09.09.2022 | Archäologie

Baugeschichte des Theaters von Ephesos rekonstruiert

Es zählt zu den größten Theatergebäuden der Antike: das Theater von Ephesos. Forschende der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben jetzt seine Baugeschichte – von der Errichtung in hellenistischer Zeit bis zu den Restaurierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen ab dem 20. Jahrhundert – entschlüsselt. Dadurch ist erstmals eine genaue Chronologie der einzelnen Bauphasen möglich.

Das Theater von Ephesos aus der Vogelperspektive
Das Theaters von Ephesos von Nordwesten. © ÖAW-ÖAI/N. Gail

Über das Theater von Ephesos wurde bereits im Neuen Testament berichtet. Eine aufgebrachte Menschenmenge soll sich im Theater versammelt haben, um gegen den Apostel Paulus vorzugehen. Den Menschen einst bot sich jedoch ein völlig anderes Bild des Gebäudes als den Besucher*innen heute. Damals verfügte das Theater noch nicht über jene riesigen überwölbten Erschließungskorridore, die später für den reibungslosen Zugang großer Menschenmengen zu den Zuschauerrängen errichtet wurden. Diese Erweiterung begann erst gegen Ende des 1. Jahrhunderts. Bis in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts wurde das ephesische Theater dann zu einem der größten kleinasiatischen Theaterräume der römischen Kaiserzeit ausgebaut.
 
Neue Erkenntnisse zu den baulichen Veränderungen am Monument seit der hellinistischen Zeit bis zu seiner Aufgabe Anfang des 7. Jahrhunderts haben jetzt Forschende des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in einer Open Access-Publikation veröffentlicht. Darin wurden die Ergebnisse von Untersuchungen aus den Jahren 2003 bis 2011 umfassend analysiert und mit anderen Theaterbauten verglichen, wobei die Erforschung des Bauwerks durch das Institut sogar bis ins 19. Jahrhundert zurück reicht.

Chronologie der Bauphasen möglich

Bisher fehlten aber noch immer Antworten auf Schlüsselfragen wie nach der Gestalt und Größe des hellenistischen Theaters und nach der Art und Weise, wie die römische Baukunst das „griechische Theater“ adaptierte. „Um den antiken Bestand entschlüsseln zu können, war es wichtig, neben den antiken und spätantik-frühbyzantinischen Bauphasen auch die Intention der modernen Veränderungen und Ergänzungen des 20. Jahrhunderts am Monument zu verstehen“, sagt Gudrun Styhler-Aydın, Bauforscherin an der ÖAW. Ermöglicht hat dies die enge Zusammenarbeit der unterschiedlichsten archäologischen Disziplinen mit der Bauforschung. 
 
„Mit den Ergebnissen der Bauforschung zum Zuschauerraum kann nun in Ergänzung der bekannten Informationen aus Inschriften einerseits genau gezeigt werden, wie das Gebäude in der römischen Kaiserzeit zu einem der größten bekannten kleinasiatischen Theaterräume mit einer maximalen Ausdehnung von annähernd 150 Meter ausgebaut wurde“, so die Forscherin. „Andererseits führen gerade auch die baulichen Maßnahmen und Umnutzungen in der spätantik-frühbyzantinischen Zeit anschaulich die historischen Anstrengungen vor Augen, das Theater inklusive aller zerstörungsbedingten lokalen Einschränkungen zu erhalten und weiter zu nutzen.“

Glücksfall für die Forschung

Da das Theater aufgrund seiner langen Verfallsgeschichte intensiv als Materialressource genutzt wurde, ist der Zustand, wie er sich nach Abschluss der römischen Umbauphasen Mitte des 2. Jahrhunderts zeigte, heute kaum noch nachvollziehbar. Viele Bauteile, wie etwa die einst repräsentative Marmorausstattung, fehlen. Hinzu kommt: Bis in die 1970er-Jahre war das Zuschauerrund verschüttet. Erst durch die völlige Freilegung und den Einsatz hochwertiger 3D-Laserscans ab den 2000er-Jahren konnte das Monument so dokumentiert werden, wie es erhalten geblieben ist.
 
Gut sichtbar sind seither der freiliegende Unterbau der Sitzstufen, Treppen und Umgänge, der Details zur Konstruktion des Monuments und dessen Beschädigungen preisgibt. So sind starke Beeinträchtigungen, wie sie etwa durch Erdbeben verursacht werden, in den Rissbildern der Fassaden sichtbar. Noch in der Nutzungszeit wurden die hohen Zugänge aus Stabilitätsgründen teilweise massiv vermauert und einzelne Räume verfüllt, um die Sicherheit der Theaterbesucher*innen nicht zu gefährden. Für die Forschung ist das ein Glücksfall, denn die im Verfüllungsmaterial enthaltenen Funde, wie Keramik oder Münzen, geben weitere Hinweise für die zeitliche Einordnung der Nutzungs- und Verfallsphasen.
 

Bilder

 

Auf einen Blick

Publikation
Gudrun Styhler-Aydın, Der Zuschauerraum des Theaters von Ephesos. Baubefund und architekturhistorische Analyse. Mit Beiträgen von Maria Aurenhammer, Thomas Köberle und Johannes Weber, Forschungen in Ephesos II/2, Verlag der ÖAW, 2022 (Open Access).

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