07.07.2022 | Corona-Teststrategie

Corona-Zahlen: Tests bleiben wichtige Datengrundlage

Von der Anzahl der Neuinfektionen über die Belegungsrate der Intensivstationen bis hin zur Fallsterblichkeit: Erhobene Daten stellen seit Beginn der Pandemie eine Grundlage für weitreichende politische Entscheidungen dar. Wie aussagekräftig die Fallsterblichkeit ist und wie diese von der Teststrategie abhängt, das haben Demograph/innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften anhand mathematischer Modelle berechnet.

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Sie war ein wichtiges Puzzleteil der Wiener Teststrategie: die kleine blaue Schachtel mit der Kochsalzlösung und dem Röhrchen. Bis März 2022 nahmen durchschnittlich 188.000 Menschen pro Tag von den kostenlosen breitflächigen Gurgeltests der Bundeshauptstadt Gebrauch. An manchen Tagen wurden in der Zwei-Millionen-Stadt sogar so viele PCR-Tests durchgeführt wie in ganz Deutschland zusammen. Das Testangebot in Österreich hat sich seither geändert. Für die Forschung sind die in den vergangenen Monaten gewonnenen Daten aber noch immer von großem Wert.
 
Wie Forscher/innen des Instituts für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sowie der Technischen Universität Wien in einer neuen Studie zeigen, ist es nicht nur wichtig, möglichst lückenlos Daten zum Pandemiegeschehen zu erheben, sondern auch ihre Aussagekraft bei unterschiedlichen Teststrategien zu hinterfragen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Internationalen Zeitschrift für Infektionskrankheiten veröffentlicht.

Was die Fallsterblichkeit über die Pandemie aussagt

Konkret fanden die Forscher/innen Vanessa di Lego, Miguel Sánchez-Romero und Alexia Prskawetz heraus, dass die Fallsterblichkeit (Case Fatality Rate), also die Anzahl der Verstorbenen unter den an COVID-19 erkrankten Menschen, bis 2021 einen verlässlichen Faktor zur Bewertung der Gefährdungslage darstellte. Mit der Änderung der Impfraten, reduziertem Testangebot und dem Aufkommen neuer Virus-Mutationen ist die Aussagekraft der Fallsterblichkeit aber neu zu beurteilen.
 
Dazu haben die Wissenschaftler/innen die Rolle der Wirksamkeit von Impfstoffen bei der Vermeidung von Todesfällen analysiert. Verknüpft wurden die Daten mit Zahlen zum Infektionsgeschehen – sowohl bei geimpften Personen mit sogenannten Durchbruchsinfektionen, als auch bei ungeimpften Personen.

Österreich als Fallstudie

„Österreich war für unsere Fallstudie aufgrund seiner ausgeprägten COVID-19 Testpolitik, den detaillierten Daten über Todesfälle, Infektionen und Impfstatus bestens geeignet“, sagt Vanessa Di Lego, ÖAW-Forscherin und Erstautorin der aktuellen Publikation. Die Daten stammen aus den Jahren 2020 und 2021. Für die verschiedenen Berechnungen konzentrierten sich die Wissenschaftler/innen auf die über 84-Jährigen.
 
Die Forscher/innen simulierten drei hypothetische Szenarien, die sich aus einer unterschiedlichen Kombination aus der Wirksamkeit der Impfstoffe bei der Vermeidung von Todesfällen und den Teststrategien bei geimpften und ungeimpften Personen ergaben. Daraus wurde eine mathematische Formel berechnet, die für jedes Land und jede Altersgruppe anwendbar ist.

Begrenzte Bedeutung der Fallsterblichkeit

Das Ergebnis: Wenn bereits geimpfte Personen nicht mehr auf eine Infektion getestet werden, stößt die Aussagekraft der Fallsterblichkeit als Indikator für die Überwachung der Pandemie in einer gemischten Bevölkerung von geimpften und ungeimpften Personen an ihre Grenzen. Der Grund: Die Erkennung von Infektionen ist sowohl in der geimpften als auch in der ungeimpften Bevölkerung entscheidend, um die tatsächliche Zahl der Fallsterblichkeit zu erfassen.
 
„Wenn geimpfte Personen nicht mehr getestet werden, verliert die Fallsterblichkeit ihre Bedeutung bei der Verfolgung der Pandemie“, sagt Miguel Sánchez, ÖAW-Demograph und Co-Autor der Studie. Und: „Dank des Modells, das die Teststrategie kontrolliert, konnten wir feststellen, dass die Impfstoffe bis Ende 2021 auch einen hohen Schutz vor einer Ansteckung boten“, ergänzt Di Lego.

 

Publikation:

„The impact of COVID-19 vaccines on the Case Fatality Rate: The importance of monitoring breakthrough infections“, Vanessa di Lego, Miguel Sánchez-Romero, Alexia Prskawetz, International Journal of Infectious Diseases, 2022
DOI: https://doi.org/10.1016/j.ijid.2022.03.059