26.01.2023 | Gegenwartsantisemitismus

Faßmann: ÖAW startet Antisemitismusforschung

Schwerpunkt: Antisemitismus der Gegenwart - erstmals institutionelle Verankerung der Antisemitismusforschung - ÖAW wird Plattform der internationalen Vernetzung

Eine Brille, die auf den Eintrag "Antisemitismus" in einem Lexikon gerichtet ist.
Der Antisemitismus, eine feindliche Einstellung gegenüber dem Judentum, ist ein weiterhin ungelöstes gesellschaftliches Problem. © AdobeStock

Am 27. Jänner gedenken wir der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau im Jahr 1945 durch die Rote Armee. Das Ende des Holocaust bedeutete aber nicht das Ende des Antisemitismus. Dieser beschäftigt uns auch in der heutigen Zeit. Die Ursachen, Auswirkungen und Erscheinungsformen des gegenwartsbezogenen Antisemitismus sind bisher noch wenig erforscht. Er begegnet uns aber im Internet und den sozialen Medien, an den politischen Rändern, manchmal auch bei Zugewanderten aus dem Nahen Osten und in der bürgerlichen Mitte. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) will diese Forschungslücke nun schließen und im Bereich der Antisemitismusforschung ein international verankertes und interdisziplinär ausgerichtetes Center of Excellence aufbauen. 

ÖAW-Präsident Heinz Faßmann: „Antisemitismus ist weiterhin ein Thema der Zeit. Die Wissenschaft kann dies negieren oder sich ernsthaft damit auseinandersetzen. Wir entschließen uns für zweiteres und werden uns mit dem Gegenwartsantisemitismus auseinandersetzen, mit der Rolle der sozialen Medien, der politischen Verbrämung, den Möglichkeiten der schulischen Aufklärung und anderes mehr. Wir werden mit den Universitäten und den außeruniversitären Forschungsinstituten in Österreich und dem Ausland zusammenarbeiten. Und wir werden einen Kontrapunkt zu den politisch aufgeladenen Kontroversen setzen.“

Die renommierte Historikerin Heidemarie Uhl leitet den neuen Schwerpunkt an der ÖAW, der am Institut für Kulturwissenschaften angesiedelt ist. Diese Forschungseinrichtung konnte sich bereits in der Vergangenheit mit der interdisziplinären Aufarbeitung des Nationalsozialismus und der Erinnerung daran in einer Vielzahl an Projekten eine außergewöhnliche Reputation erarbeiten. Mit dem neuen Forschungsschwerpunkt etabliert sich das Institut als wichtiges Zentrum in der österreichischen Forschungslandschaft.

Bestandsaufnahme, Fellowships, Monitoring, Vernetzung

Die Antisemitismusforschung an der ÖAW soll im Wesentlichen vier Forschungsaktivitäten umfassen:

Bestandsaufnahme: Grundlage für die weitere Forschung ist die Identifikation von neuen Themen und Methoden sowie auch von Forschungskontroversen. Uhl: „Der neue Schwerpunkt hat das Ziel, den internationalen Stand der Forschung zu erfassen und die Fragestellungen, Themen und Methoden der wichtigsten internationalen Forschungseinrichtungen zu erheben. Daraus soll die genauere inhaltliche Ausrichtung der Antisemitismusforschung an der ÖAW erfolgen.“

Helga Embacher, Professorin für Zeitgeschichte an der Paris-Lodron-Universität Salzburg, wird die Bestandsaufnahme leiten. 

Fellowships: Die ersten Forschungsprojekte zum Thema „Antisemitismus heute“ wurden bereits ausgeschrieben. Gefördert werden Vorhaben, die sich mit Dynamiken, Herausforderungen und Wirkungen des Gegenwartsantisemitismus beschäftigen. Das Fellowship Programm wird thematisch und geografisch breit aufgestellt sein, eine internationale Kooperation anstoßen sowie eine flexible Ausrichtung des Forschungsschwerpunkts ermöglichen.

Monitoring: Die empirische Erhebung über die Wahrnehmung und Einstellung der in Österreich wohnhaften Bevölkerung zum Antisemitismus umfasst den dritten Schwerpunkt. Diese wird derzeit vom Parlament durchgeführt. Der ÖAW stehen die Daten zur Verfügung, die nun tiefergehend analysiert werden.

Vernetzung: Viele nationale und internationale Institute arbeiten zum Thema Antisemitismus. Die ÖAW will sich künftig als eine Plattform des Austauschs und der Zusammenarbeit etablieren, die Workshops, internationale Tagungen und Konferenzen abhält.

Ein international ausgerichteter, wissenschaftlicher Beirat wird den Schwerpunkt Antisemitismusforschung begleiten und die Vernetzung mit der Scientific Community unterstützen.