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MolekularbiologieRegenerationskräfte

Lurch mit Superkräften: Wittgenstein-Preisträgerin Elly Tanaka über die Axolotl-Forschung

Die US-amerikanische Biochemikerin Elly Tanaka untersucht an der ÖAW, wie es möglich ist, dass der mexikanische Schwanzlurch Axolotl nach Verletzungen neue Gliedmaßen bilden kann. Im Gespräch schildert sie, wie aus Science Fiction hochinnovative Forschung wurde.

24.06.2025
Die Forscherin Tanaka steht mit Labormantel in einem Labor
© Johannes Hloch

Elly Tanaka, Direktorin des IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) wird mit dem Wittgenstein-Preis des Wissenschaftsfonds FWF ausgezeichnet. Mit einem Preisgeld von 1,9 Millionen Euro ist der österreichische „Nobelpreis“ der höchstdotierte Wissenschafts-Preis des Landes. Tanaka gilt als führende Spezialistin auf dem Gebiet der Regenerationsbiologie. Sie erforscht am Axolotl, wie es den Tieren, deren Genom zehnmal so groß ist wie das des Menschen, möglich ist, nach Verletzungen neue Gliedmaßen nachzubilden. Es gelang ihr gemeinsam mit ihrem Team, das Erbgut des mexikanischen Schwanzlurchs zu sequenzieren, die molekularen Grundlagen für seine Regeneration zu erkunden und die Nervenbildung im Zusammenhang mit Regeneration zu verstehen.

Im Gespräch erklärt Tanaka, wie sie zu ihrem Forschungsthema gekommen ist, das in ihren Anfangsjahren noch als sehr utopisch angesehen wurde, wie sie Wien als Forschungsstandort wahrnimmt - und warum sie gern ein Vorbild für jüngere Wissenschaftlerinnen ist.

Für viele klang es nach Science-Fiction, klären zu wollen, warum ihre Gliedmaßen nachwachsen. 

Wie sind Sie dazu gekommen, ausgerechnet Axolotl zu erforschen?

Elly Tanaka: Schon als Studentin haben mich Amphibien fasziniert. Bei unserer Doktorarbeit wurden wir geschult, an interessanten Problemen zu arbeiten. Aber Regeneration galt als zu kompliziert, es gab wenige Labore, in denen zu Regeneration von Salamander-Gliedmaßen geforscht wurde. Für viele klang es nach Science-Fiction, klären zu wollen, warum ihre Gliedmaßen nachwachsen. Und wie man diese Regenerationsfähigkeiten in der Medizin nutzen könnte. Woher weiß das Gewebe, was es erzeugen soll? Warum bildet es nicht einfach einen Tumor? Ich war schon früh neugierig, woher das Gewebe diese Informationen hat.

Regeneration von Gliedmaßen

Was hat sich in der Forschung seitdem verändert?

Tanaka: Unser Denken über Regeneration hat sich gewandelt. Menschen erkennen, dass Regeneration tatsächlich möglich ist. Es ist mittlerweile fast ein Trendthema geworden, ganz anders als vor 20 Jahren, als ich mit meiner Forschung angefangen habe. Ich hoffe, dass unsere Untersuchungen in Zukunft auch auf Menschen übertragbar sein werden. Ein menschliches Glied zu regenerieren ist aus vielen Gründen im Moment noch sehr schwer.

Wissen Sie schon, was mit dem Wittgenstein-Preisgeld passieren soll?

Tanaka: Wir wollen das Geld für weitere Recherchen verwenden. Ein Teil davon besteht tatsächlich darin, mit menschlichen Zellen zu arbeiten, um zu untersuchen, wie diese in der Lage sein könnten, sich zu regenerieren und großes Gewebe wachsen zu lassen. Wir wollen aber auch einen Teil der Mittel verwenden, um Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen, um Schulen die Faszination der Regeneration näher zu bringen. 

Leuchttürme der Wissenschaft

Sie sind 2026 nach Österreich gekommen, damals zunächst an das Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie am Vienna Biocenter. Welche Erwartungen hat Sie?

