30.09.2022 | Weltraummission

Nur kurz die Welt retten: So verhindern wir künftig Asteroiden­einschläge

Im Rahmen der DART-Mission gelang es der NASA erstmals, einen Asteroiden durch die gezielte Kollision mit einer Sonde aus seiner Bahn zu drängen. Solche Manöver könnten in Zukunft die Welt retten.

© NASA

Ständig prasseln Gesteinsbrocken aus dem All auf die Erde ein. Die allermeisten davon sind sehr klein und verglühen beim Eintritt in die Erdatmosphäre vollständig, sodass sie keine Gefahr darstellen. Zahlreiche Krater auf der Erdoberfläche zeugen jedoch davon, dass dem nicht immer so ist. Mit der DART-Mission wurde nun erstmals getestet, wie man einen potenziell gefährlichen Himmelskörper von seiner Bahn auf die Erde ablenken kann. Impaktforscher und Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Christian Köberl erklärt die Hintergründe.

Warum ist der Erfolg der DART-Mission so wichtig?

Christian Köberl: Das war ein erster Test der technischen Umsetzbarkeit von sogenannten “Planetary Defence”-Konzepten. Asteroiden stellen potenziell eine große Gefahr für uns dar. Die Erde wird in geologischen Zeitskalen gesehen relativ oft getroffen, wie der Einschlag, der vor 66 Millionen Jahren die Dinosaurier und 70 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten ausgelöscht hat, zeigt. Das war ein großer Brocken, mit 10 bis 15 Kilometer Durchmesser, aber auch kleine Asteroiden können große Zerstörung anrichten, selbst wenn sie nicht einschlagen, sondern in der Luft zerbersten. Ein solcher “Airburst” hat 1908 beim Tunguska-Ereignis 2.000 Quadratkilometer Wald in Sibirien umgelegt. Einschläge dieser Größe passieren statistisch gesehen alle paar Jahrzehnte.

Zum Glück war das Gebiet nicht bewohnt.

Köberl: Damals gab es nur etwa eine Milliarde Menschen auf der Erde. Seither haben wir uns ausgebreitet und das Risiko, dass bewohnte Gebiete getroffen werden, steigt. In Tscheljabinsk ist 2013 ein kleiner Asteroid mit etwa 20 Meter Durchmesser in etwa 20 Kilometer Höhe explodiert. Dabei wurde die Energie von 30 Hiroshima-Atombomben freigesetzt. Da sind noch in 65 Kilometer Entfernung Fensterscheiben zu Bruch gegangen und Wände umgelegt worden und es gab insgesamt etwa 1500 Verletzte. Wenn das direkt über einer Stadt passiert, gäbe es ganz sicher Tote. Mit DART haben wir jetzt zum ersten Mal gezeigt, dass wir etwas tun können, um ähnliche, aber etwas größere, Ereignisse zu verhindern - zumindest, wenn wir die Gefahr früh genug erkennen. Damit die DART-Methode funktioniert, müssen wir gefährliche Asteroiden Jahre, bevor sie zum Problem werden, entdecken.

Monatelange Reise zum Kollisionspartner

"Wenn ein Asteroid schon im direkten Anflug auf die Erde ist, können wir aus heutiger Sicht gar nichts mehr tun."

Wie würden wir vorgehen?

Köberl: Viele Leute kennen das Bild aus Hollywood-Filmen, mit Cowboys, die zum Asteroiden fliegen und ihn dann sprengen. So funktioniert das natürlich nicht. Wenn ein Asteroid schon im direkten Anflug auf die Erde ist, können wir aus heutiger Sicht gar nichts mehr tun. Es stehen keine Raketen für solche Missionen bereit und wir bräuchten extrem lange, um eine Mission in die Wege zu leiten. Auch DART war ja Monate zum Asteroiden unterwegs. Wenn wir einen Asteroiden durch einen Impakt mit einer Raumsonde auf eine harmlosere Umlaufbahn lenken wollen, müssen wir ihn einige komplette Umläufe um die Sonne vorher treffen.

Wie ist das bei DART abgelaufen?

Köberl: DART ist eine kleine Sonde, mit einer Masse von etwa einer halben Tonne, die durch eine gesteuerte Kollision mit Dimorphos, dem kleineren Partner des Doppelasteroidensystems Didymos, dessen Umlaufbahn um seinen größeren Partner geändert hat. Wir haben praktisch den Mond eines Asteroiden mit der Sonde abgeschossen und dadurch seine Umlaufzeit von etwa 12 Stunden um einige Minuten verkürzt. Derzeit untersuchen wir das Asteroidensystem mit Teleskopen von der Erde aus, um festzustellen, wie sehr sich die Umlaufzeit geändert hat. Das hängt auch von der Zusammensetzung des Asteroiden ab. Wenn das Material fester ist, funktioniert der Impulsübertrag durch den Impakt besser und die Ablenkung ist größer. Die Oberflächenstruktur spielt natürlich auch eine Rolle. Wenn wir die Daten ausgewertet haben, werden wir auch Rückschlüsse auf die Beschaffenheit ziehen können.

