















„Was KI alles kann, haben wir in den vergangenen zweieinhalb Tagen gesehen“, leitete Moderatorin Birgit Dalheimer (ORF) von der Konferenz in die Abschlussdiskussion über. Zu klären sei nun noch die Frage, welche Konsequenzen sich daraus für die Wissenschaft, insbesondere für die Geistes- und Sozialwissenschaften ergeben würden. Auf dem Podium: Heinz Faßmann, Präsident der ÖAW, Sebastian Schütze, Rektor der Universität Wien, Berenike Herrmann, Sprachwissenschaftlerin und Professorin der Universität Bielefeld, Matthias Karmasin, Direktor des CMC/ÖAW und Professor der Universität Klagenfurt, sowie Alexandra N. Lenz, Mitveranstalterin der Konferenz, Direktorin des ACDH-CH/ÖAW und Professorin der Universität Wien.
In einem Punkt war man sich rasch einig: Aufgabe der Geistes- und Sozialwissenschaften sei es, den ethischen Unterbau zu liefern, auf dessen Basis Tech-Entwicklung und KI-Nutzung stattfinden solle. „Wir müssen über strukturelle ethische, und nicht technische Grenzen nachdenken“, forderte Matthias Karmasin. Allerdings: Diese ethischen Grenzen bei laufendem Studienbetrieb zu definieren, sei schwierig, wie Uni Wien-Rektor Sebastian Schütze ausführte: „Die Frage beschäftigt uns Tag und Nacht. Selbstverständlich haben wir Guidelines, allerdings zielen wir damit auf ein „moving target“ “. Denn beim rasenden Tempo der KI-Entwicklung sei es schwierig, treffsicher Regeln zu formulieren.
Quasi über Nacht sei man in der Situation, dass nicht nur Förderanträge mit Hilfe von KI erstellt, sondern auf der anderen Seite auch mit KI bewertet würden. „Maschine gegen Maschine? Das ist nicht, was wir erwartet haben. Hier müssen wir über neue Wege in der Forschungsförderung nachdenken“, forderte Heinz Faßmann. „Man muss klar ausweisen können: Gab es maschinelle Unterstützung?“ Eine mögliche Lösung könnten Hearings vor Ort oder mündliche Prüfungen sein. Eine gute Idee, fand auch Uni-Rektor Sebastian Schütze, bloß: „mit dem Personal, das wir aktuell in den Massenfächern haben, definitiv nicht umzusetzen.“ Schließlich gehe das „budgetäre Gegenüber davon aus, dass wir weniger Menschen brauchen durch KI – und nicht mehr.“
Zugleich betonte das Podium auch die Chancen von KI. Heinz Faßmann: „Sie wird unsere intellektuelle Arbeit verändern. Wir haben große Hoffnung, dass sie uns in der Forschung lästige Arbeit abnehmen wird. So kann etwa KI mittelalterliche Handschriften erfassen, digitalisieren und dabei neue Fragestellungen eröffnen: Welche Handschriften gehören zusammen? Wer hat sie beauftragt? Wer hatte hier politisch seine Finger im Spiel?“
Mit einem Plädoyer für mitunter auch „monotone“ Aufgaben reagierte an dieser Stelle Rektor Sebastian Schütze: „Buddhistisch gesprochen – ist im Studium nicht auch der Weg das Ziel? Vielleicht hilft es mir, ein Manuskript ein paar Monate intensiv zu betrachten – um erst dann das KI-Instrument sinnvoll nutzen zu können?“ Welche Tätigkeiten an die KI zu delegieren seien und welche Teil des Curriculums bleiben sollten, sei insofern mit Bedacht zu entscheiden.
Zudem, so Alexandra N. Lenz, hätten aktuelle Studien des MIT (Massachusetts Institute of Technology) gezeigt, dass eine Versuchsgruppe, die eine kreative Aufgabe mit Hilfe von LLMs (Large Language Models) erledigt hatte, hinsichtlich neuronaler Verbindungen „underperformed“ hätte im Vergleich zur „brain-only“-Gruppe. Die Langzeitkonsequenz von KI-Nutzung sei zu bedenken. „Wir brauchen eigenständige Produktionserfahrungen bei denen wir unser Gehirn anstrengen.“
Ein weiterer Konsens: Wir erleben eine Zeitenwende. „Die Conditio Humana ist herausgefordert. Kreativität, Empathie und Phantasie werden von etwas Menschengeschaffenem übernommen, das nicht menschlich ist“, so Matthias Karmasin. Er kenne den Text einer Theologin, die die These vertrete, man habe „einen neuen Gott geschaffen“. Und tatsächlich, führte Berenike Herrmann diesen Gedanken an einem praktischen Beispiel fort, hätte die Maturaklasse ihres Sohnes, nach den Abschlussprüfungen eine Statue für ChatGPT gebaut, um ihr zu huldigen. – Ein Bild, das allgemeine Heiterkeit hervorrief.
„Wir sind die letzte Generation, die ohne „Devices“ aufgewachsen ist. Mit dieser Erfahrung sind wir gefordert, Lösungen zu finden“, so Herrmann, die in Bielefeld als Teil einer multidisziplinären Forschungsgruppe arbeitet und sich mehr solche fächerübergreifende Forschung wünscht.
Zum Abschluss der Diskussion fasste Hausherr Faßmann zwei wesentliche Forderungen des Podiums zusammen: „Interdisziplinärer Dialog! Wenn wir da zu lange warten, werden wir von Entwicklungen überrollt, die möglicherweise schlechter zu steuern sein werden. Und: Die Rückkehr der Mündlichkeit, die unser akademisches Leben durchaus bereichern kann.“