Tanaka: In  meinem Fachgebiet ist das Vienna Biocenter weltbekannt. Es hat einen erstklassigen Ruf in Sachen Molekularbiologie und Stammzellbiologie. Es gibt hier eine Gruppe von Menschen, die einzigartige Arbeit machen. Ich finde auch die Entwicklungsgeschichte des Campus seit den 1990er-Jahren spannend, mit der Gründung mehrerer Institute, die sehr gut zusammenarbeiten. Es wurde ein Umfeld für Wissenschaftler:innen geschaffen, in dem sie kreativ forschen können. Es gibt eine kollegiale Atmosphäre, in der man sich austauschen kann. Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, wo sich Forscher:innen auf einem sehr hohen Niveau so anregend treffen können. Das Vienna Biocenter und die dazugehörigen Institute wie das IMP oder das IMBA, an dem ich jetzt bin, sind ein Leuchtturm dafür, wie Wissenschaft im Idealfall sein sollte. Doktorand:innen, die hier studieren und dann woanders hingehen, vermissen den Campus eigentlich immer.

Ich denke, dass Österreich in den letzten Jahrzehnten hervorragende Arbeit bei der Unterstützung und Organisation der Forschung geleistet hat. 

Welche Rolle für eine erfolgreiche Forschung spielt der Life Sciences-Standort Österreich?

Tanaka: Ich wurde 2024 zur Leiterin des IMBA bestellt. Die ÖAW, zu der das Institut gehört, unterstützt mich und meine Forschungsgruppe sehr. Wir sind 15 Leute, die an Stammzellen, Chromatin und Genombiologie arbeiten. Ich denke, dass Österreich in den letzten Jahrzehnten hervorragende Arbeit bei der Unterstützung und Organisation der Forschung geleistet hat. 

Es gibt nach wie vor wenig Frauen in Spitzenpositionen in der Wissenschaft. Wollen Sie ein Vorbild sein?

Tanaka: Ich freue mich, ein Vorbild zu sein! Als ich Doktorandin war, gab es kaum weibliche Gruppenleiter. Das Ethos, dass es mehr Frauen auf der Ebene der Gruppenleitung geben sollte, hat zum Glück in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen. Wir sehen eine Zunahme von Frauen in Führungsebenen. Mir ist aufgefallen, als ich den Job als Direktorin beim IMBA antrat, dass viele Forscher:innen sehr stolz waren, zu sehen, dass jemand wie ich an die Spitze einer Institution stehen kann. Das gibt Frauen eine Inspiration.

Das ist eine sehr abenteuerliche Forschung, an die lange nicht geglaubt wurde. 

Glauben Sie, dass der Wittgenstein-Preis Ihrem Forschungsfeld mehr Aufmerksamkeit bringen wird?

Tanaka: Es hilft sehr. Wir versuchen zu verstehen, was Salamander von Zellen im Menschen unterscheidet. Und wie wir eine menschliche Zelle dazu bringen, sich in Stammzellen zu verwandeln, so wie es Axolotl-Zellen tun. Das ist eine sehr abenteuerliche Forschung, an die lange nicht geglaubt wurde. Es gab in letzter Zeit riesige Schritte in der Molekularbiologie, die noch in den 1990er-Jahren utopisch klangen. Nicht viele Forscher:innen waren damals bereit, das Risiko einzugehen und auf einem Gebiet zu arbeiten, auf dem mit keinen schnellen Ergebnissen zu rechnen ist.

Sie würden also jungen Forscher:innen raten, etwas zu riskieren?

Tanaka: Absolut. Ich bin schon lange in der Biologie tätig, und beobachte, dass Bereiche, von man einst dachte, sie seien seltsam, kompliziert oder utopisch, 20 Jahre später enorm wichtig und bahnbrechend werden. Ich würde also definitiv sagen: Wenn einem etwas interessant erscheint in der Wissenschaft, dann soll man das Risiko eingehen und keine Angst haben.