Die Chronologie vom Ende der Spätbronzezeit und der ersten Hälfte der Eisenzeit (ca. 1200 bis 900 v. Chr.) in der südlichen Levante, die das heutige Israel, Jordanien und die palästinensischen Autonomiegebiete umfasst, wurde in den vergangenen Jahrzehnten intensiv von Fachleuten diskutiert. Die Datierung von einzelnen Siedlungen und deren materieller Kultur hat dabei einen entscheidenden Einfluss darauf, wie die Gesamtgeschichte der Region rekonstruiert wird.
Bisher basierte die Chronologie vorwiegend auf dem Vergleich von Keramikstilen und deren Verknüpfung mit der politischen Geschichte Ägyptens und Assyriens. Nun spielt die Methode der Radiokarbondatierung eine immer wichtigere Rolle bei der archäologischen Altersbestimmung.
Verkohlte Samen als Zeitzeugen
Ein neuer Artikel in PLOS ONE legt neue Radiokarbondaten für Tel Gezer, eine der historisch bedeutendsten bronze- und eisenzeitlichen Stätten in der südlichen Levante, vor. Die Daten wurden von Forscher:innen des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Zusammenarbeit mit einem US-amerikanischen Grabungsteam ermittelt.
Lyndelle Webster, Archäologin am Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW: „Wir haben mehr als 75 Messungen an verkohlten Samen aus mehreren Siedlungs- und Zerstörungsschichten vorgenommen. Die Ergebnisse der 35 Messungen aus den spätbronzezeitlichen und eisenzeitlichen Schichten, die in unserer Studie veröffentlicht wurden, datieren in das 13. bis 9. Jahrhundert v. Chr. Das ermöglicht uns zum ersten Mal, die Geschichte von Gezer auf eine feste Zeitachse zu stellen."
Aufgrund der Lage entlang alter Handelsstraßen zählte die Stadt zu den wichtigsten Orten der Bronze- und Eisenzeit (3. bis 1. Jahrtausend v. Chr.) und wird in zahlreichen ägyptischen, biblischen und assyrischen Quellen erwähnt, wo sie vor allem mit Machtkämpfen und Eroberungszügen in Verbindung gebracht wird.
Rekonstruktion der Stadtgeschichte
Mit den Ergebnissen der 14C-Messungen liegt nun erstmals eine sichere Datierung der spätbronzezeitlichen und eisenzeitlichen Schichten vor. Die zahlreichen schriftlichen Erwähnungen von Gezer ermöglichen es aber auch zu überprüfen, ob die absoluten Datierungen in Beziehung zu historischen Ereignissen, wie Zerstörungen, Neubauten oder dem Bau von Befestigungsanlagen, gesetzt werden können.
Die Radiokarbondaten belegen, dass Gezer um 1200 v. Chr. stark zerstört wurde. Das Ereignis steht möglicherweise mit einem Eroberungsfeldzug des ägyptischen Königs Merenptah in Verbindung, hängt aber sicherlich mit der allgemeinen Krise zusammen, die am Ende der späten Bronzezeit in dieser Region und im östlichen Mittelmeerraum zu beobachten ist. Die Radiokarbondatierung der nachfolgenden Siedlungsschicht trägt zu einer seit langem geführten Debatte in der Fachwelt über die Datierung der "philistäischen" Kultur bei. Diese entstand in der nahe gelegenen Küstenebene und ihr Einfluss erreichte Gezer um die Mitte des 12. Jahrhunderts v. Chr., wie Funde von "philistäischer" Keramik belegen.
Eine weitere Diskussion behandelt den Übergang zu monumentaler öffentlicher Architektur und zentralisierter Verwaltung in Gezer. Dieser Wandel kann nun mithilfe der Radiokarbondaten in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts v. Chr. und nicht erst in das 9. Jahrhundert v. Chr. datiert werden. Das Ergebnis könnte bedeuten, dass aufstrebende politische Einheiten, wahrscheinlich aus dem Hochland, mit dieser Entwicklung in Verbindung stehen.
Kurz darauf um die Mitte des 10. Jahrhunderts v. Chr. wird diese erste Monumentalarchitektur zerstört. Danach wurde die Stadt wiederaufgebaut, erlitt aber bald darauf eine weitere große Zerstörung. Diese wird nun eindeutig auf etwa 900 v. Chr. datiert. Das steht im Gegensatz zu früheren Vorstellungen, die sie mit einem Feldzug des aramäischen Königs Hazael um 840 v. Chr. in Verbindung brachten. Die neuen Radiokarbondaten schließen dieses spätere Szenario eindeutig aus. Alternativ sind nicht-militärische Ursachen oder Konflikte zwischen Juda, Israel und deren Nachbarn denkbar.