11.04.2023 | Quantenphysik

Alltagstauglicher Quantenschlüsselaustausch über den Dächern Wiens

Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben einen wichtigen Schritt in Richtung unknackbare Verschlüsselung demonstriert. Sie haben mit verschränkten Photonenpaaren einen Quantenschlüssel erzeugt, den sie vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW aus über die Dächer Wiens hinweg mit einem Empfänger am Bisamberg geteilt haben. Erstmals wurde dabei gezeigt, dass Photonenpaare selbst bei Tageslicht nutzbar bleiben, wenn sie in mehreren Dimensionen verschränkt werden. Das berichtet das Team nun im Fachjournal Physical Review X. Mit der Technologie könnten sichere Quantenschlüssel über Satellitennetzwerke in Zukunft weltweit geteilt werden.

Das Hedy-Lamarr Teleskop am Dach des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation Wien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften © ÖAW

Mit Quantenschlüsseln wird es in Zukunft möglich sein, Informationen absolut unknackbar und abhörsicher zu verschlüsseln. Dazu müssen allerdings verschränkte Photonenpaare zwischen dem Sender und dem Empfänger ausgetauscht werden, ohne dass die empfindliche Verschränkung der Lichtteilchen zerstört wird. “Über Glasfasern ist das auf lange Distanzen unmöglich, weil ich Signalverstärker brauche, die wir heute nicht haben. Die kabellose Übertragung durch die Luft ist schwierig, weil Verschränkung sehr empfindlich auf Störungen von außen reagiert. Wir haben nun im Experiment gezeigt, dass es selbst im Photonensturm des Tageslichts möglich ist, einen Quantenschlüssel über zehn Kilometer durch die Luft zu übertragen, wenn man mit Verschränkung in mehr als zwei Dimensionen arbeitet”, sagt Marcus Huber vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Quantenverschränkung am Bisamberg

Für ihr Experiment haben die Physiker am Dach des ÖAW-Instituts im 9. Wiener Gemeindebezirk und am rund zehn Kilometer entfernten Bisamberg Sende- und Empfangsanlagen aufgebaut, die mithilfe von Lasern extrem genau aufeinander abgestimmt wurden. Dann wurden von einer Photonenquelle am Institut verschränkte Photonenpaare erzeugt, die anschließend getrennt wurden. Ein Partnerphoton blieb am Dach des Instituts und das andere wurde an die Station Bisamberg geschickt. Das Besondere an den Photonenpaaren war, dass sie in mehr als zwei Dimensionen verschränkt waren. Statt nur die Polarisation zu messen, die zwei Dimensionen oder mögliche Richtungen bietet, haben die Forscher noch eine zweite Eigenschaft der Photonen verschränkt.

Diese zweite Eigenschaft kann man sich vereinfacht als die Farbe oder Wellenlänge der Photonen vorstellen. “In Wahrheit ist es komplizierter, weil wir uns die Unschärfe zwischen Energie und Zeit zunutze machen. Auflösen können wir das über eine sehr exakte Messung der Ankunftszeit der Photonen am Bisamberg”, erklärt Lukas Bulla, der Erstautor der Arbeit. Je kleiner sie die Zeitpakete wählen, in denen die Ankunft der Photonen gemessen wird, desto höher wird die Dimensionalität der Verschränkung. Damit das funktionieren konnte, mussten die Forscher zwei Uhren am Bisamberg und am ÖAW-Institut für Quantenoptik und Quanteninformation exakt miteinander synchronisieren, die auf kurzen Zeitskalen viel genauer funktionieren als Atomuhren.

Mehr Dimensionen machen Verschränkung stabiler

“Je feiner die zeitliche Auflösung und höher die Zahl der Dimensionen, desto robuster ist die Verschränkung, aber gleichzeitig sinkt die Datenrate durch zusätzliche Fehler, die durch die Komplexität hochdimensionaler Messungen entstehen. Das Beste an unserer Methode ist, dass wir die Dimensionalität ständig anpassen können. Wenn es mehr äußere Störungen gibt, können wir das Signal so robuster machen, wenn wenige Störungen vorhanden sind, optimieren wir die Datenrate”, sagt ÖAW-Quantenphysiker Huber. Im Experiment ist es den Forschern erstmals gelungen, einen Quantenschlüssel durch die Luft bei Tageslicht zu teilen. “Das hat in unserem Versuch 1,5 Stunden nach Sonnenaufgang noch funktioniert, ein Nachweis der Verschränkung hat sogar noch länger geklappt.

Damit haben die Forscher demonstriert, dass eine Übertragung von Quantenschlüsseln durch die Luft auch unter realistischen Bedingungen möglich ist. “Durch weitere Verbesserungen wollen wir schon bald den Betrieb rund um die Uhr demonstrieren. Wir sehen keine theoretischen Hürden, die das verhindern. Die Strecke zwischen dem ÖAW-Institut und dem Bisamberg wurde so gewählt, weil sie große Ähnlichkeit mit einer Verbindung zwischen einem Satelliten und einer Bodenstation hat. Das heißt, dass die Technik in Zukunft verwendet werden kann, um bei Bedarf weltweit sichere Schlüssel zu teilen. Damit können dann sensible Kommunikationsvorgänge wie Online-Banking unknackbar verschlüsselt werden”, sagt Huber. 

 

Publikation:

“Non-local temporal interferometry for highly resilient free-space quantum communication”, Lukas Bulla, Matej Pivoluska, Kristian Hjorth, et al., Physical Review X, 2023
DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevX.13.021001

Rückfragehinweis:

Sven Hartwig
Leiter Öffentlichkeit & Kommunikation
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Dr. Ignaz Seipel-Platz 2, 1010 Wien
T +43 1 51581-1331
sven.hartwig(at)oeaw.ac.at

Wissenschaftlicher Kontakt:

Marcus Huber
Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Wien
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Boltzmanngasse 3, 1090 Wien
T +43 1 51581-9560
marcus.huber(at)oeaw.ac.at