Wie schwer ist es, einen Asteroiden zu treffen?

Köberl: Der kleine Partner im Didymos-System, den DART getroffen hat, hat einen Durchmesser von nur 160 Meter. Den in einer Entfernung von mehreren Millionen Kilometer und einer Relativgeschwindigkeit von mehr als 20.000 km/h zu treffen, ist schon eine Meisterleistung.

"Mit seiner Größe von etwa 150 Meter würde der Asteroid bei einem Einschlag trotzdem schon einen Krater mit etwa drei Kilometer Durchmesser verursachen."

Kann ein solches Experiment auch nach hinten losgehen und einen abgelenkten Asteroiden zur Gefahr machen?

Köberl: Weil DART nur den kleinen Mond des Doppelsystems getroffen hat, wird die Umlaufbahn des kompletten Didymos-Systems kaum beeinträchtigt. Didymos wurde auch als Ziel ausgewählt, weil er keine Gefahr darstellt. Er befindet sich momentan auf über 30-fachem Mondabstand. 

Wie würde ein Einschlag in dieser Größenordnung ablaufen?

Köberl: Mit seiner Größe von etwa 150 Meter würde er bei einem Einschlag trotzdem schon einen Krater mit etwa drei Kilometer Durchmesser verursachen. Eine Stadt wie Wien wäre bei einem direkten Treffer wohl komplett zerstört und in einem Umkreis von 100 Kilometer wäre mit tausenden bis Millionen von Opfern zu rechnen. Ein Einschlag dieser Größe passiert auf der Erde im Schnitt alle paar tausend Jahre.

Ist eine Kollision die beste Möglichkeit, die Umlaufbahn eines Asteroiden zu ändern?

Köberl: Es gibt noch einige andere Ideen, aber eine Kollission ist sicher die einfachste, aber so weit sind wir in der Praxis noch nicht. DART war ein erster Test, für die Abwehr einer echten Gefahr müssten stets Raketen bereitstehen und wir bräuchten lange Vorlaufzeiten. Wenn wir heute einen Asteroiden entdecken, der nicht noch Jahre von einem Einschlag entfernt ist, können wir eigentlich nur evakuieren.

Millionen Asteroide unterwegs

Wie viele Asteroiden kennen wir?

Köberl: Wir kennen rund 27.000 Objekte, die im erdnahen Raum unterwegs sind. Es werden aber immer noch weitere Objekte entdeckt – jedes Jahr viele hunderte. Wenn wir den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter noch dazurechnen, kennen wir weit über eine Million Asteroiden. Immer wieder werden Objekte aus dem Asteroidengürtel abgelenkt und wandern in die Nähe der Erde. Das heißt, dass der Asteroidennachschub nie abreißt. Kleinere Objekte sind oft sehr schwer zu entdecken. Der Asteroid in Tscheljabinsk zum Beispiel kam aus heiterem Himmel, den haben wir vorher nicht gesehen, da er sehr klein war, nur etwa 20 Meter im Durchmesser. 

Welche Rolle spielt die Größe eines Asteroiden für die Möglichkeit einer Bahnablenkung?

Köberl: Je größer und schwerer ein Objekt ist, desto geringer ist die Auswirkung einer Kollision mit einer kleinen, leichten Sonde. Das heißt, wir brauchen bei großen Objekten noch längere Vorlaufzeiten, um eine ausreichende Bahnablenkung zu erreichen. Wir müssen hier noch viele Tests durchführen, um dann im Ernstfall auch Optionen zu haben.

"Die Haupt-Sonde wurde beim Aufprall sicher komplett zerstört und die Wrackteile reisen jetzt auf Didymos durchs All."

Wie geht es jetzt weiter mit den DART?

Köberl: Die Haupt-Sonde wurde beim Aufprall sicher komplett zerstört und die Wrackteile reisen jetzt auf Didymos durchs All. Eine kleine Zweitsonde, die von italienischen Kollegen entwickelt wurde, wird in den kommenden Tagen ihre Fotos von der Kollision übertragen. Die werden auch dabei helfen, mehr über Didymos zu erfahren. Viele große irdische Teleskope beobachten nun auch die beiden Asteroiden um das Ausmaß der Bahnänderung zu quantifizieren. Auf den ersten Fotos, die ich gesehen habe, sieht die Oberfläche  relativ locker aus. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Verkürzung der Umlaufzeit von Dimorphos geringer ausfällt, als ursprünglich angenommen wurde. 

Hat Österreich etwas zur DART-Mission beigetragen?

Köberl: Nicht direkt, aber die europäische Hera-Mission, die 2024 zu Didymos aufbricht, um die Auswirkungen von DART genauer zu untersuchen, wird österreichische Technik mit an Bord haben. Hier wird Bilderkennungssoftware von Joanneum Research in Graz mit an Bord sein.

 

Auf einen Blick

Christian Köberl ist Impaktforscher und seit 2006 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Er ist Obmann der Kommission für Geowissenschaften und stellvertretender Obmann der Kommission für Astronomie an der ÖAW.