30.11.2022

Gold aus Troia, Poliochni und Ur hatte denselben Ursprung

Forscher:innen aus Tübingen, Mannheim und von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnten die berühmten Schmuckstücke erstmals mit einer neuen Lasermethode untersuchen. Damit weisen sie nach, dass die Handelsbeziehungen in der frühen Bronzezeit bis ins Industal reichten.

Bild eines antiken, goldenen Schmuchstücks
© ÖAW/Christoph Schwall. FÜR PRESSEBILDER BITTE NACH UNTEN SCROLLEN/SWIPEN.

Das Gold in Objekten aus Troia, Poliochni auf der ca. 60 km vor Troia liegenden Insel Lemnos und dem mesopotamischen Ur hat denselben geographischen Ursprung und wurde über große Distanzen gehandelt. Zu dieser Erkenntnis kommt ein internationales Forschungsteam, das mit Hilfe einer innovativen mobilen Lasermethode erstmals Proben von berühmten frühbronzezeitlichen Schmuckstücken aus Troia und Poliochni analysiert hat. Das berichten die Forscher:innen um Ernst Pernicka von der Universität Tübingen und dem Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim sowie um Barbara Horejs vom Österreichischen Archäologischen Institut der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nun in der Fachzeitschrift Journal of Archaeological Science.

Schatz des Priamos erstmals mit Laserstrahlen untersucht

Seit Heinrich Schliemann 1873 in Troia unter anderem den „Schatz des Priamos“ gefunden hat, ist das Rätsel um die Herkunft des Goldes ungelöst. Ernst Pernicka und das internationale Team mit Beteiligung der ÖAW konnten nun nachweisen, dass es aus sogenannten sekundären Lagerstätten wie Flüssen stammte und seine chemische Zusammensetzung einerseits identisch ist mit der von Goldobjekten aus der Siedlung Poliochni und aus den Königsgräbern im mesopotamischen Ur, andererseits aber auch mit der von Objekten aus Georgien. „Es muss also Handelsbeziehungen zwischen diesen weit entfernten Regionen gegeben haben“, sagt Pernicka.
 
Die Untersuchung war möglich geworden durch einen neu entwickelten tragbaren Laser, der die Entnahme von Probenmaterial aus Schmuckstücken im Archäologischen Nationalmuseum in Athen ermöglichte. Die Halsketten, Anhänger, Ohr- und Halsringe des Museums sind so kostbar, dass sie weder in ein Labor transportiert, noch auf eine Weise untersucht werden dürfen, die sichtbare Schäden an den Objekten hinterlässt. Die bisher verfügbaren Methoden scheiterten an mindestens einem dieser Hindernisse. Der tragbare Laser dagegen schmilzt für eine Probeentnahme vor Ort im Museum ein so kleines Loch in die Stücke, dass es mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist. Anschließend konnten Pernicka und sein Team im Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim die Proben mittels Massenspektrometrie auf ihre Zusammensetzung hin untersuchen.

Chemischer Fingerabdruck von 4.500 Jahre altem Gold erstellt

Historischer Goldschmuck enthält neben Gold immer auch andere Elemente wie Silber, Kupfer, Zinn, Palladium und Platin. Je nach Legierung können Wissenschaftler:innen ein eindeutiges chemisches Profil von den Fundstücken erstellen und daraus Rückschlüsse ziehen. So sind die hohen Konzentrationen von Zinn, Palladium und Platin im Troia-Schmuck ein klarer Hinweis darauf, dass das dafür verarbeitete Gold in Form von Goldstaub aus einem Fluss gewaschen wurde. Die Forschenden konnten auch nachweisen, dass Werkstätten Schmuck in Serie produzierten und nicht nur als Einzelstücke. Anders sei beispielsweise der identische Anteil von Platin und Palladium in den Goldplättchen von Halsketten gleicher Machart, die aber an unterschiedlichen Orten gefunden wurden, nicht zu erklären.
 
Insgesamt untersuchte das Forschungsteam 61 Artefakte, die alle aus der frühen Bronzezeit zwischen 2.500 und 2.000 v. Chr. stammen. In diesen Zeitraum gehört auch der berühmte „Schatz des Priamos“, den Schliemann fälschlicherweise dem mythischen König von Troia aus der Ilias zugeordnet hatte.

Handelsbeziehungen der Bronzezeit von der Ägäis bis ins heutige Pakistan

Auch über die Herkunft des Goldes aus den Königsgräbern von Ur war in der Fachwelt schon seit Jahrzehnten diskutiert worden. In Mesopotamien gibt es keine natürlichen Goldvorkommen – weshalb West-Anatolien, wo auch Troia lag, als mögliche Herkunftsregion vermutet worden ist. „Es kommen aber noch ganz andere Regionen in Betracht, in die rege Handelsbeziehungen mit Ur nachgewiesen sind“, so Pernicka.

In der frühen Bronzezeit wurden in einem großen geographischen Raum von der Ägäis bis ins Industal im heutigen Pakistan auffallend ähnliche Gegenstände genutzt, wie die archäologischen Vergleichsstudien belegen: amtliche Siegel und standardisierte Gewichte, Ohrringe mit denselben Spiralmustern, Schmucksteine wie Lapislazuli oder der orange-weiß schimmernde Karneol. „Die neuen archäometrischen Daten eröffnen uns einen soliden und globalen Rahmen für unsere Modelle von Gesellschaften, ihren Netzwerken und die Bedeutung von Ressourcen vor rund 4500 Jahren“, so Barbara Horejs von der ÖAW in Wien.
 
Die genaue Herkunft des Troia-Goldes konnten die Forschenden noch nicht zweifelsfrei klären, sagt Pernicka: „Wenn wir den Anteil von Spurenelementen im Gold aus Troia, Poliochni und Ur betrachten, so zeigt bronzezeitliches Gold aus Georgien die größte Übereinstimmung mit den genannten Fundorten. Uns fehlen aber noch Daten und Untersuchungen aus anderen Regionen und von weiteren Objekten um diese Vermutung zu erhärten.“


Pressebilder

 

Auf einen Blick

Publikation

"Portable laser ablation sheds light on Early Bronze Age gold treasures in the old world: New insights from Troy, Poliochni, and related finds", Moritz Numrich, Christoph Schwall, Nicole Lockhoff, Kostas Nikolentzos, Eleni Konstantinidi-Syvridi, Massimo Cultraro, Barbara Horejs, Ernst Pernicka, Journal of Archaeological Science, 2022
DOI: https://doi.org/10.1016/j.jas.2022.105694

Kooperation

Für die Studie haben Naturwissenschaftler:innen und Archäolog:innen zusammengearbeitet. Beteiligt waren die Universität Tübingen, das Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim, das Österreichische Archäologische Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und das Archäologische Nationalmuseum in Athen. Die Forschungen wurden u.a. vom Innovationsfonds der ÖAW gefördert.

Rückfragehinweis

Sven Hartwig
Leiter Öffentlichkeit & Kommunikation
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Dr. Ignaz Seipel-Platz 2, 1010 Wien
T +43 1 51581-1331
sven.hartwig(at)oeaw.ac.at

Wissenschaftliche Kontakte

Ernst Pernicka
Senior Professor Universität Tübingen
Scientific and Managing director
Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH
D6, 3, 68159 Mannheim
T:  +49 621 293 8946
ernst.pernicka(at)ceza.de

Barbara Horejs
Wissenschaftliche Direktorin
Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
Österreichisches Archäologisches Institut
Hollandstraße 11-13, 1020 Wien, Österreich
T: +43 1 51581-6101
M: +43 650 4270027
barbara.horejs(at)oeaw.ac.at