07.10.2022

Anton Zeilinger gewinnt den Physik-Nobelpreis 2022

Das Grazer Institut für Weltraumforschung gratuliert dem ehemaligen Akademie-Präsidenten.

Nobelpreisträger Anton Zeilinger bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen des IWF (© Harry Schiffer/IWF).

Das IWF gratuliert!

Der Quantenphysiker und ehemalige Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Anton Zeilinger wird gemeinsam mit Alain Aspect sowie John F. Clauser mit dem Nobelpreis für Physik 2022 ausgezeichnet. Er erhält den höchsten Wissenschaftspreis der Welt insbesondere für seine Experimente zum quantenphysikalischen Phänomen der Teilchen-Verschränkung (Quantum Entanglement).

Das IWF und seine Direktorin Christiane Helling freuen sich mit Zeilinger: "Wir gratulieren Anton Zeilinger zu dieser fantastischen Auszeichnung. Seine Begeisterung für die Physik und die hartnäckige Verfolgung seiner Ideen, die nicht immer von der wissenschaftlichen Community geteilt wurden, haben ihn an die absolute Spitze der internationalen Forschung gebracht."


Mit Grundlagenforschung und Neugier zum Erfolg

Zeilinger: "Das alles war nur möglich, weil ich uneingeschränkt meiner Neugier nachgehen konnte, ohne etwas bezwecken oder erreichen zu wollen."

Anton Zeilingers Forschungen unterstreichen die Wichtigkeit der Grundlagenforschung. "Das alles war nur möglich, weil ich uneingeschränkt meiner Neugier nachgehen konnte, ohne etwas bezwecken oder erreichen zu wollen", hebt Zeilinger hervor.

Für Christiane Helling ist wissenschaftliche Freiheit auf jeder Karrierestufe ein hohes Gut: "Diese Freiheit basiert auf Vertrauen. Ich stimme Herrn Zeilinger voll und ganz zu, dass Vertrauen in die Fähigkeiten der jungen Forschenden wichtig ist." Neugier-orientierte wissenschaftliche Forschung ohne klares praktisches Ziel fördert die Kreativität. Um "Blue Sky Science" zu ermöglichen, müssen Forschungsinstitutionen entsprechend ausgestattet werden.
 

Chance für junge Forscher:innen

"Nur durch eine gezielte Unterstützung kann der zukünftigen Generation von Forscher:innen dieselbe Freiheit zur Neugierde ermöglicht werden, die Zeilinger nun zum Gewinn des Nobel-Preises geführt hat", so Helling.

Zeilinger selbst betrachtet den Preis als eine Ermutigung für junge Menschen und bedankt sich in der ersten Pressekonferenz bei seinen rund 200 Mitarbeiter:innen – „Doktoranden und Diplomanden, die jetzt in der ganzen Welt verstreut sind“. Auch dem IWF ist es – neben der wissenschaftlichen Arbeit – ein großes Anliegen, zukünftigen Forscher:innen eine Ausbildung zu bieten.

Das neue Nachwuchsprogramm für fachübergreifende Weltraum- und Planetenwissenschaften (YRP@Graz) gibt Schüler:innen, Student:innen, aber auch Doktorand:innen die Chance, am IWF in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Graz und der Universität Graz zu arbeiten und erste Schritte und Erfahrungen in der Wissenschaft zu machen. YRP@Graz soll die Bildungslandschaft in Graz im Bereich der Weltraumwissenschaften stärken und Graz als die Weltraumhauptstadt Österreichs weiter etablieren. "Denn nur durch eine derart gezielte Unterstützung kann der zukünftigen Generation von Forscher:innen dieselbe Freiheit zur Neugierde ermöglicht werden, die Zeilinger nun zum Gewinn des Nobel-Preises geführt hat", bekräftigt Helling.

IWF an Zeilingers Experiment beteiligt

Die IWF-Forschungsgruppe "Satellite Laser Ranging" (SLR) beteiligte sich an einem Experiment zum Aufbau eines "Satellitengestützten interkontinentalen Quantennetzwerks" über den chinesischen Satelliten Micius. Die SLR-Station am Observatorium Lustbühel fungierte neben Xinglong und Nanshan als eine von drei Bodenstationen. „Wir brachten mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Satellitenvermessung ein“, betont Gruppenleiter Michael Steindorfer. "Zeilingers Team konnte sich auf eine bereits etablierte, hochgenaue und flexible Station in Graz verlassen, um den experimentellen Aufbau zu realisieren.“ So gelang 2017 das weltweit erste quantenkryptographisch verschlüsselte Video-Telefonat über zwei Kontinente zwischen Wien und Peking. Aus dieser Zusammenarbeit entstand eine gemeinsame Publikation in den Physical Review Letters.

Bedeutende Physiker in Graz

Ludwig Boltzmann wurde am 17. Juli 1869 von Kaiser Franz Joseph I. zum ordentlichen Professor der mathematischen Physik an der Universität Graz ernannt, wo er mit Unterbrechung fast 20 Jahre theoretisch und experimentell forschte. Die Grundlagenforschung Boltzmanns ist heute integraler Teil jeder Wettervorhersage, unserer Modelle für planetenbildende Scheiben und findet sich in der Plasmaphysik sowie in unseren Simulationen der Atmosphären und der Charakterisierung von Exoplaneten.

Für die Raumfahrt besonders interessant war der österreichische Raketenpionier Friedrich Schmiedl. Er startete am 2. Februar 1931 vom 1.445 Meter hohen Schöckl die erste Postrakete der Welt, die rund 100 Briefe nach St. Radegund beförderte. Die Adresse des IWF, Schmiedlstraße 6, erinnert heute an ihn.

Und auch die ersten beiden Physiknobelpreisträger Österreichs, Schrödinger und Hess, haben in Graz gewirkt. Erwin Schrödinger, einer der Väter der Quantenphysik, wurde 1936 an die Karl-Franzens-Universität berufen. Victor Franz Hess  beschäftigte sich hauptsächlich mit Radioaktivität und anderen Strahlungsformen, sowie deren Wirkung auf die Erdatmosphäre. Hess wurde zur Gänze in Graz ausgebildet: Er besuchte hier das Gymnasium und studierte und promovierte an der Karl-Franzens-Universität. Nach beruflichen Anfängen in Wien kehrte er zweimal als Professor an die Universität Graz zurück. Für die Entdeckung der kosmischen Strahlung erhielt Hess 1936 den Nobelpreis für Physik.

Eine seiner letzten Amtshandlungen als Akademie-Präsident führte Anton Zeilinger zum 50-jährigen Jubiläum des IWF an das Victor Franz Hess-Forschungszentrum, in dem das Weltrauminstitut untergebracht ist.

 

DER STANDARD hat nachgefragt, was es braucht, um mehr Nobelpreise nach Österreich zu holen? Was österreichische Forscher:innen, darunter IWF-Direktorin Christiane Helling, geantwortet haben, ist hier nachzulesen:

Wie man mehr Nobelpreise nach Österreich holt

 

Von GHZ bis Quantentelefonat: Die ÖAW hat die wissenschaftlichen Etappen von Anton Zeilingers Weg zum Nobelpreis in einer Timeline nachgezeichnet:

Nobelpreis-Träger Anton Zeilinger: Werdegang und Forschungen