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ArchäologieKeramikforschung

„Für Käse“: Was Keramik über das Leben im antiken Ephesos verrät

Die antike Stadt Ephesos war nicht nur ein zentraler Umschlagplatz für Waren aus aller Welt, sondern galt auch als wichtiger Keramikproduzent. ÖAW-Archäologin Laura Rembart untersucht das Ess- und Trinkgeschirr der Römer – und stößt dabei auf ungewöhnliche Hinweise auf die Verwendung von antiker Keramik.

08.08.2025
"Für Käse": Die Bedeutung dieses neu entdeckten epigraphischen Stempels war für Archäologin Laura Rembart eine Überraschung.
© Niki Gail/ÖAI

Teller, Schüsseln, Krüge – Gegenstände wie diese wurden im antiken Ephesos von jedermann verwendet, was die Auseinandersetzung mit Keramik für Archäologin Laura Rembart vom Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) so spannend macht. Denn sie verraten viel über das damalige Alltagsleben. Immer wieder begegnen der Forscherin dabei auch ganz besondere Funde: Wie jene Keramik, die scheinbar für rituelle Zwecke und „heiligen Käse“ verwendet wurde. Was das bedeutet haben könnte und was man aus Keramiken sonst noch ablesen kann, erzählt die ÖAW-Archäologin im Interview.

Keramikproduktion in Ephesos

Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?

Laura Rembart: Wir beschäftigen uns mit den Keramikartefakten, die aus den Grabungen in Ephesos kommen, vor allem aus der hellenistischen, römischen und spätantiken Zeit. Momentan bearbeite ich die sogenannte Eastern Sigillata B. Das ist eine weit verbreitete römische Tafelgeschirrkategorie, also das Ess- und Trinkgeschirr der Römer:innen, das im Umland von Ephesos produziert wurde. Wir wissen, dass es ein verbreitetes Massenprodukt war, das ab dem ersten Jahrhundert nach Christus in die gesamte antike Welt exportiert wurde. Wir haben z.B. Funde aus Kroatien von einem Schiffswrack, das mit dieser Ware gesunken ist. Eine große Frage ist aber nach wie vor der Produktionsort der Eastern Sigillata B.

Gibt es darauf schon Hinweise?

Rembart: Wir haben zusammen mit der Technischen Universität Wien Analysen gemacht, sogenannte Neutronenaktivierungsanalysen, bei denen wir die chemische Zusammensetzung des Tons analysieren. Diese haben ergeben: Es gibt eine Rohstoffquelle und die konnten wir sogar mit einer modernen Ziegelei in der Nähe von Tralleis, dem heutigen Aydın (Türkei) in Verbindung bringen. Diese Ziegelei hat in den 1990er-Jahren denselben Rohstoff verwendet wie damals schon die alten Römer.

Man kann also über die Keramik sehr viel über das Alltagsleben der damaligen Bevölkerung ablesen.

Was macht Keramiken für Sie interessant?

Rembart: Ich finde die Keramik so spannend, weil sie von jedem benutzt wird, also nicht nur von der Elite, sondern vom Kind bis zum alten Menschen in jeder gesellschaftlichen Schicht. Man kann also über die Keramik sehr viel über das Alltagsleben der damaligen Bevölkerung ablesen. Und Ephesos war immer auch ein Melting Pot von Kulturen.

Sprechende Stempel 

Was kann man von Keramiken beispielsweise ablesen?

Rembart: Gerade die Terra Sigillata hat die Tradition, dass man Gefäße in der Mitte mit einem Töpferstempel versieht. Das können unter anderem Namen der Töpfer sein, die ihre Produkte damit kennzeichnen. Die Frage ist, ob sie damit die Stücke promoten und diese Stempel quasi als Werbung nutzen. Oder ob es auch darum geht, dass es eine große Werkstatt, die verschiedene Produzenten vereint, die Produkte nicht verwechselt, wenn sie in einem Ofen gebrannt werden.

Ich war neugierig... Und dann habe ich dort neue epigraphische Stempel entdeckt.

Gab es noch andere Funktionen dieser Töpfertempel?

Rembart: Neben den Töpferstempeln gibt es noch sogenannte sprechende Stempel. Das sind z.B. Grußworte oder Glückwünsche, die das Gefäß als glücksbringenden Gegenstand kennzeichnen. In Ephesos haben wir jetzt ungefähr 70 solcher epigraphischer Stempel gefunden. Im Artemision, dem Artemis-Heiligtum in Ephesos, wurde 2023 eine Grabung gemacht. Als die Kolleg:innen die Keramik von der Grabung gewaschen und auf die Netze ausgelegt haben, war ich neugierig zu schauen, in welchem Zeitrahmen wir uns befinden. Und dann habe ich dort neue epigraphische Stempel entdeckt.

Von Opfern und heiligem Käse

Was wissen wir über diese Stempel?

Rembart: Zuerst dachte ich, es könnte ein Töpfer sein, der vielleicht nur fürs Artemision produziert hat. Ich habe die Fotos einem Epigraphiker in Deutschland geschickt, der mir zurückgeschrieben hat: Das heißt „für Käse“. Am Anfang fand ich das schade, aber wenn man länger drüber nachdenkt, ist es extrem interessant, dass man anscheinend für das Artemision tatsächlich Gefäße produzieren lässt, die nur für das Heiligtum in einer rituellen Handlung zu verwenden sind. Denn wir wissen aus Inschriften von Priene und Milet, dass es einen heiligen Käse gegeben hat, der in Opferritualen oder eben im kulturellen Setting verwendet wurde.

Es ist recht spannend, dass einige Gefäße Brand- und Schnittspuren haben.

Haben Sie sonst noch etwas über die Verwendung der Gefäße herausgefunden?

Rembart: Es ist recht spannend, dass einige Gefäße Brand- und Schnittspuren haben. Das heißt, es sieht so aus, als ob man diese Gefäße für eine Veranstaltung produziert hat. Es wurden der Göttin Opfer dargebracht, die Gefäße zerschlagen, teilweise ins Feuer geworfen, und dann entsorgt.

 

 

Auf einen Blick 

Laura Rembart ist Archäologin mit dem Schwerpunkt Keramikforschung am Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW. Sie nimmt seit 2003 an der Grabung Ephesos teil und schloss 2009 ihr Diplomstudium an der Universität Wien ab. Von 2011 bis 2016 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am ÖAI tätig und ging 2016/17 im Rahmen eines Marietta Blau-Stipendiums an die Boston University, MA. 2018 promovierte sie an der Universität Salzburg und erhielt 2020 das APRT-GSK Stipendium der ÖAW. Seit 2021 ist sie Postdoktorandin am ÖAI.