18.08.2023 | Farbe bekennen

Die Welt in Pink

Dem Hype um den Blockbuster „Barbie“ ist diesen Sommer kaum zu entkommen. Vor diesem Hintergrund der rosaroten Plastikwelt schildern Forscherinnen die reale historische Bedeutung, Herkunft und weiteres Wissenswertes zur Farbe Pink.

Pink - mehr als nur eine Farbe. © AdobeStock

Pink regiert derzeit die Kinowelt. Mit dem Blockbuster „Barbie“ hat die US-Regisseurin Greta Gerwig Geschichte geschrieben und mehrere Rekorde gleichzeitig gebrochen: Nach weniger als drei Wochen spielte der Film über die populäre Plastikpuppe, die sich aufmacht, das Patriarchat zu bekämpfen, weltweit mehr als eine Milliarde Dollar ein. Damit ist Greta Gerwig die erste Solo-Regisseurin, die diese Marke überspringt.

Die Farbe Pink spielt in Barbies Welt eine tragende Rolle: Für Kulissen und Requisiten wurde derart viel Pink benötigt, dass dem US-amerikanischen Farbenhersteller Rosco sogar der Farbton knapp wurde. Aber was hat es mit der Farbe Pink für eine Bewandtnis? Welche historische Bedeutung hat der Farbton? Und woher stammt die Farbe?

Leuchtendes Pink im antiken Ephesos

Die Geologin Alexandra Rodler-Rørbo forscht an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zu Rohstoffherkunft und Produktionstechnologien von Pigmenten in der Antike. Damals wurde die Farbe Pink u.a. aus den Wurzeln der Pflanze Rubia tinctorum, auf Deutsch Färberkrapp, gewonnen, erklärt sie. Die gelb blühende Pflanze breitete sich im Mittelmeerraum und in Vorderasien aus. Je nach Mischung changiert Krapp zwischen Rot oder Pink.

In der Nähe von Ephesos in der Türkei weisen einige Ortsnamen darauf hin, dass dort einst rote Materialien produziert wurden, etwa Zinnoberrot. Und sogar im ephesischen Tempel der Artemis, einem der sieben Weltwunder der Antike, kann man heute noch unter UV-Licht die Reste der Bemalung von Architekturelementen mit Krapp sichtbar machen, so die ÖAW-Geologin.

Ein Hauch von Rosa im Schloss Schönbrunn

Auch das Wiener Schloss Schönbrunn, Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, erstrahlte nicht immer im namensgebenden Schönbrunner Gelb. In den Farbschichten an den Fassaden des ursprünglichen Jagdschlosses findet sich auch ein Hauch von Rosa. Für die ÖAW-Kunsthistorikerin Anna Mader-Kratky, die gemeinsam mit Elfriede Iby ein Buch über die kaiserliche Sommerresidenz Schönbrunn schreibt, lässt sich der Farbton aber weniger als Rosa, sondern mehr als ins Rötliche gehender Orangeton beschreiben.

„Soweit heute bekannt, handelte es sich bei dieser Fassadenfärbelung um eine im barocken Wien außergewöhnliche Farbgebung, die ihre Wirkung vor allem durch die farbige Brechung zwischen Rot, Orange sowie Gelb und den daraus entstandenen Effekt einer Marmorierung entwickelt haben muss“, so Anna Mader-Kratky.

Rosa als das kleine Rot

Heute ist Pink wie keine andere Farbe klar einem Geschlecht zugeordnet und gilt als Mädchenfarbe. Vor hundert Jahren glaubte man das Gegenteil. Rosa und Pink galten als die kleinere Version des königlichen (Purpur-)Rot und wurden Jungen zugeschrieben, Hellblau hingegen den Mädchen, weil sie als Farbe der Jungfrau Maria galt, erzählt die Psychologin Marlene Kollmayer. Sie forscht an der Uni Wien zu Geschlechterstereotype in der Bildungssozialisation.

Das Ladie’s Home Journal, eine Frauenzeitschrift in den USA, schrieb 1918: „Die allgemein akzeptierte Regel ist Rosa für Jungen und Blau für die Mädchen. Der Grund dafür ist, dass Rosa als eine entschlossenere und kräftigere Farbe besser zu Jungen passt, während Blau, weil es delikater und anmutiger ist, bei Mädchen hübscher aussieht.“ Warum sich die stereotypen Farbzuordnung schließlich änderten, ist nicht ganz klar, sagt Kollmayer. „Eine Theorie postuliert, dass männliche Arbeitskleidung, also Blaumann oder Bluejeans, der Grund war, eine andere, dass der ‚Rosa Winkel´, der im Nationalsozialismus jene Häftlinge kennzeichnete, die aufgrund des Verdachts auf homosexuelle Neigungen in KZs verschleppt wurden, die Ursache war“, so die Psychologin.

Der „Rosa Winkel“ im Nationalsozialismus

Aber warum führten die Nazis für Homosexuelle die Farbe Rosa ein? Auch dazu gibt es widersprüchliche Theorien, erklärt Isolde Vogel. Sie ist Historikerin an der ÖAW und forscht zu Geschichte und Ideologie des Nationalsozialismus. Dass Rosa bis dahin mit Bubenkleidung in Verbindung stand, war für die Nazis die Nutzung des „Rosa Winkels“ wohl eher mit Verkindlichung denn mit Verweiblichung verbunden, sagt sie. „Denn in männlicher Homosexualität sahen die Nazis nicht nur eine Bedrohung für die ‚sittliche Gesunderhaltung des Volkes’ und die männerbündische Organisation des NS-Staates, sondern auch die Gefahr der angeblichen ‚Schädigung der Jugend‘ durch Homosexuelle – eine Anschuldigung, die bis heute in queer- und homofeindlichen Milieus verbreitet ist.“

Die Farbe Rosa spielte auch nach dem Ende des Nationalsozialismus für die homosexuelle Bewegung eine Rolle. Vogel: „Das versteht sich nicht zuletzt auch im Kontext der Tatsache, dass nach 1945 zwar der NS-Terror, nicht aber die Strafverfolgung Homosexueller vorbei war. Später gewann der ‚Rosa Winkel´ als Symbol der Unterdrückung, Entrechtung und Verfolgung eine neue Bedeutung durch die Umwidmung zum selbstermächtigenden Zeichen der Schwulen- und Lesben-Community.“

Barbie-Puppe zementiert Pink als Mädchenfarbe

„Mädchenspielzeug“ und „Bubenfarben“? Wer heute in Spielzeugläden unterwegs ist, findet über weite Strecken strikte Geschlechtertrennung entlang von Farben, die ausschließlich Buben oder Mädchen ansprechen sollen. Dasselbe Konsum-Korsett gilt für die Bekleidungsindustrie. Durch Gender-Marketing, also der geschlechterspezifischen Entwicklung und Vermarktung von Produkten, kann die Spielzeug- und Textilindustrie heute gleich doppelt so viele Produkte verkaufen.

Für die Bildungspsychologin Marlene Kollmayer eine Entwicklung, die eng mit der Einführung der ersten Barbie-Puppe verknüpft ist: „Zementiert wurde Rosa bzw. Pink als Mädchenfarbe dann, als 1959 die erste Barbie-Puppe in einer pinkfarbenen Verpackung den Spielzeugmarkt eroberte.“
 

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Auf einen Blick

Forschung an der ÖAW