Die Forschung an neuen Substanzen und Techniken, die die Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern sollen, hat einen ambivalenten Ruf. Das EU-Projekt NERRI sollte dazu beitragen, die europäische Forschung und Innovation auf diesem Gebiet möglichst verantwortungsvoll zu gestalten.
Wie lässt sich ein normativer Rahmen festlegen, auf dessen Basis neue Technologien zur Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit (das sogenannte Neuroenhancement, NE) gestaltet werden können? Ziel des Projekts NERRI war, WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen, VertreterInnen der Industrie sowie die breitere Öffentlichkeit diesbezüglich in Dialog zu bringen um gegenseitiges Lernen zu ermöglichen. Das Projekt sah seine Aufgabe also vor allem darin, unterschiedliche InteressentInnen und potenziell Betroffene zu mobilisieren („mobilisation and mutual learning“, MML).
Dazu wurden bereits existierende NE-Technologien anfangs in drei Kategorien eingeteilt: verfügbare, experimentelle und hypothetische. Im Zuge des Projekts wurde diese analytische Klassifizierung laufend weiterentwickelt. Jede dieser Kategorien wirft grundlegende ethische, rechtliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen auf, die verschiedene gesellschaftliche Gruppen auf jeweils andere Art betreffen.
Auf Grundlage der analytischen Klassifizierung wurde ein breiter gesellschaftlicher Dialog organisiert, um Hoffnungen, Befürchtungen und Erwartungen der Stakeholder und der breiteren Öffentlichkeit zur Sprache zu bringen.
Dabei erforderten die behandelten Fragestellungen nicht nur unterschiedliche regulative Ansätze, über die diskutiert wurde, sondern – grundlegender - jeweils andere Formen der Problematisierung. Daher wurden die in den Beteiligungsverfahren verwendeten Methoden auf die jeweiligen Fragen und beteiligten Stakeholder zugeschnitten. Besonderer Wert wurde auf innovative Methoden gelegt.
Aus den Erfahrungen in den einzelnen Ländern wurde ein normativer Rahmen abgeleitet, der die Ergebnisse der Dialoge widerspiegelt. Damit sollte das von der EU-Kommission propagierte Konzept einer „verantwortlichen Forschung und Innovation in Europa“ konkretisiert werden.
Das Konsortium bestand aus ExperInnen aus naturwissenschaftlich-medizinischen Disziplinen (z.B. Neurologie und Neurophysiologie) aus den Sozial- und Geisteswissenschaften und – ganz wesentlich – der Wissenschaftskommunikation.
Neuroenhancement involves the use of neurotechnologies to improve cognitive, affective or behavioural functioning, where these are not judged to be clinically impaired. Questions about enhancement have become one of the key topics of neuroethics over the past decade. The current study draws on in-depth public engagement activities in ten European countries giving a bottom-up perspective on the ethics and desirability of enhancement. This informed the design of an online contrastive vignette experiment that was administered to representative samples of 1000 respondents in the ten countries and the United States. The experiment investigated how the gender of the protagonist, his or her level of performance, the efficacy of the enhancer and the mode of enhancement affected support for neuroenhancement in both educational and employment contexts. Of these, higher efficacy and lower performance were found to increase willingness to support enhancement. A series of commonly articulated claims about the individual and societal dimensions of neuroenhancement were derived from the public engagement activities. Underlying these claims, multivariate analysis identified two social values. The Societal/Protective highlights counter normative consequences and opposes the use enhancers. The Individual/Proactionary highlights opportunities and supports use. For most respondents these values are not mutually exclusive. This suggests that for many neuroenhancement is viewed simultaneously as a source of both promise and concern.
Komplette Liste der AutorInnen: Gaskell, G., Bard, I., Allansdottir, A., Hildt, E., Hampel, J., Kronberger, N., Laursen, S., Nordal, S., Quintanilha, A., Revuelta, G., Sándor, J., Singh, I., Somsen, H., Torgersen H., Zwart, H.
Ist Neuroenhancement, die pharmakologisch oder mit Hilfe von Magnetfeldern oder Schwachstrom bewirkte Steigerung der Hirnleistung, (noch) ein Thema für Technikfolgenabschätzung (TA)? Neuroenhancement galt lange als gesellschaftlich brisante Entwicklung im Dunstkreis der Converging Technologies, befeuert durch transhumanistische Vorstellungen einer kognitiv über sich selbst hinauswachsenden Menschheit. Der Missbrauch existierender Pharmaka und die Verfügbarkeit einschlägiger (ungeprüfter) Geräte schienen Nachfrage und Brisanz zu untermauern. TA-Studien und andere Untersuchungen kamen allerdings zum Ergebnis, dass gängige Verfahren kaum wirksam sind, dass der Neuentwicklung grundsätzliche und institutionelle Hindernisse entgegenstehen und dass kaum medizinischer Bedarf besteht. Dennoch wurden in den letzten Jahren insbesondere individuelle und gesellschaftliche Folgen einer hypothetischen Anwendung bearbeitet, wobei man – Realisierungsprobleme hintanstellend – implizit von wachsender Verbreitung ausging. So sollte das EU-Projekt NERRI „gegenseitiges Lernen“ der Stakeholder und die breite öffentliche Debatte fördern. Mittlerweile hat sich Ernüchterung bezüglich der Realisierbarkeit eingestellt und der Fokus auf bestehende gesellschaftliche Problemlagen verlagert, die mit Neuroenhancement zu bestimmten Folgen führen könnten. Ob eine solche Konstellation für TA interessant ist bzw. was am Thema Neuroenhancement weiterhin für TA relevant sein könnte, wird in dem Beitrag diskutiert.
Boosting the performance of the brain is an old dream still unfulfilled.
-> Approaches to enhance its capabilities range from drugs to brain stimulation or brain-computer interfaces.
-> Besides therapeutic success with long-known drugs in ill people, almost no effects have been proven.
-> Options for action include establishing a governance framework, adapting medical regulation and following fundamental rights.
Author: Helge Torgersen
-> Die Steigerung menschlicher Hirnleistung ist ein alter, aber immer noch unerfüllter Traum.
-> Die Ansätze reichen von Medikamenten über die elektrische oder magnetische Stimulation bis hin zu Hirn-Computer-Schnittstellen.
-> Außer therapeutischen Wirkungen bei kranken Personen konnten bisher kaum Effekte nachgewiesen werden.
-> Handlungsoptionen sind u.a. ein eigener regulatorischer Rahmen, die Anpassung der Medizinregulierung und ein grundrechtsbezogener Ansatz.
Autor: Helge Torgersen
The research leading to these results has received funding from the European Community's Seventh Framework Programme FP7-SCIENCE-IN-SOCIETY-2012-1 under grant agreement n° 321464. Any opinions expressed on this website do not necessarily reflect the official opinion of the Community.
("Neuro-Enhancement: Responsible Research and Innovation")
03/2013 - 05/2016