10.11.2023

Welche wird die nächste "Medium-size Mission" der ESA?

Die Europäische Weltraumorganisation ESA hat drei aus fünf Vorschlägen für die nächste "Medium-size (M) Mission" eine Runde weiter geschickt. M-MATISSE, Plasma Observatory und THESEUS haben die alles entscheidende Phase A erreicht. Für das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) bleibt es weiterhin spannend, da es an zwei der drei Konzepte mitgearbeitet hat. Am Ende wird eine Mission übrig bleiben.

Auswahlprozess für "mittlere" Wissenschaftsmissionen der ESA (© ESA, CC BY-SA 3.0 IGO)

Aus 5 mach 3

Im Dezember 2021 wurde die Wissenschafts-Community der ESA-Mitgliedsstaaten aufgefordert, Vorschläge für die nächste „mittlere“ („Medium-size“ oder „M-class“) Mission auszuarbeiten. Knapp ein Jahr später, im November 2022, wurden CALICO, HAYDN, M-MATISSE, Plasma Observatory und THESEUS ausgewählt und wiederum ein Jahr lang von ESA-Expert:innen durchleuchtet. Nach der Überprüfung ihres Designs, der Einhaltung der Preis- und Systemvorgaben und ihrer Realisierbarkeit folgte vor zwei Tagen die nächste Entscheidung. THESEUS,M-MATISSE und Plasma Observatory wurden in die Endrunde geschickt, in der erstmals auch die Industrie eingebunden wird. Der wissenschaftliche Wert, die Machbarkeit, die Aktualität und die Ergänzung zu laufenden Missionen haben das Auswahl-Gremium schließlich überzeugt.

Grazer Weltraumforscher:innen weiterhin im Rennen

Das IWF ist an zwei der aktuell ausgewählten Missionskonzepte nicht nur wissenschaftlich, sondern auch mit dem Bau von Fluginstrumenten beteiligt. Insgesamt sind vier der acht IWF-Forschungsgruppen involviert. Die Chancen für Österreich und die Weltraumhauptstadt Graz stehen gut, am Ende mit an Bord zu sein. Die Beiträge des IWF zu den ESA-Missionen werden von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) finanziert.

Lebensfreundliche Bedingungen am Mars?

M-MATISSE will den Mars mit zwei Raumsonden untersuchen, die jeweils die gleichen Instrumente an Bord haben, um den Planeten gleichzeitig von zwei verschiedenen Orten im Weltraum zu beobachten. Insbesondere soll M-MATISSE Aufschluss darüber geben, wie der Sonnenwind die Atmosphäre, Ionosphäre und Magnetosphäre des Mars beeinflusst. Ziel der Mission ist es, die Auswirkungen dieser Wechselwirkungen auf die untere Atmosphäre und die Oberfläche des Mars zu untersuchen, was ein Schlüsselaspekt für das Verständnis der Habitabilität des Roten Planeten sowie der Entwicklung seiner Atmosphäre und seines Klimas ist.

"M-MATISSE ist eine sehr spannende Mission für das IWF, da es die erste große instrumentelle Beteiligung an einer europäisch geführten Mission zum Mars sein wird", sagt Gabriel Giono.

Neben seiner wissenschaftlichen Beteiligung, liefert das IWF auch den Bordcomputer für das Ionen-Massenspektrometer M-MAS. "M-MATISSE ist eine sehr spannende Mission für das IWF, da es die erste große instrumentelle Beteiligung an einer europäisch geführten Mission zum Mars sein wird. Das Massenspektrometer, für dessen Datenverarbeitungseinheit das IWF verantwortlich zeichnet, wird es uns ermöglichen, die Wechselwirkung zwischen der oberen Marsatmosphäre und dem Sonnenwind zu untersuchen, ein zentrales Forschungsthema sowohl für die Weltraumplasma- als auch für die Planetenphysik-Gruppe", betont Gabriel Giono, Junior-Gruppenleiter am IWF.

Wie wirkt sich der Sonnenwind auf unsere Erde aus?

Plasma Observatory ist eine Multi-Satelliten-Mission (eine Mutterraumsonde, sechs Tochterraumsonden) zur Untersuchung der Umgebung elektrisch geladener Teilchen (Plasma genannt) um die Erde. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Fragen: Wie werden Teilchen in Weltraumplasmen mit Energie versorgt? Welche Prozesse beherrschen den Energietransport und treiben die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Regionen des magnetosphärischen Systems der Erde an? Das IWF ist im wissenschaftlichen Core Team vertreten und baut Magnetometer und Bordcomputer für die Tochtersonden.

"Trotz vieler Beobachtungen verstehen wir die Plasmaprozesse immer noch nicht vollständig", so Rumi Nakamura.

Plasma Observatory würde die laufenden und geplanten ESA-Missionen ergänzen, die sich mit der Wechselwirkung zwischen Sonne und Erde befassen, um zu verstehen, wie sich der Sonnenwind auf unseren Planeten auswirkt, und uns letztlich helfen, Leben und Technologie vor seinen Auswirkungen zu schützen. "Die Vier-Punkt-Messungen der ESA/Cluster- und NASA/MMS-Satelliten sowie die groß angelegte Mehrpunkt-Mission NASA/THEMIS haben in den letzten zwei Jahrzehnten unser Verständnis über die Plasmaprozesse erheblich verbessert. Trotz der großen Menge an verfügbaren Beobachtungen verstehen wir die physikalischen Mechanismen, die zur Energieerzeugung und zum Energietransport im Plasma führen, immer noch nicht vollständig", erläutert IWF-Gruppenleiterin Rumi Nakamura.

Welche Mission schafft es ins Finale?

"Beide Missionen helfen uns, die Einmaligkeit unseres Sonnensystems zu verstehen", meint Christiane Helling.

Voraussichtlich Mitte 2026 wird feststehen, welche Mission umgesetzt und Mitte der 2030er-Jahre gestartet wird. "Wir freuen uns sehr, dass das IWF an zwei von drei Missionsvorschlägen beteiligt ist, die es in die Endrunde geschafft haben", so IWF-Direktorin Christiane Helling. "Beide Missionen helfen uns, die Einmaligkeit unseres Sonnensystems zu verstehen. Wir gratulieren aber auch dem THESEUS-Team, dessen Missionsvorschlag sich mit der Entstehung der ersten Galaxien in unserem Universum befasst."

Die finale M7-Mission wird jedenfalls eine wertvolle Ergänzung der Wissenschaftsflotte der ESA sein, die ein breites Spektrum ehrgeiziger weltraumwissenschaftlicher Themen abdeckt.

 

Kontakt
Prof. Dr. Christiane Helling
T +43 316 4120-301
christiane.helling(at)oeaw.ac.at

Dr. Gabriel Giono
Junior-Gruppenleiter - Bordcomputer
T +43 316 4120-531
gabriel.giono(at)oeaw.ac.at

Doz. Dr. Rumi Nakamura
Gruppenleiterin - Weltraumplasmaphysik
T +43 316 4120-573
rumi.nakamura(at)oeaw.ac.at

 

ESA-Presseaussendung