11.10.2022 | Vortrag

„Minijobs verschärfen die Karrierenachteile durch Mutterschaft“

Wie sich Minijobs auf den Arbeitsmarkterfolg von Müttern auswirken, hat die deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin Regina T. Riphahn untersucht. Die Vizepräsidentin der Leopoldina stellte ihre neue Studie am 17. Oktober auf Einladung von ÖAW und Statistik Austria in Wien vor.

Frauen, die Minijobs nachgehen, haben langfristige Karrierenachteile. © Adobe Stock

Fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in Österreich arbeitet in Teilzeit, während es bei Männern nur jeder zehnte ist. Ähnliche Zahlen gibt es zu Deutschland. Warum Teilzeitarbeit ein überwiegend weibliches Phänomen ist und wie sich der Verzicht auf einen Vollzeitjob längerfristig auf den Arbeitsmarkterfolg von Frauen auswirkt, darüber spricht die deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin Regina T. Riphahn. Sie hat sich die Zusammenhänge anhand empirischer Daten zum deutschen Arbeitsmarkt genauer angesehen. Ihre Studienergebnisse stellte sie bei einer gemeinsamen Lecture von Österreichischer Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und Statistik Austria am 17. Oktober 2022 im Festsaal der ÖAW vor.

KARRIEREKILLER MINI-JOB

Frau Riphahn, Sie haben in einer Studie den kausalen Effekt von Minijobs für den langfristigen Arbeitsmarkterfolg von Müttern gemessen. Mit welchen Ergebnissen?

Regina T. Riphahn: Zunächst bestätigen wir die massiven Verdiensteinbußen, die für Frauen nach einer Geburt auftreten. Diese sind bekanntermaßen in Deutschland und Österreich deutlich höher als in anderen europäischen Ländern. Wir zeigen, dass Frauen, die nach der Geburt zunächst einen Minijob aufgenommen haben, noch zehn Jahren später seltener regulär beschäftigt sind und schlechter entlohnt werden als Mütter, die nach der Geburt sofort wieder in einem regulären sozialversicherungspflichtigen Job tätig waren. Damit verschärfen Minijobbeschäftigungen die sogenannte „motherhood penalty“, also die Karrierenachteile durch Mutterschaft. Gesamtgesellschaftlich wird dadurch der Fachkräftemangel verschärft.

Frauen, die nach der Geburt zunächst einen Minijob aufgenommen haben, werden noch zehn Jahren später seltener regulär beschäftigt und schlechter entlohnt.

Wie hoch ist derzeit der Anteil teilzeitbeschäftigter Frauen?

Riphahn: Die aktuelle Teilzeitquote der Frauen in Deutschland ist der in Österreich sehr ähnlich, wo statt 47 Prozent sogar 50 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Teilzeit arbeiten. Beide Länder übertreffen den EU Durchschnitt von etwa 29 Prozent deutlich.

Wie wirkt sich der Verzicht auf den Vollzeitjob auf das Lebenseinkommen aus?

Riphahn: Wir wissen, dass Teilzeittätigkeit mit Abschlägen beim Stundenlohn einhergeht. Außerdem sind die Aufstiegschancen für Teilzeitbeschäftigte geringer und sie werden weniger durch Fortbildungsmaßnahmen gefördert. In der Summe kumulieren sich unterschiedliche Mechanismen zu deutlichen Abschlägen auf das Lebenseinkommen im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten. Da die Pensionshöhe auf Basis der Erwerbseinkommen im Lebenszyklus berechnet wird, bleibt der Abstand auch nach der Erwerbstätigkeit, im Pensionsalter erhalten.

Aufstiegschancen für Teilzeitbeschäftigte geringer und sie werden weniger durch Fortbildungsmaßnahmen gefördert.

Teilzeitarbeit ist weiblich

Warum ist Teilzeitarbeit ein überwiegend weibliches Phänomen?

Riphahn: Das wird sicher von sozialen Normen im deutschsprachigen Raum beeinflusst, die Haus- und Pflegearbeit traditionell als weibliche Aufgabe betrachten. Hinzu kommt, dass es oft nicht flächendeckend möglich ist, Kinder ganztags betreuen zu lassen. Interessant ist, dass die Lage in den ostdeutschen Bundesländern etwas anders ist. Dort arbeiten Mütter eher in Vollzeit als in Westdeutschland. Die sozialen Normen ebenso wie die Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind dem zuträglich.

Beschränkt sich Teilzeit auf bestimmten Branchen oder gibt es auch Führungspositionen in Teilzeit?

Riphahn: Teilzeit ist besonders dort verbreitet, wo viele Frauen angestellt sind. Das betrifft beispielsweise Berufe im Einzelhandel oder im Bereich Erziehung und Versorgung. In Zeiten des Fachkräftemangels sieht man bei Führungspositionen eine zunehmende Flexibilität der Arbeitgeber, das Aufteilen auch Führungspositionen zu ermöglichen.  

Teilzeit ist besonders dort verbreitet, wo viele Frauen angestellt sind.

Hat sich die Teilzeitquote in den vergangenen Jahren verändert?

Riphahn: Die Quote war in den vergangenen Jahren, seit 2005, relativ konstant. In den Jahren davor lag sie deutlich niedriger und ist etwa von einem Wert von 30 Prozent im Jahr 1991 kontinuierlich angestiegen. Dies geht einher mit der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen, insbesondere in den Altersgruppen ab 50. Die Teilzeitquote von Frauen ist stark abhängig von der Lebensphase. Sie ist hoch, wenn kleine Kinder im Haushalt sind und fällt anschließend wieder. Vermutlich beeinflusst vom demographischen Wandel und der Alterung ist die mittlere Stundenzahl der teilzeitbeschäftigten Frauen seit einigen Jahren wieder steigend.

REFORM: KINDERBETREUUNG UND STEUERKLASSEN

Was müsste getan werden, um wieder mehr Frauen in eine Vollzeitbeschäftigung zu bringen?

Riphahn: Hier gibt es mehrere relevante Mechanismen. Zum einen muss in ausreichendem Umfang und Qualität Kinderbetreuung sichergestellt werden. Zum anderen spielen Einkommenssteuerrecht und Sozialversicherung eine große Rolle. In Deutschland sind sie auf die Einverdienerehe ausgerichtet: Je nach Steuerklassenwahl sind die laufenden Steuerbelastungen bei Zweitverdienenden deutlich höher als bei Erstverdienenden. Das wird zwar für Paare über das Jahr ausgeglichen, erweckt aber den Anschein, dass sich die zweite Erwerbstätigkeit nicht lohnt. Hinzu kommt die automatische Familienmitversicherung in der Krankenversicherung. Wenn ein Partner erwerbstätig ist, werden Krankenversicherungsbeiträge vom Bruttolohn der Zweitverdienenden abgezogen ohne, dass zusätzliche Leistungsansprüche generiert werden. Angesichts der relativ hohen Abzüge durch Sozialversicherungsbeiträge und Steuern entscheiden dann viele gegen eine (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit von Frauen, die ja häufig auch noch schlechter verdienen als die Männer.

 

AUF EINEN BLICK

Regina T. Riphahn ist Professorin für Statistik und empirische Wirtschaftsforschung an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Nürnberg. Zudem ist sie Vizepräsidentin der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und designierte Vorsitzende des Vereins für Socialpolitik.