also vor allem als ein (demokratie-)politisches Problem.

SYSTEMATISCHES HINTERFRAGEN UND BESONNENES URTEILEN

Synthesia heißt die fiktive Protagonistin in Klaus Gourgés Text zur Beantwortung der Preisfrage. Geboren wurde sie in der antiken griechischen Stadt Skepsis auf dem Gebiet der heutigen Türkei. In Gourgés Beitrag berichtet die fiktive Synthesia von all ihren Erfahrungen, die sie über die Jahrhunderte mit Wissenschaftsskepsis machte.

Systematisches Hinterfragen und besonnenes Urteilen gehört zur wissenschaftlichen Grundhaltung, so Gourgé, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen in Deutschland in seinem Beitrag. Das sei aber „ziemlich exakt das Gegenteil dessen, was wir heute von Klima- und Coronaleugnern, Stop-the-steal-Trumpisten, Lügenpresse-Trollen, Querdenkern und anderen Verschwörungsanhängern beobachten können“. Eine von Synthesias Antworten darauf: „Wir können versuchen, diese negative Skepsis besser zu verstehen – was sie motiviert, wie sie agiert. Dann lernen wir, die konstruktive und die destruktive Form der Skepsis besser auseinanderzuhalten.“

ESSAYS ZUM NACHLESEN

Die drei besten Beiträge der Preisfrage gibt es hier zum Nachlesen und Download. Zudem werden sie in einem Band der ÖAW-Reihe „Akademie im Dialog“ in gedruckter Form publiziert.


Pressebilder

 

Auf einen Blick

Rückfragehinweis:

Österreichische Akademie der Wissenschaften
Dipl.-Soz. Sven Hartwig
Leitung Öffentlichkeit & Kommunikation
+43 1 51581-1331
sven.hartwig(at)oeaw.ac.at 
www.oeaw.ac.at