11.11.2022 | Migrationsforschung

Kinder sind Integrationsturbo

Geflüchtete Frauen mit Kindern bauen eher regelmäßige Kontakte zu Einheimischen auf als kinderlose Frauen, die flüchten mussten. Das zeigt eine neue Studie von Forscher:innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der WU Wien.

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Die gegenwärtige Fluchtbewegung ist so weiblich geprägt wie keine zuvor – nicht erst seit Ausbruch des russischen Krieges gegen die Ukraine. Trotzdem standen lange vor allem Männer im Zentrum der Fluchtforschung und nur selten wird die Familienstruktur auf ihr einschränkendes, aber auch ermöglichendes Potential untersucht. 
 
Forscher:innen vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und vom Institut für Sozialpolitik der WU Wien nehmen nun in einer neuen Publikation im Fachjournal „International Migration“ unter die Lupe, welchen Einfluss Familie und Elternschaft auf soziale Kontakte im Gastland haben.

Mütter profitieren von sozialen Aktivitäten der Kinder

„Die Familie bindet zwar viele Ressourcen der Frauen, aber zugleich erhöhen Kinder auch die Chancen auf regelmäßige soziale Kontakte im Gastland“, so die ÖAW-Wissenschaftler:innen Isabella Buber-Ennser und Bernhard Rengs, die gemeinsam mit Judith Kohlenberger von der WU Wien 548 Männer und Frauen, die aus Syrien und Afghanistan geflohen sind, befragt haben. Anschließend wurden die Ergebnisse in geschlechtergetrennten Diskussionsrunden qualitativ evaluiert.
 
„Frauen mit Kindern profitieren von Einladungen zu Kindergeburtstagen, Sportvereinen oder Arztterminen, die eine positive Auswirkung auf Sprachkenntnisse und eine größere Vertrautheit mit dem Gastland zur Folge haben.“ Über soziale Aktivitäten ihrer Kinder, sei es durch Treffen mit Freunden und Partys, konnten Mütter nachhaltige soziale Kontakte knüpfen. Oft kommt es zu Freundschaften mit österreichischen Familien, wodurch sich die Sprachkenntnisse verbessern.

Häufigere Kontakte auf Deutsch als kinderlose Frauen

Verheiratete Mütter berichteten häufiger von Kontakten auf Deutsch als kinderlose verheiratete Frauen (53 Prozent vs. 47 Prozent). Im Gegensatz dazu schienen verheiratete Väter weniger sogenanntes „soziales Überbrückungskapital“ zu haben als kinderlose verheiratete Männer (51 Prozent vs. 70 Prozent mit häufigen Kontakten). „Unsere Studie bestätigt aber auch, dass eine flächendeckende und niederschwellige Kinderbetreuung für geflüchtete Frauen von besonderer Relevanz ist“, so Kohlenberger. Um mehr Flexibilität bei der Kombination von Sprachkursen/Arbeitssuche und Kinderbetreuung zu ermöglichen, sollte laut den Forscher:innen in virtuelle Angebote investiert werden, die sich aufgrund der Covid-19-Situation ohnehin einer wachsenden Akzeptanz erfreuen.

 

Auf einen Blick

Publikation:
„Nuclear family and social capital of refugees in Austria“, Judith Kohlenberger, Bernhard Rengs, Isabella Buber-Ennser, International Migration, 2022
DOI: https://doi.org/10.1111/imig.13073

Rückfragehinweis:

Sven Hartwig
Leiter Öffentlichkeit & Kommunikation
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Dr. Ignaz Seipel-Platz 2, 1010 Wien
T +43 1 51581-1331
sven.hartwig(at)oeaw.ac.at

Wissenschaftliche Kontakte:

Isabella Buber-Ennser
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Institut für Demographie
Georg-Coch-Platz 2, 1010 Wien
T +43 1 515 81-7726
isabella.buber-ennser(at)oeaw.ac.at

Judith Kohlenberger
Wirtschaftsuniversität Wien
Institut für Sozialpolitik
Welthandelsplatz 2/D4, 1020 Wien
T +43 1 31336-4847
judith.kohlenberger(at)wu.ac.at